Quizfrage: Weshalb sollen wir die Arbeit der Finanzämter machen?

30.08.2022 Aus Von Axel Schuller

Finanzamt

Yeah, geschafft! Endlich das Formular für die neue Grundsteuer ausgefüllt. Und ab dafür! Liebe Leserinnen und Leser, Achtung: Heute bin ich mal wieder ein alter, weißer Mann, der noch gelernt hat, wie man flucht – ohne wie inzwischen in nahezu jedem Film üblich monoton „fuck, fuck“ vor sich her zu brabbeln. Kurzum: Die Finanzbehörde hat an sich alle Daten für die Neuberechnung der Grundsteuer vorliegen, lässt dennoch uns Bürger die notwendigen Fakten mühsam zusammenklauben und ins Formular übertragen. Dazu fällt mir bloß eins ein: Was für eine Unverschämtheit.

Wir Deutschen sind noch immer/vielleicht auch: wieder ein obrigkeitshöriges Volk. Da schickt das Finanzamt im Juli die Aufforderung, bis 31. Oktober alle Daten für die Neuberechnung der Grundsteuer zu liefern. Zugleich wird mitgeteilt, dass dies digital zu geschehen hat. Via „Elster“ – dem Portal für die Steuererklärung. Geht “nun Ausnahmefällen” auch auf Papier, aber dies mache der Behörde zu viel Arbeit. Klar, uns Steuerpflichtigen macht es weniger Arbeit, oder wie?

Aber, wie gesagt, obrigkeitshörig. Ab an den Rechner, elster.de aufgerufen. Als erstes soll man sich einen „Zugang“ besorgen. Dafür braucht man die PIN des Personalausweises. Nach längerem Kramen – uff – gefunden. Seite wieder aufgerufen. PIN eingegeben. „Sie müssen jetzt Ihren Rechner mit einem Kartenlesegerät verbinden.“ Mal auf Neudeutsch: What the fuck wat für nen Kartenlesegerät? Die spinnen ja wohl.

Rechner, zack, wieder abgemeldet. Fahrrad aus dem Keller. Hin zum Finanzamt (in Bremen in der Schillerstraße, neben dem „Haus des Reichs“ – ! ). Dort vage Erinnerungen an die Dritte Welt. Vor dem Finanzamt, neben dem Eingang, ein Regal mit mehreren Fächern. Innenliegend Papiere, bremisch: Zeddel. Alle fein mit Holzklötzen gegen den norddeutschen Wind gesichert. Behelfsmäßig, aber zugegeben: praktisch. Und die massiven Holzklötze sorgen bei Nicht-Mehr-Bedarf für ein schickes Feuer im Kamin.

Also: Formulare (2) plus Anleitungen (2) eingesammelt, und ab nach Hause.

Jetzt sehe ich endlich die Fragen vor mir, schwarz auf weiß – und kann mich jetzt so richtig begründet aufregen. Die beste aller Ehefrauen wird ein wenig unruhig, macht sich offensichtlich ein paar Anfangs-Sorgen – aber sie kennt meinen heraufziehenden Groll über (offensichtlich bürger-unfreundliche) Behörden seit – sagen wir mal – ausreichend vielen Jahren.

Wenn’s nicht so hammermäßig ärgerlich wär, könnt man eine Humoreske über das Thema schreiben. Nein, nicht über meine HB-Männchen-Anwandlungen, sondern über die – ganz ehrlich – Unverfrorenheit unserer Bürokratie.

Jedes Bürgerlein (gendergerecht) darf, nein muss alles Mögliche (da lernt man “Boris” für den „Bodenrichtwert“ schätzen) zusammensuchen (eher zusammenklauben), und fein säuberlich in die Fragebögen übertragen. 

Der/die/das Finanzamtsmenschlein muss den ganzen Mist ja lesen können, um ihn ins elektronische System zu übertragen. Da wir nicht nur obrigkeitshörig, sondern auch mitfühlend sind, schreiben wir also ordentlich.

Liebe Leserinnen und Leser, ich will Ihnen die Spannung, die Vorfreude und den Spaß am neuen Formular nicht verderben. Deshalb schweige ich jetzt zu den weiteren Details. 

Aber noch einen Joke am Rande: Fehlt in Ihren Unterlagen die Ziffer des „Grundbuchblatts“, können Sie die im Grundbuchamt anfordern. Aber, keine Bange, nicht online, sondern per schriftlichem Antrag. Da hab ich endgültig gedacht: Die spinnen! Wir vermeintlich Untergebenen des Staates sollen uns online abmühen, aber unsere Staatsdiener bestehen im angeblich digitalen Zeitalter auf einem Papier-Antrag. Das ist so abstrus, das kann man sich nicht ausdenken.

Fazit, mit leicht geschwellter Halsschlagader: Das Finanzamt weiß alles über jede Immobilie: Adresse, Eigentümer, Flurstück, Grundstücksgröße, Bodenrichtwert, Eigentums-Verteilung und und und. 

Bloß: Warum nimmt dieses wunderbare (übrigens von uns Steuerzahlern monatlich nicht schlecht alimentierte) Finanzamt  diese Daten nicht, stellt sie in einer Mail zusammen (hilfsweise für Menschen ohne Internet-Zugang, auf einem Briefbogen) – und schickt diese Unterlage den Steuerpflichtigen? Die gucken drauf, teilen per Häkchen/Unterschrift mit, dass alles stimmt (oder auch nicht) – und fertig ist die Laube.

Was ist das für eine unverschämte Behördendenke? Dass wir mit unserer Arbeitskraft“ für das Amt da zu sein haben – und nicht umgekehrt? 

Allein in Bremen müssen aktuell 240.000 Fragebögen plus jeweils einer Anlage – also 480.000 Formulare – für 240.000 Immobilien ausgefüllt werden. In Deutschland gibt es 36 Millionen Immobilien. 

ACHTUNG, jetzt wird’s ganz speziell: Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die Grundsteuer müsse neu festgelegt werden, haben sich die 16 Bundesländer nicht etwa auf ein einheitliches Berechnung-Modell geeinigt. Nein, so simpel ist der Föderalismus nicht! In Deutschland existieren nunmehr SIEBEN unterschiedliche Berechnungsarten. Und klar: Die von Bremen und Niedersachsen – Sie ahnen es – unterscheiden sich. Was sonst? Willkommene im Land der Bescheuerten und Bekloppten.   

Stopp!

In Filmsprache: Cool down, Baby.

Oder auch: Munter bleiben!

Herzlichst Ihr laaaangsam wieder tiefen-entspannter

Axel Schuller

P.S.: Bitte verzeihen Sie, liebe Leserinnen und Leser, meinen heutigen leichten Sprach-Ausbruch. Soll nicht wieder vorkommen – liegt aber auch an unseren Bürokraten und deren sonderbaren Einfällen

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