Radio Bremen ist unter Mitarbeitern der beliebteste ÖR-Sender – woran könnte es liegen?

24.04.2022 Aus Von ED-as_Blog-17

Liebe Leserinnen und Leser, heute die bereits angekündigte Fortbildung in Sachen öffentlich-rechtlicher Rundfunk am Beispiel von Radio Bremen – dem angeblich besten Arbeitgeber aller Öffentlich-Rechtlichen. Ich verspreche Ihnen: Sie werden sich heute schon das eine oder andere Mal wundern. Dafür müssen Sie dieses Mal aber auch ein bisschen mehr Lese-Ausdauer mitbringen. 

Bremen, oh du armes Bremen. Dauer-rote-Laterne bei Bildungsvergleichen. Unter allen Ländern die wenigsten dualen Studenten, obwohl die Art der Ausbildung d i e Chance für gesellschaftliche Aufsteiger darstellt. (Wenn das Willy Brandt noch erleben würde). Und: Eine Mobilitätssenatorin, die es eher aufgrund eines merkwürdigen Staats-Verständnisses bis in überregionale Medien schaffte. 

Dann endlich, ein Lichtblick. Radio Bremen. Reiben Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich etwa gerade verwundert die Äuglein? Nicht doch! Der Medien-Fachdienst kress pro (Magazin für Führungskräfte in Medien) hat in Zusammenarbeit mit dem Firmen-Bewertungsportal Kununu Radio Bremen zum „besten Arbeitgeber in der Rubrik TV/Hörfunk öffentlich-rechtlich“ gekürt. Der sogenannte Kununu-Score (so wie bei Hotel-Bewertungen) beträgt 4,34 von 5 möglichen Sternen und mündet in der Weiterempfehlungsrate von traumhaften 100 Prozent

Der kleinste ARD-Sender distanziert den Rest der anderen ÖR deutlich, schreibt kress – „bei allerdings 16 Votings“. Boah, das klingt nach einer verwegen schmalen Bewertungsbasis.

Zu den anderen Sendern: Der benachbarte Norddeutsche Rundfunk wird von den eigenen Mitarbeitern bloß zu 42,3 Prozent weiterempfohlen. Das ZDF schafft 61,1 Prozent. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) kommt mit 93,1 Prozent fast an RB heran. Die noch relativ neue Radio-Bremen-Intendantin, Dr. Yvette Gerner (kam 2019 vom ZDF), ist ob des kress-Zeugnisses verständlicherweise stolz

Wie kann es bloß sein, dass Radio Bremen unter Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen – auch wenn jetzt nicht so überragend viele mitgemacht haben – einen derart sagenhaften Ruf genießt? Das wird mehrere Gründe haben. Einer davon ist sicher der sehr soziale Umgang mit dem Personal.

Doch zunächst zur wirtschaftlichen Basis des kleinsten ARD-Senders. Laut Geschäftsbericht 2020 (bislang der letzt veröffentlichte) hat der Sender 43,8 Millionen Euro aus „Beiträgen“ eingenommen. Ketzer wie ich sprechen in diesem Zusammenhang auch unerhörterweise von Zwangs-Beiträgen. Aus dem ARD-Finanzausgleich kamen 50,4 Millionen oben drauf. Aus der Werbung stammen 3,7 Millionen Euro. Für Löhne und Gehälter der 220 Mitarbeiter flossen 17,4 Millionen ab, davon rund 280.000 Euro für die Intendantin. 

Bisschen seltsam ist es ja schon: Der kleinste Sender, zur Hälfte vom ARD-Finanzausgleich abhängig, leistet sich das sechst-höchste Chefinnen-Gehalt der ÖR-Anstalten. Der zweit-kleinste Sender, der Saarländische Rundfunk, entlohnt seinen Intendanten immerhin noch mit 257.000 Euro.

Radio Bremen kann dank einer Art Landesbürgschaft nie pleite gehen. Dafür steht der Gesetzgeber, die Bremische Bürgerschaft, ein. Deren Boss, der Bürgerschaftspräsident, wird  – bloß zur besseren Einordnung – mit 2,5 Diäten entlohnt – macht monatlich 12.886 Euro plus 843 Euro Zuschuss zur Altersvorsorge. Bremens Bürgermeister, in anderen Ländern Ministerpräsident genannt – erhält B 11 plus Bürgermeisterzulage, jährlich rund 176.700 Euro. 

Bleiben wir bei einigen RB-Kennzahlen. Die Sender-Altersversorgung schlug in der Bilanz mit stolzen 16 Millionen Euro zu Buche. Zur Erklärung: Viele Öffentlich-Rechtliche mit „Altverträgen“ kriegen Pensionen in Beamten-/Politiker-Höhe, um die 70 Prozent’). Zum „Materialaufwand“ in Höhe von 55,4 Millionen Euro zählen auch die Honorare für 235 feste freie Mitarbeiter. Ganz unten in der Bilanz tauchte 2020 nach Entnahme aus der Gewinnrücklage ein Verlust von 143.386 Euro auf. 

Diese Zahl sorgt dann in Summe aller ÖR-Anstalten dafür, dass alle paar Jahre um Gebühren-Erhöhungen gerungen wird.

Zurück zum Sozialen. Radio Bremen hat in der Pandemie kein Kurzarbeitergeld beantragt. Die durchschnittlich 235 „freien mitarbeitenden arbeitnehmerähnlichen Personen“, so werden feste Freie genannt, mussten aber nicht darben. Der Sender stockte die Honorare auf 80 Prozent der Vorjahres-Vergütungen auf. Na ja, eigentlich haben wir alle, denen der Rundfunkbeitrag abgezogen wird, dafür bezahlt. Sind Mitarbeiter über 55 Jahre alt und mindestens 15 Jahre ununterbrochen für Radio Bremen tätig, so steigt die Aufstocker-Grenze auf 90 Prozent. Grundsätzlich übernimmt der Sender für die „festen Freien“ – wie Firmen für ihre Angestellten – die Hälfte der Abgaben für Rente und Arbeitslosen– sowie Krankenversicherung. Feste Freie werden pro Beitrag und dessen jeweiliger Länge bezahlt. Also, faule Haut und so, ist nicht.

Unterm Strich: Radio Bremen ist auch dank stetig  abgebuchter Gebühren ein super Arbeitgeber. Das merkt man übrigens auch daran, dass in der jüngeren Vergangenheit eine ganze Reihe von Weser-Kurier-Redaktionskollegen zu RB rüber gemacht hat.

Für Bildungshungrige noch ein paar Kennzahlen (Geschäftsbericht 2020): „buten un binnen“ erreicht um 19.30 Uhr in Bremen durchschnittlich 40,2 Prozent der in Bremen vor der Glotze sitzenden Menschen, in absoluten Zahlen: 87.000. Zum Vergleich: Der Weser-Kurier verfügt über eine verkaufte Auflage von 117.078 Exemplaren (IVW 4. Quartal 2021). Die RB-Hörfunkprogramme sammeln über den ganzen Tag insgesamt 239.000 Hörerinnen und Hörer ein. 3nach9 erreicht jeweils rund 400.000 Seherinnen und Seher in Norddeutschland.

Liebe Leserinnen und Leser, sollte Sie weiterer Wissensdurst über die Penunzen in den öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten quälen, können Sie im Internet ohne Ende nachtanken. Beispielsweise auf https://www.ard.de/die-ard/wie-wir-funktionieren/Gehaelter-und-Verguetungen-102

Diese Übersicht könnte nicht bloß Tageszeitungs-Redakteure, die teilweise schon lange nicht mehr nach Tarif bezahlt werden, ausrufen lassen: Hossa

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfes der Öffentlich-Rechtlichen (KEF) hatte 2019 festgestellt, dass die neun ARD-Anstalten, das ZDF und DeutschlandRadio auf vergleichbaren Anforderungsfeldern deutlich höhere Gehälter als die öffentliche Verwaltung zahlen. 

Merke: Die Beliebtheit mancher  ARD-Sender beim Personal hängt wohl auch mit der finanziellen Ausgestaltung der Verträge zusammen.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr as

Axel Schuller