Öffentlich-Rechtliche mit RB: Sumpf im Naturschutzgebiet

12.09.2022 Aus Von Axel Schuller

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk: Er gleicht zuweilen einem Sumpf in einem Naturschutzpark. Der ÖRR ist seit den „Schlesinger-Festspielen“ derart in Verruf geraten, dass sich die ARD-Intendanten m/w vermutlich auch während ihrer aktuellen Tagung in Bremen Gedanken über den Fortbestand der ÖRR machen (müssen).

Die Beispiele, was sich leitende Mitarbeiter m/w in den 11 Rundfunkanstalten (ARD, ZDF und Deutschlandradio) so alles leisten, passt auf keine Kuhhaut. Nach dem Bekanntwerden der Extravaganzen der Ex-Intendantin des RBB (Berlin und Brandenburg) Patricia Schlesinger sind viele andere ÖRR-Intendanten m/w regelrecht in Panik geraten. Zu recht, wie wir inzwischen wissen. Da wurden plötzlich bekannt: Auch andere Intendanten lassen sich in Kanzler-Karossen à la Audi A 8 (inkl. Massagesitzen) durchs Sendegebiet kutschieren. Die Intendantengehälter stehen in keinem gesunden Verhältnis zu Minister- und teilweise Kanzler-Salär.

Daneben inhaltlich grausam: Schonwaschgang-Journalismus gegenüber der CDU in Schleswig-Holstein / Familiäre Begünstigungen beim NDR in Hamburg mit Auswirkungen aufs Programm / Ungeheuerliche Bedingungen für eine Vertragsauflösung beim Bayrischen Rundfunk / Entlohnung von leitenden RBB-Mitarbeitern trotz Null-Tätigkeit / Mangelhafte Arbeit von Rundfunk- und Verwaltungsräten in mehreren ARD-Anstalten / Zweifelhafte Berichts- und Kommentar-Methoden bei Radio Bremen.

So schlimm es ist: Diese Reihe ließe sich fortsetzen. Das öffentliche Bild vom ÖRR war so verheerend, dass die Intendantenrunde Patricia Schlesinger bereits am 20. August 2022 öffentlich das Vertrauen entzogen hatte. Vermutlich nicht aus tiefer Überzeugung, sondern nach dem Motto: Rette sich, wer kann. Mal sehen, ob diese Ablenkungs-Manöver fortgesetzt werden, wenn die Intendantenrunde diese Woche (vom heutigen Montag bis Mittwoch) in Bremen bei Radio Bremen tagt.

Es gibt inzwischen 73 öffentlich-rechtliche Hörfunkprogramme in Deutschland und 21 öffentlich-rechtliche TV-Programme. Ich bin zutiefst überzeugt: Würden Unabhängige von außen diese Programme und Sender systematisch durchleuchten – uns würden die Augen übergehen.

Der Auftrag müsste lauten: Wie würden wir heute einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gründen? (Im Gegensatz zum Nachkriegs-Deutschland) Welchen Auftrag hätte er? Was wäre notwendig? Welche Extras (nice to have) könnte man sich leisten – bei gleichzeitiger Absenkung der Rundfunkgebühr von jetzt 18,36 Euro auf, sagen wir mal: monatlich 5 bis maximal 7,50 Euro.

Der aktuelle Betrag führt immerhin zu einer Jahreseinnahme der ÖRR von 8,4 Milliarden Euro! Zum Vergleich: In Frankreich müssen die Beitragszahler monatlich 11,50 Euro berappen. Demnächst sogar nur noch vermeintlich NULL. Der Staat will die Finanzierung aus Steuermitteln übernehmen. Allerdings: Da ist brutale Einflussnahme der Politik auf die Sender zu befürchten…

Die deutschen Öffentlich-Rechtlichen leisten sich eine Firmenstruktur, die es andernorts nicht mehr gibt. Alle Intendanten sind per Satzung letztenendes absolutistische Herrscher. Selbst Radio Bremen, bei dem Bürgerschaft und Senat 1979 die Direktorialverfassung einführten – die Direktoren und der Intendant waren ausdrücklich gleichberechtigt – gilt seit 1999 wieder die Intendantenverfassung. Grund: Bremens Politiker waren unzufrieden, dass der Sender teilweise wie ein steuerloses Schiff im Sturm herumgeschlingert war. Im Direktorium wurde Verantwortung seinerzeit hin- und hergeschoben.

