Verkehrspolitik durch das Anti-Verkehrsressort – einfach grotten-schlecht

11.03.2022 Aus Von ED-as_Blog-17

Achtung, Achtung, liebe Leserinnen und Leser. Heute wird’s grundsätzlich. Also bitte hinsetzen, gemütlich machen, Kaffee/Tee einschenken, ein bisschen Zeit investieren.

Los geht’s. Sind Ihre Ohren auch bereits geschädigt? Ich meine, von dem lauten Plopp, wenn Sekt- oder gar Champagner-Korken, aus den Flaschen schießen. Also, ich bin mir ziemlich sicher, dass im Weserpark, an der Waterfront und bei Dodenhof angesichts der neuesten Bremer „Einfälle“ zur Verkehrspolitik deftig gefeiert wird.

Nach dem extrem gelungenen Fahrradweg auf dem Wall zwischen Tiefer und Herdentor (Haha!) und dem anstehenden Rückbau der Martinistraße von vier auf zwei Spuren (übrigens mit Zustimmung der Opposition und der Handelskammer!!!) holt das grüne Anti-Verkehrs-Ressort (nenn’ ich ab sofort nur noch so) zum nächsten Schlag aus. Jetzt will man auch die Bürgermeister-Smidt-Straße am Brill kastrieren. Statt den verschütteten Fußgänger-Tunnel zu öffnen, hell zu gestalten, dort Stehpinkler und „Stadtstreicher“ konsequent fernzuhalten, soll die Straße schmaler werden, um Fußgängern den roten Teppich auf der Kreuzung auszurollen. Damit diese schneller in die Überseestadt gelangen können. Aha. Auf die Begründung muss man erst mal kommen. 

Mal zwischendurch: Weshalb fahren viele Bremer und Bremerinnen so gern nach Oldenburg zum Einkaufen? Diese Stadt hat a) eine Innenstadt mit mehreren Rundläufen, ohne Busse oder gar Bahnen, die freilaufende Kinder gefährden könnten. Und b) war diese Stadt so schlauParkhäuser für die Umlandbevölkerung aus dem Ammerland und – nicht zu vergessen – für einkaufs-bummel-willige Bremer rund um die Einkaufsstraßen zu bauen. 

Fragen Sie mal OL-Besucher, wie flott man dort von den Parkhäusern zum Einkaufs-Vergnügen (gibt es da wirklich noch, inkl. riesigem, gut sortierten Leffers) oder auch nur zum Bummeln und Futtern gerät. Tun Sie’s mal! Ich wette, Sie werden überwiegend Zustimmung hören – und sich schon bald dieses gar nicht so kleine Städtchen genauer anschauen. Und schätzen lernen. Topp, die Wette gilt

Und wir in Bremen? Unsere in der City liegenden Parkhäuser Katharina (viel zu alt und damit viel zu eng), Dom (zur Orientierung: hieß früher Violenstraße) und Mitte zeichnen sich dadurch aus, dass diese mitten in den Shoppingzonen liegen und  bloß durch enge, einspurige Zufahrten zu erreichen sind. Retour die gleiche, ätzende Prozedur

Die Zufahrt zum Presse-Parkhaus – vor einigen Jahren für viel Geld ausgebaut – erfolgt über die Martinistraße. Diese wiederum wird nach geradezu blödsinnig teuren Verkehrsversuchen von vier auf zwei Spuren „zurückgebaut“. 

Mein Wunsch ans Anti-Verkehrs-Ressort: Bitte lassen Sie diese beispielhaft verwelkten Krüppel-Büsche in Höhe der hkk stehen. Als Mahnmal für plan- und sinnlose Verkehrspolitik.

Also, wieder zum Parken: Das einzige halbwegs gut erreichbare Brepark-Parkhaus befindet sich gegenüber der AOK, am Brill. Und ausgerechnet diese Straße soll nun auch noch schmaler werden. Ziel der Anti-Verkehrs-Behörde von Dr. Maike Schaefer (Grüne): Die Innenstadt soll autofrei werden. Wenn’s gar nicht anders geht: autoarm. Darüber kann man reden, aber: anders! Und: Viele City-Bereiche sind doch bereits heute autofrei.

Zurück zu der super Planung. Denken Sie jetzt noch mal an Oldenburg. Dort: Parkhäuser kreisförmig um die Haupteinkaufsstraßen angeordnet. Bei uns: Nadelöhre als Zu- und Ausfahrten.

In der einst wirklich stolzen Hansestadt könnte man Autofahrer (wenn man sie nicht so sehr verabscheuen würde) ungehindert, schnell und dicht an die City heranlotsen.

Aber: Statt immer nur Klein-Klein zu denken, müsste man dafür einen in sich schlüssigen Plan pro-Innenstadt entwerfen.

Parteien und Behörden tun es beinahe tagtäglich, deshalb erlaube ich mir, jetzt auch mal zu – spinnen. Bremen ist mit 450.000 Einwohnern in der Kernstadt (ohne HB-Nord) – ob man das will oder nicht – ein Oberzentrum. Dieses braucht eine Innenstadt, die über das breite Angebot eines Oberzentrums verfügt: Einkauf, Gastro, Kultur/Straßenkultur, Denkmäler, Bummelbereiche, Zonen zum Verweilen, kurzum: Aufenthaltsqualität. Dieses als Grundlage akzeptierend, kann man wie in Kopenhagen oder Oslo durchaus auf die Idee kommen: Wir befreien den Kern der City vom Autoverkehr. Aber das darf doch nicht bedeuten, dass wir dieser Herzkammer die äußere Blutversorgung über Arterien und Venen – also die Straßenzu- und Abläufe – so sehr verengen, dass das „Herz“ abgeschnürt wird, in der Konsequenz nicht mehr schlagen kann.

Ich weiß, alle Experten – Achtung, Frau Schaefer: Sie als Biologin, gehören gewiss nicht dazu! – verdrehen jetzt die Augen und raunen: Oh, du Schreiberling, was bildest du dir bloß ein. Kann sein, bin ja auch kein Experte, habe aber einen Kopf zum Denken. Irgendwann muss man in Bremen doch mal anfangen, im Großen zu denken. Dieses Klein-Klein und puzzle-mäßige Herumdoktern in dieser Stadt kann nur in die Irre führen. Und, an die Herren Zech und Jacobs: Mich treibt die Sorge um, dass sich Ihre Innenstadt-Investitionen in schwindelerregender Millionen-Höhe vor dem Hintergrund der jetzigen, aus meiner Sicht unsinnigen Verkehrsinfrastruktur (und vor allem der geplanten) nicht so gut entfalten könnten, wie das unbedingt notwenig ist.

Also, ich spinne, modern: ich brainstorme: Der Wall bleibt unbedingt zweispurig, als Arterie/Vene zum City-Herz. Diesen, Entschuldigung, Schwachsinns-Radweg auf der Fahrbahn braucht kein Mensch. Ein, besser zwei Gebäude am Wall, am besten in Höhe Bischofsnadel, werden abgerissen und durch neue Parkhäuser mit breiten Auffahrten und breiten Stellplätzen ersetzt. Diese erhalten Ausgänge direkt in die City (Domshof) – auch den Herdentorswall überwindend, per Brücke oder Tunnel – und zum Wall. In den Wallanlagen wird – ähnlich den Rheinauen in Bonn – ein Restaurant/Cafe´ gebaut.  

Alternativ könnte man – Achtung: jetzt wird’s bewusst spinnert – in den Wallanlagen ebenfalls in Höhe Bischofsnadel eine Tiefgarage bauen. Ich weiß: Viele alte Bäume, der Wallgraben und vor allem das bremische Beharrungsvermögen stehen dagegen. Außerdem müsste man den Denkmalpfleger bis zur Fertigstellung vermutlich in „Beugehaft“ nehmen.

Nebenbei: Wenigstens diese Schrott-Ansammlung namens Klimacamp gegenüber der Kunsthalle und neben dem Wagenfeld-Haus sollte man endlich abräumen. Es war schon eine Schande, dieses Ding über Monate neben dem Weltkulturerbe Rathaus herumgammeln zu lassen. 

Behalten wir unser Ziel, Wiederbelbung der zurzeit eher dahinsiechenden als prosperierenden City im Blick. Dafür muss der Handel (im Verbund mit den Vermietern) mehr als das Vorhandene bieten. Ein-Euro-Läden sind Einkaufs-Schrott, Drogerien in früheren Edel-Läden peinlich. Zur Innenstadt gehört auch Stadtentwicklung. Die Absage an den Libeskindbau auf dem Sparkassen-Grundstück hat die bremische Kleinkariertheit auf grausame Weise ausgedrückt. Vorneweg: Frau Schaefer, die unglückseligerweise nicht nur für die Anti-Verkehrspolitik, sondern auch noch für die Stadtentwicklung zuständig ist. Na ja, Taubenhäuser kann sie

Außerdem: Die Straßenbahn in der Obernstraße wird auch in Zukunft jede Gemütlichkeit unterbinden. Weg mit den Dingern. Die eine Hälfte könnte ab Gericht über Violenstraße, Bahnhof und Brill um den Citykern herumgeführt werden. Der andere Teil kurvt über Balgebrückstraße, Kaisenbrücke, Westerstraße, Langemarckstraße, Bürgermeister-Smidt-Straße zum Brill. Dafür müssten weder Anti-Verkehrs-Ressort noch Bremer Straßenbahn AG zaubern. (Die BSAG hat das schon lange verlernt). Für geh-eingeschränkte Menschen pendeln in der Obernstraße, zwischen Gericht und Brill, Elektro-Busse (gerne auch mit Oberleitung). Aber bitte im Schritt-Tempo!  

Allerdings frage ich mich, am 11. März 2022: Ist die Bremer City noch zu retten? Meine große Sorge: Es ist zu spät. Wir haben diese Stadt dieser rot-grün-roten Koalition per Wahlzettel ausgeliefert. Jetzt kriegen wir die Rechnung: Die Grünen und Linken brennen darauf, die Autos komplett von der Innenstadt fernzuhalten. Die SPD verspürt gerade noch die letzten arbeitnehmerfreundlichen Zuckungen (siehe Brill). Arbeitende Menschen/Rentner, die sich noch ein Auto leisten können, wollen nach meiner festen Überzeugung – mit der eigenen „Karre“ bis zu den Flaniermeilen fahren. Und die CDU? Die rennt allmählich offenbar blind hinter jeder Klima-Monstranz her. Und die Handelskammer? Hat dem Verkehrsentwicklungplan 2014 ebenfalls zugestimmt. Aus diesem Werkzeugkasten bedient sich zur Zeit das Anti-Verkehrs-Ressort mit unschuldigem Blick.

Fazit: Die sogenannte Verkehrspolitik in dieser Stadt, ich korrigiere: Anti-Verkehrspolitik ist unterirdisch, grotten-schlecht. Leider!

So bleibt jenen Menschen, die unerhörterweise gleich mehrere Dinge – und eben mit ihrem Auto – einkaufen wollen, nur der bequeme Weg in den Weserpark, in die Waterfront oder zu Dodenhof (alle mit kostenfreien Parkplätzen!). Oder möglicherweise nach Oldenburg. Heute passt – leider – Heinrich Heine: Denk ich an die City in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht. Zu meinem großen Glück bin ich kein Händler!

Dennoch: Bleiben Sie munter!

Ihr as

Axel Schuller