Schlecht verwaltet und regiert, Teil 8: Wirtschaft, Kristina Vogt

03.11.2022 Aus Von Axel Schuller

Die vermeintliche Stärke der amtierenden Linken Wirtschaftssenatorin ist möglicherweise die (im Nachhinein betrachtet) Schwäche des Vorgängers im Amt – gepaart mit dem Fremdeln des Vor-Bürgermeisters mit Vertretern der Wirtschaft. Ist Ihnen zu kompliziert? Ich will’s gern erklären.

Senatsressort Wirtschaft, Arbeit und Europa: Kristina Vogt (57, Linke).

Der Linken Wirtschaftssenatorin läuft ein nahezu sagenhafter Ruf voraus. In den Kammern und mehreren Unternehmern heißt es häufig: „Hätten wir nie gedacht, aber die macht das ganz ordentlich.“

W i e  b i t t e ? Inhaltlich, oder kann sich die Frau einfach gut selbst „verkaufen“? Schauen wir mal, was sie in ihren drei Amtsjahren bislang auf die Kette gekriegt hat.

Ihr Hauptthema „Gewerbe-Entwicklungsplan 2030“ – gibt’s bislang nicht. Immerhin am Werden. Erweiterung des Gewerbegebietes Hansalinie – auf den Kurs der Grüneneingeschwenkt. Bedeutet: Sie hat nach Aufstellung des Bebauungsplanes wesentliche Änderungen (weniger Fläche) hingenommen, um eine angedrohte Klage des BUND zu vermeiden. Bin mal gespannt, ob dieses „mehr-geteilte“ Verfahren bei künftigen Bebauungs-Plänen ebenfalls angewendet wird und vor allem: Was womöglich Gerichte dazu sagenwerden.

Minuspunkt (aus meiner Sicht): Ihr Kampf für die Einführung der bundesweit ersten Ausbildungsabgabe für Bremer Betriebe – obgleich deutlich mehr Lehrstellen zur Verfügung stehen als ausbildungswillige Jugendliche. Hauptsache, Bremen ist Vorreiter. Oder wie?

Vogts Ansehen in der Wirtschaft hat mit deren erster Erwartungshaltung an die Senatorin und indirekt mit drei anderen Politikern zu tun:

Zunächst: Bremens Wirtschaft sah bereits den eigenen Untergang am Horizont heraufziehen, als 2019 nach der Wahl bekannt wurde: Eine „Nachfahrin“ vom ollen Charly Marx und Rosa Luxemburg übernimmt das Ressort-Zepter. O Gott o Gott… Doch Vogt ist aus anderem Holz geschnitzt als manche verbiesterte Linke-Ideologen. Die Frau trägt das joviale Gen einer (Ex-)Kneipen-Wirtin in sich. Das merkt man auch heute noch gelegentlich – nach insgesamt 14 Jahren politischer Arbeit.

Zurück zu den bereits genannten, indirekten Einflüssen von drei Politikern. Nummer 1: Ihr Vorgänger als Wirtschaftssenator – Martin Günthner, SPD – hatte 2010 zwar als junger Mann (damals 34) mit Verve angefangen. Doch zum Ende (2019) agierte er mit erkennbar zu wenig Lust. Wirtschaftsleute sind da sehr sensibel.

Politiker Nummer 2: Dr. Carsten Sieling, bis 2019 Bürgermeister. Der Mann konnte mit den Wirtschaftsleuten nix anfangen. Er fremdelte mit Vertretern dieses Berufsstandes regelrecht. Möglicherweise stand ihm ja auch seine Herkunft (vor Bundestag und Bürgerschaft) im Weg. Er war vor dem Sprung in die hauptberufliche Politik Mitarbeiter der Arbeitnehmerkammer. Ist er jetzt übrigens erneut.

Politiker Nummer 3: Dr. Andreas Bovenschulte, SPD, Bürgermeister-Nachfolger von Sieling. Bovenschulte weiß sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger deutlich entspannter zu geben. Er schnackt mit jedem und allem. Auch mit den Leuten der Wirtschaft. Obgleich sich da nicht jeder vom ihm verstanden fühlt.

Jetzt kommt Vogt ins Spiel. Mit dem aktuellen Bürgermeister im Rücken/an der Seite hat sie mit Wirtschaftsvertretern ein relativ leichtes Spiel. Sie vermittelt das Gefühl: Ich bin für euch da (das „Du“ fällt auch sehr schnell). Ihr könnt mich zu (fast) jeder Tages- und Nachzeit an-simsen, anrufen, ansprechen.

Wie gesagt, Bremer Wirtschaftsvertreter waren von früheren Regierungspolitikern nicht unbedingt verwöhnt, so dass sie sich jetzt über diesen Fortschritt regelrecht freuen.

Vogt hat keine Scheu, mit den – aus Sicht ihrer Partei – „üblen“ Kapitalisten sogar auf Delegationsreisen zu gehen (Holland, Vietnam). Die Zusammenkünfte abends in der Hotelbarsind sehr beliebt.

Wer näher mit der Senatorin zu tun hat, preist sie als „meinungsstark“. Sie kann sich schnell in neue Themen einlesen, Fakten abspeichern. Handwerker, wie Bäcker, fühlen sich aktuell bei ihr in guten Händen, kämpft sie doch mit Bovenschulte vehement für Energie-Hilfen. Wer hätte das zu Beginn ihrer Amtszeit gedacht?

Bald noch überraschender: Im Senat ist Vogt bei Wirtschaftsthemen für Andreas Bovenschulte eine verlässliche Partnerin. Die beiden haben die Not kleiner und mittelständischer Betriebe durch die Energiekrise gemeinsam im Blick.

Ein regelrechtes Faible hat Vogt mittlerweile für die Raumfahrt entwickelt. Bis hin zur (mit den Grünen konfliktträchtigen) Idee eines schwimmenden Raumfahrt-Bahnhofs in der Nordsee.

Konfliktscheu ist sie keinesfalls. Dies haben nicht nur die Grünen, sondern auch Innensenator Ulrich Mäurer erfahren. Wobei man sagen muss: Mäurer, der alte Verwaltungsfuchs, hat beim Stilllegungsbeschluss für den Puff in der Neustadt die Oberhand behalten.

Innerparteilich hat es Vogt geschafft, ihren zum Teil völlig anders tickenden Linken zu verklaren, dass sie (zusammen mit Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard) für die Partei unverzichtbar ist, um bei der nächsten Wahl nicht dahinzusiechen. Folglich stehen die beiden Senatorinnen bei der nächsten Bürgerschaftswahl auf den beiden ersten Listenplätzen.

Wow, das musst du erst mal hinkriegen, in einer Partei, die – aus meiner Sicht – auf Feldern wie Inneres und Flüchtlingspolitik schon jenseits von Gut und Böse ist.

So bleibt Kristina Vogt zu wünschen, dass sie die Linken auf Dauer doch noch vom verbiesterten Kampf für Gender-Sternchen und queere Anliegen abbringt, wieder hin zu für die Allgemeinheit wichtigen Themen wie z.B. Innere Sicherheit führt – und selbst nicht über eigene Schwächen zu Fall kommt.

Wobei ich es – ganz offen formuliert – für keinen Verlust hielte, wenn die Linken zwecks innerer Einkehr im nächsten Landtag keine Rolle mehr spielte. Senatorinnen sind wichtige Menschen, ja, aber Parteien sind für deren Wahl nunmal unabdingbar.

Bleiben Sie mir (trotz alledem) weiter gewogen – und munter!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

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