Liebe Leserinnen und Leser, ich könnte Ihnen manche Döntjes von und über Radio Bremen erzählen. Vielleicht später mal. Zunächst aber zur Gegenwart.

Der ÖRR kommt nach meiner Einschätzung nicht an einer völlig neuen Struktur vorbei. Der Apparat ist viel zu groß, zu teuer, zu ineffektiv. Allein die Tatsache, dass fast  jeder Sender eigene Korrespondenten zu einem Bundesparteitag schickt – abenteuerlich. Und: Jeder Sender von Nord bis Süd hat selbst gestrickte Richtlinien für die Anstaltsführung.

Leider spielt das Bundesverfassungsgericht im Fall des Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunks eine unrühmliche Rolle. Die obersten Verfassungshüter haben den ÖRR in mehreren Urteilen praktisch zum Naturschutzgebiet erklärt. Die Anstalten seien unabdingbar für die Demokratie, sie erfüllten wichtige Dienste für die wahre, korrekte Berichterstattung. Folglich müssten sie auch stets das notwendige Gebührengeld kriegen.

Würden sich die Richter auch nur einmal genauer mit der Korrektheit öffentlich-rechtlicher Sendungen (Berichte, Kommentare) auseinandersetzen, sie kämen vermutlich zu einem anderen Bild.

Nehmen wir – schließlich erscheint dieser Blog in der Hansestadt – Radio Bremen.

Drei aktuelle Beispiele:

Die Wohnungsgesellschaft Brebau wurde auf unlautere Art regelrecht ans öffentliche Empörungskreuz genagelt.

Ein saftiger RB-Kommentar zum angeblichen Versagen der Innenstadt-Kaufleute beim „Bespielen“ der zeitweise straßenbahnlosen Obernstraße basierte – nicht auf Fakten.

Jüngst verbreitete „buten un binnen“ Panik mit einem „Bericht“, wonach die Feuerwehr personell so schlecht ausgestattet sei, dass Taucher „in den meisten“ Fällen nicht – wie vorgeschrieben – zu viert im Einsatz seien. Das „meisten Fälle“ entpuppte sich bei meiner Nachfrage als „rund 10 Prozent“. Außerdem wurde kühn behauptet, die Feuerwehr leide unter politisch gewollten Personalabbau. Real wurden seit 2008 über 40 Prozent neue Stellen geschaffen.

Nehmen wir diese drei Machwerke. Waren die für die Demokratie – so der höchstrichterliche Anspruch – wirklich wichtig? Nee!

Über Sumpf-Zustände wie in anderen Anstalten ist aktuell bei RB – bislang – nichts bekannt. Aber: Radio Bremen ist ein Anachronismus. Weshalb ein eigener, aufgeblähter Landessender mit allem Drum und dran, statt Teil des NDR?

Die ARD-Runde wird während ihrer Bremer Tagung (bis Mittwoch) über Gegenwart und Zukunft brüten. Ich bin überzeugt, dass sie keine grundsätzliche Reform des Konstruktes ÖRR angehen werden. Dafür sind mit dem aktuellen System zu viele gute und beste Jobs verbunden. Und, beinahe  noch schlimmer, Landespolitiker haben in Zeiten des Föderalismus kein Interesse, auf „ihre“ Sender zu verzichten. Das Wohl und Wehe der Steuer-, in diesem Fall, Gebührenzahler spielt da keine Rolle.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller