City steht still – wie kann das sein? Bremen-Regenten verfügen über keinen Gestaltungswillen

08.07.2022 Aus Von ED-as_Blog-17

Liebe Leserinnen und Leser, geht Ihnen das auch so? In der Bremer Innenstadt geht (fast) nix voran. Selbst Investoren wie Kurt Zech schaffen es offenbar nicht, einen großen Wurf umzusetzen. Nach den Schapiras am Brill kommt nun auch Zech im Herzen der City nicht voran. Die Stadt entzieht ihm die Handlungsvollmacht. Fünf Jahre wurde geplant, verhandelt, umgeplant. Und Bremen ist nicht ein Fitzelchen weiter gekommen. Wie kann das sein?

Hier der Versuch einer Spurensuche. Heute also mal wieder ein „Bremen so gesehen“ der – auch sprachlich – ernsteren Art.

Der Senat will den Vertrag mit Zech über das Parkhauses Mitte einseitig aufheben. Zech sollte es für 14 Millionen Euro kaufen. Der Bremer (inzwischen) Milliardär wollte es abreißen und daraus zusammen mit dem Karstadt- und dem Galeria-Gebäude ein neues Herz für die Innenstadt bauen. Die Karstadt-Immobilie hatte er bereits vor vielen Jahren erworben.

Warum geht der große Plan jetzt nicht auf? Galeria Kaufhof hatte sein Bremer Gebäude zu Zeiten, als das Kaufhaus noch selbstständig war, an die Investmentfirma DIC in Frankfurt verkauft. Und umgehend zurückgemietet. Schön für die Bilanz, hat aber trotzdem nix genutzt. Der Kaufhof überlebte nicht, wurde von dem aktuellen Karstadt-Eigner René Benko aus Österreich gekauft und zur „Galeria Karstadt“ verschmolzen.

Die DIC Asset AG spielt bei der Innenstadt-Entwicklung eine Schlüsselrolle. Wer ist die DIC? Die Frankfurter AG hat aktuell 349 Immobilien im Wert von 13,8 Milliarden Euro in ihrem Bestand. Die Vorstände kümmern sich um eine ordentliche Rendite für die Aktionäre. Die haben nix zu verschenken, müssen Gewinne erwirtschaften. Die Zukunft der Bremer Innenstadt liegt solchen Investoren – sagen wir mal – nicht ganz so am Herzen wie den Einheimischen. Hauptsache, die Immobilie wirft Gewinn ab. Seitdem das Gebäude wieder gut vermietet ist (aktuell an Opti und Saturn), hat sich der Wert vermutlich sogar erhöht. Bei einem Verkauf muss mindestens der Buchwert herausspringen. Andernfalls könnten Aktionäre den DIC-Vorstand im schlimmsten Fall auf Untreue verklagen. 

So. Auf der anderen Seite stand der Bremer Kurt Zech, der zu seiner Heimatstadt hält. Sonst würde er in der Überseestadt nicht mehrere hundert Millionen Euro in seine neue Firmen-Zentrale plus Wohnungen plus Läden investieren. Jedoch: Auch wenn Zech Bremer ist und sich zu seinen Wurzeln bekennt, so ist er aber auch Kaufmann. Und, wie ein anderer Bremer CEO mal über sich selbst sagte: „Ich bin meinem Geld ja nicht böse.“ Soll heißen: Wenn ich Geld ausgebe, will ich dafür einen Gegenwert sehen. Es also nicht aus Jux und Dollerei zum Fenster rauswerfen.

Leider äußert Zech sich bislang nicht zu dem nunmehr  geplatzten Plan, die Bremer City völlig neu zu denken und zu bauen. Nachdem, was ich weiß, konnte er das Galeria-Gebäude nicht kaufen. Die DIC wollte – aus seiner Sicht und Kalkulation – einfach zu viel Geld dafür haben. Während Zech  bereit gewesen sein soll, bis zu 36 Millionen Euro für das Ex-Kaufhaus zu zahlen, wollte die DIC keinen Buchwert-Verlust hinnehmen. Und bestand angeblich auf einem Kaufpreis von über 50 Millionen Euro, eher bis zu 52 Millionen. Also locker satte 14 bis 16 Millionen mehr.

Profis schrecken vor solch einem „Delta“ nicht sofort zurück. So auch Zech nicht. Über alles lässt sich reden. Doch dafür braucht es etwas, was Bremen offenbar nicht zu bieten hat: eine Regierung mit ausgeprägtem Gestaltungswillen.

Hätte sich (beispielsweise) Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD)  – auf keinen Fall die Bausenatorin – intensiv reingehängt, hätte er möglicherweise beide Seiten bewegen können, ein Stück aufeinander zuzugehen. Eine entscheidende Rolle wäre bei einem solchen Dreier-Pakt auf die Stadt zugekommen. 

Beispiel: Bremen hätte Zech einen höheren Kaufpreis „schmackhaft machen“ können, indem das zulässige Bauvolumen seitens der Stadt so erhöht worden wäre, dass der heimische Investor mit dem größeren Baukörper höhere Einnahmen hätte erzielen können. So wäre er im Laufe der Jahre doch noch auf „seine Kosten“ gekommen.

Die DIC hätte man möglicherweise zu einem preislichen Entgegenkommen „verführen“ können, indem man sie an einem Teil der neuen City, möglicherweise über eine Gemeinschaftsfirma („Joint Venture“) beteiligt hätte.

Aber: Die Stadt wollte an den festgelegten Zahlen wie der räumlichen Ausdehnung des Gebäudes auf dem Parkhaus-Gelände (Fläche, Höhe) partout festhalten.

Dieses in der Hansestadt unausgeprägt flexible Denken und Verhalten hatte übrigens bereits die Pläne der Schapira-Brüder für die alte Sparkassen-Immobilie am Brill scheitern lassen. Der Star-Architekt Daniel Libeskind wollte auf dem 11.000 Quadratmeter großen Grundstück mit seinen vier Türmen höher hinaus als der Bauverwaltung und der Bremer Regierungspolitik lieb war. Die Folgen sind bekannt. Stillstand. Auf Dauer tödlich für die Bremer City.

Liebe Leserinnen und Leser, ich weiß: Dies ist ein anstrengender Ausflug in das Dickicht der bislang gescheiterten Erneuerung der Innenstadt. Ich hoffe, dass die Hintergründe jetzt ein wenig klarer sind – bevor Sie Ihr Urteil über diesen oder jenen fällen.

Das nächste Fiasko ist – leider – bereits im Werden. Die Schapiras werden die alte Sparkasse nicht für die Uni herrichten und an Bremen vermieten. Das wäre viel zu teuer. Und: Das Gemäuer ist energetisch einfach zu marode. Das Ding muss abgerissen werden (bei Erhalt einiger Fassadenteile sowie der „Sparkassenhalle“) und einem architektonisch hoffentlich aufregendem Neubau weichen.

Damit rückt der von Andreas Bovenschulte betriebene Plan, 8.000 Studenten m/w/d vom Campus in die City zu verpflanzen in weite Ferne. Noch wird nach einer Ausweiche gesucht. Beispielsweise das Parkhaus-Mitte umzubauen. Werte ich aber eher als hilflosen Gedanken. Als vorerst letzter Rettungsanker für die – aus meiner Sicht – unsinnige Idee der Uni-Teil-Umsiedlung gilt nun das neue Gebäude der Ex-Landesbank am Domshof. Wissen Sie, was diese Immobilie 2016 gekostet hatte? Fröhliche 50 Millionen Euro. Und diese Mördersumme will das höchst-verschuldete Bundesland (namens Bremen) ernsthaft dafür aufwenden, nur um Studies in die Innenstadt zu verpflanzen?

Was soll das? Außer, die City zu beleben.

Wie ich bereits einmal dargelegt habe: Andere Städte beneiden Bremen darum, dass bei uns die Uni auf einem großen Campus angesiedelt ist. Mit allen zentralen Einrichtungen wie Mensa, Uni-Bibliothek, Verwaltung etc.

Die Stadt sollte sich eher darum kümmern, die City nach den Rückschlägen der Schapira- und Zech-Initiativen mit neuen („größeren“) Ideen voran zu bringen – als die Uni aufzusplitten und Doppelstrukturen zu schaffen. Dieser Unfug wird nämlich ebenfalls hohe Zusatzkosten verursachen; für die Bremen in Wahrheit kein Geld hat.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller