Schlecht verwaltet und regiert, Teil 9, Regierungszentrale, Dr. Andreas Bovenschulte

06.11.2022 Aus Von Axel Schuller

Zum Schluss der Serie geht es um den „Chef vons Janze“. Ne sorry, der will Andreas Bovenschulte ja gar nicht sein. Bloß: Präsident des Senats, Bürgermeister, Senator für Kultur und „Senator für Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften“. Dabei muss man sagen, dass er Bremen nach Außen deutlich besser repräsentiert als er nach Innen wirkt. Bovenschultes größte Erfolge: Er hat Bremen in der Pandemie „draußen“ gut vertreten. Er kämpft für Energie-Hilfen der Klein- und Mittelbetriebe. Und: „Seine“ Bremer SPD hat er so was von eingefangen, dass man die fast schon umtaufen muss. In ABW – Andreas Bovenschulte Wahlverein.

Also, heute, und zum Schluss der „Kult“-Serie „schlecht verwaltet und regiert“ das Rathaus: Dr. Andreas Bovenschulte (57, SPD).

Der Mann aus Hildesheim und sein Weg ins höchste Bremer Amt ist ein Faszinosum. Abi, Zivildienst als Rettungssanitäter, „Sozialarbeiter in Ausbildung beim Richmond Fellowship in London“ (hört sich grad ein klein bisschen nach Baerbock an). Dann aber sehr zielstrebig: Jura-Studium, AStA-Vorsitz, Promotion, SPD-Ortsverein, SPD-Landesvorsitz, Bürgermeister von Weyhe, SPD-Bürgerschaftsabgeordneter, Fraktionsvorsitzender(für 52 Tage), dann Bürgermeister.

Die Koalitionsverhandlungen mit Grünen und Linken hatte noch sein Vorgänger, der Wahlverlierer Dr. Carsten Sieling, geführt. Nach dessen Einsehen, doch besser abzutreten, wurde Bovenschulte ins Bremer Rathaus gewählt.

Und alle in seiner Partei – egal ob rechts oder links – jubeln ihm, „unserem Bovi“, ergeben zu. Wer so beliebt sein will, muss einen hohen Preisbezahlen. Ich hoffe, dass er bei innerer Einkehr weiß, wofür er persönlich wirklich steht. An der Senatsarbeit kann man das nicht immer ablesen. Ja, ich weiß, er verfügt nicht – wie der Bundeskanzler – über eine Richtlinienkompetenz. Ich frage mich freilich: Wenn er sie denn hätte, würde sich dann etwas Wesentliches ändern?

Bovenschulte kommt mir wie ein Regierungschef vor, der bei der Moderation der Senatssitzung stets darauf bedacht ist, dass nix an ihm hängenbleibt.

Da kann eine Anti-Verkehrssenatorin schier außer Rand und Band geraten – und der große Senats-Oberbär bleibt still. Wartet darauf, dass sich die Grüne Dame wieder einkriegt. Fein (für ihn), so muss er keine Stellung beziehen. Schlecht für uns Bürger m/w/d: In der Obernstraße geht’s nicht weiter, Die Bimmelbahn rumpelt weiter vor der Glocke herum, das Café Wallmühle schließt entnervt, weil verkehrlich stranguliert, Bäume fallen raummeter-weise und, und und.

Kurzer Exkurs ins politische Unterholz:

Der Bürgermeister fühlt sich – so mein Eindruck – zuweilen schwächer als er tatsächlich ist. Ja, dass er im Rathaus sitzt, verdankt die SPD – und erst recht er – nicht dem Wahlergebnis. Die Bremerinnen und Bremer hatten den Sozis 2019 einen heftigen Schlag auf den Selbstwert-Solarplexus verpasst: Nur 24,9 nach 32,8 Prozent (in 2015). Carsten Meyer-Heder (CDU) erhielt dagegen 26,7 (22,4) Prozent der abgegebenen Stimmen. Demnach hätte er Bürgermeister werden müssen. Doch die SPD umging zusammen mit Grünen und Linken ungeschriebenes Wahlgesetz, wonach die Partei mit den meisten Stimmen die Regierung stellt/stellen sollte.

Aus Gründen der Gerechtigkeit sei angemerkt: Der Christdemokrat Ole von Beust hat 2001 mit nur 26,2 Prozent zusammen mit der „Schill-Partei“ und der FDP die gleiche üble Nummer in Hamburg abgezogen. Die drei Parteien lösten seinerzeit die SPD als Regierungspartei ab, obwohl die Sozialdemokraten 36,5 Prozent erzielt hatten.

