Wer hat in der Innenstadt etwas vergeigt? Händler sind weder doof noch faul

13.08.2022 Aus Von Axel Schuller

„Ihr habt es komplett vergeigt.… Ihr könnt das einfach nicht.“ Rummmms. Boah ej, das war ein Hammer-Kommentar bei Radio Bremen. Thema: mangelhaftes Programm des Innenstadthandels auf der Straßenbahn-freien Obernstraße. Ich habe mich gefragt: Sind die Innenstadt-Händler tatsächlich so faul und doof, wie der RB-Kollege meint? Die haben doch immerhin kürzlich das  Stadtfest „Hoeg“ auf die Beine gestellt. Und: Warum ist es so, wie es ist? 


Liebe Leserinnen und Leser, ich bin bekanntlich kein Fan der Bremer Innenstadt, speziell der verkehrlichen Erschließung. Und: Ich stehe wahrlich nicht im Ruf, mit Samthandschuhen zu kommentieren (sofern mir dieses schräge Sprachbild gestattet ist). Aber die Tatsache, dass der Zusammenschluss der Innenstadt-Händler (City Initiative) erst mit dreiwöchiger Verzögerung die mittlerweile Straßenbahn-freie Obernstraße beleben, muss Gründe haben.


Also habe ich mich auf die Suche gemacht. Drei Wochen lang durfte auf der endlich reinen Fußgänger-Obernstraße nichts, aber auch gar nichts aufgebaut werden, weil die BSAG ultimativ darauf gedrungen hatte, die Straße bis 4. August nicht anzurühren. Also, bloß nix auf den Gleisen aufzubauen, oder dort zu veranstalten. Bis 4. August sollte die Strecke unbedingt als Ausweichstrecke in die Neustadt erhalten bleiben. Erst ab 4.8. galt: „Bahn frei“. Von diesem Tag an wurde die Weiche am Brill Richtung Neustadt erneuert.


Dass als erstes Oldtimer vor Karstadt bewundert werden konnten, hat vermutlich nur den RB-Kollegen gestört. Die Passanten konnten den alten Ami-Schlitten durchaus etwas abgewinnen. Sonst hätten nicht so viele Menschen drum herumgestanden. Egal.

Generell muss man sich übrigens entscheiden: Will man die Straße als Dauer-Event-Fläche nutzen („Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld…“). Oder baut man die Straße um – sobald die Bahn auf Dauer weg wäre. Beispielsweise (im besten Fall) mit Dach drüber, großen automatischen Türen zu beiden Seiten, in der Mitte Buden wie auf dem Wiener Naschmarkt o.ä.


Der Vorschlag des Kommentators ging in Richtung Event. Seine Idee, auf dem Hanseatenhof könnte man doch wenigstens Beachvolleyball oder andere Sandspiele veranstalten, lässt leider eine Winzigkeit außer Acht. Dieser Bereich verträgt keine Lasten, die durch große – und womöglich durch Regen getränkte – schwere Sandmassen entstehen. Ach ja, und Geld kostet das massenhafte Rankarren von Sand auch.

Zur Obernstraße: Auch wenn dort keine Bimmelbahn durchfährt – die Oberleitungen bleiben trotzdem vorhanden. Deren Höhe lassen keine Ball-Spiele, keine große Wasserrutsche, keine Hüpfburg-Attraktion zu. Eigentlich nix, was über ein paar Meter hinausgeht.


Liebe Leserinnen und Leser, ich will jetzt nicht jeden Punkt des RB-Kommentars aufzählen. Nur soviel. Bereits im Vorfeld der BSAG-Baustelle in diesem August war klar, dass Gastronomen auf der Obernstraße nichts Zusätzliches auf die Beine stellen würden können. Obwohl sie es gerne wollten. Der Grund: Sie haben schon für ihren regelurären Betrieb nicht genug Personal. Oder meinen Sie, ein Kneipier öffnet seinen Betrieb im Sommer grundlos nur an einigen Tagen in der Woche? Die finden aktuell einfach kein Personal, um den Betrieb wieder auf vor-Corona-Niveau hochzufahren. Gilt übrigens auch für viele Einzelhändler. 

Für aufwändige Fress-Stände in der Obernstraße ist meist Starkstrom notwendig. Doch, wer verlegt den aktuell? Auch diesen Fachbetrieben fehlen Personal und Material.


Bald noch verrückter: Selbst Amateurbands, die gerne auch mal für ein kleines Geld auftreten, haben dem Vernehmen nach abgewunken. Die Macher des Festival Maritim konnten jüngst ein Lied davon singen, wie schwer es ist, technisches Personal (Bühnenbau, Betreuung der Bühnen etc.) zu finden. Der Markt ist offenbar nahezu lehrgefegt. Irgendwie haben sie es in Vegesack hingekriegt, die Veranstaltung durchzuziehen. Gratulation.


Liebe Leserinnen und Leser, Händler, die keinen Umsatz  machen wollen, die eine Straßenbahn-freie Obernstraße mutwillig „unbespielt“ lassen, gibt es nicht. Insofern, denke ich, hat mein Kollege von RB zwar einen saftigen Kommentar gesprochen – aber leider brutal daneben gelegen.


Ach ja, das I-Tüpfelchen zu dieser Nummer lieferte Heiko Strohmann. Der Mann ist immerhin Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Er meinte, der RB-Kommentator habe ins Schwarze getroffen.


Dazu noch ein Gedanke von mir: Unrealistische, unbezahlbare Träumereien lediglich für eine nicht mal vierwöchige Interims-Nutzung der Obernstraße gedeihen offenbar besonders gut bei Leuten, die ganz passabel von Zwangsbeiträgen und Steuergeldern leben – sich also um Einnahmen keine Gedanken machen müssen. Die Kohle kommt automatisch, so wie Milch und Honig im Schlaraffenland stets vorhanden sind. 


Munter bleiben!

Herzlichst Ihr

Axel Schuller