Zurück nach Bremen. Bei Bovenschulte habe ich manchmal den Eindruck, der Mann regiert mit gebremsten Schaum, weil seine SPD de facto eigentlich abgewählt worden war und: Außerdem hatte er nicht als Spitzenkandidat auf dem Wahlzettel gestanden.

Andreas Bovenschulte ist durch und durch Sozialdemokrat. Er redet – wie alle anderen Sozis – stets von a) Gerechtigkeit, b) Bildung für alle, c) Mitgefühl mit den Schwächsten der Gesellschaft. Dabei blenden – aus meiner Sicht – viele Sozialdemokraten wichtige Fragen aus.

Ist es a) gerecht, wenn es sich Menschen dank Unterstützung von Steuer- und Beitragszahlern dauerhaft in ihrer (zugegeben nicht gerade komfortabel) Hartz-/Stütze-Welt einrichten? Oder müssten sie sinnvollerweise nicht auch gefordert werden?

b) Die in Bremen seit Jahrzehnten gepriesene „gute Bildung für alle“: Führt sie in der Hansestadt  tatsächlich zum Erfolg? Pisa lässt grüßen.

c) Verdeckt das immer wieder eingeforderte Mitgefühl vielleicht den klaren Blick auf Zeitgenossen, die vom Staat und von anderen nehmen, was sie kriegen können? Ist es für alte „Ur- Sozialdemokraten“ wirklich vertretbar, dass die Heizkosten von Hartz-IV-Empfängern ohne jede Einschränkung bezahlt werden? (Beim Bürgergeld – auch so nen Knaller – stehen jetzt angeblich zarte Änderungen an).

Andreas Bovenschulte ist aus Sicht der Bevölkerung der Regierungschef. Damit ist er übrigens auch für das Beibehalten des Bremischen Personalvertretungsgesetzes im öffentlichen Dienst mit verantwortlich. Wer mit diesem Gesetz zu tun hat – stöhnt meistens. Bloß, es ändert sich nichts.

Ja, ich weiß, Bremen ginge es spontan nicht besser, wenn dieses Relikt aus Hans Koschnicks Zeiten endlich auf das Normal-Maß der anderen Bundesländer gestutzt würde. Aber: Die teilweise noch altertümlich organisierte Verwaltung ließe sich schneller und besser auf Vordermann bringen. Bremen beschäftigt pro 1.000 Einwohner die meisten öffentlich Bediensteten aller Bundesländer – und hat pro Kopf die höchsten Schulden (32.920 Euro).

Bovenschultes größte Schwäche ist, dass er „den Laden“ bloß irgendwie zusammenhalten will. Sprich, er lässt die Senatskolleginnen und -kollegen machen. Und schaut zu.

Zur Veranschaulichung ein paar Beispiele: Umwelt-/Bau-/Anti-Verkehrssenatorin Dr. Maike Schaefer beschleunigt mit ihrer Anti-Auto-Besessenheit das Sterben der Bremer City. Und Bovenschulte? Schweigt.

Sozialsenatorin Anja Stahmann lockt durch ihre Politik minderjährige Flüchtlinge scharenweise nach Bremen und fordert dann obendrein, als Krönung des Guten: Allen Klima-Flüchtlingen solle Asyl gewährt werden. Und Bovenschulte? Nix zu hören.

Super-rege ist der Bürgermeister hingegen auf dem Gebiet eigener öffentlicher Auftritte. Der Mann lässt jetzt schon – sieben Monate vor dem Wahltermin – kaum eine Gelegenheit zu direkten und vor allem indirekten Wahlkampfauftritten aus. Er beglückt alle: Schützenvereine, Betriebsversammlungen, Vertrauensleute-Konferenzen, besucht eine Firma nach der anderen, hält Stadtteil-Gespräche ab usw. Macht er richtig clever, gibt den Chef-Kümmerer.

Und wenn Menschen von politischen Zielen und so nem Kram partout nix hören wollen, greift er zu seiner „Geheimwaffe“, der Gitarre. Der Mann wollte als Jugendlicher Rockstar werden. Zupft er den ersten Akkord, sinkt ihm sogar manch hartgesottener Skeptiker zu Füßen.

Die CDU hat in den vergangenen Monaten vergeblich versucht, Bovenschultes Sympathiewerte nach unten zu drücken. Formulierungen wie „die Regierung Bovenschulte“ im Zusammenhang mit schlechten Politikbeispielen einzelner Senatsmitglieder verfingen nicht so, wie von der Opposition erhofft.

 

Im Gegenteil: Der Bürgermeister überstrahlt derzeit viele Mängel des senatorischen Betriebes. Vereinzelt ist sogar von eingefleischten Christdemokraten zu hören. „Na ja, der Bovenschulte macht das gar nicht so schlecht.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

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