Doppelzüngigkeit reicht leider von Doha über Berlin bis Bremen

08.11.2022 Aus Von Axel Schuller

Heute, liebe Leserinnen und Leser, muss ich Sie vorwarnen: Ich verlasse kurzfristig Bremen Richtung Katar; verspreche aber, den Bremen-Bezug dabei nicht aus dem Blick zu verlieren. Thema ist die um sich greifende Doppelmoral angesichts der bevorstehenden Fußball-WM in Katar.

Dem katarischen Außenminister ist jüngst der Kragen geplatzt. Der Mann hat der Bundesrepublik Doppelzüngigkeit vorgeworfen.

Einerseits hat Katar unserem Land geholfen, Menschen nach der Machtübernahme der Taliban aus Afghanistan herauszuholen. Erinnern Sie sich auch noch an die Flugzeuge mit der fetten Aufschrift „Qatar“?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) besuchte kurze Zeit nach dem russischen Gas-Stopp den Emir von Katar, um dort um verflüssigtes Erdgas zu bitten. Von diesem Besuch wird dauerhaft vermutlich Habecks tiefer Diener vor dem Regenten in Erinnerung bleiben.

Und jetzt? Zwei Wochen vor der Fußball-WM nimmt die deutsche Kritik an den Bedingungen zu, unter denen die Bauarbeiter den ganzen Kram in die Landschaft gestellt haben. Unter unfassbaren Bedingungen; angeblich kamen mehrere tausend Arbeiter zu Tode. Nun schiebt sich das schlechte  deutsche Gewissen in den Vordergrund. Darin sind wir so etwas wie heimliche Weltmeister. Aber hinfahren will die DFB-Mannschaft natürlich trotzdem.

Kürzlich machte sich sogar Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf den Weg, um die Lage in Katar zu erkunden. Und sie kehrte mit dem Versprechen der Katarer zurück, dass schwule und lesbische Fußballfans nix zu befürchten hätten. Und damit man sich neben den Heteros in den Stadien wohlfühlen könne, habe sie – Fieser – erreicht, dass alle LGTB+ Menschen sorglos zuschauen könnten, keiner dieser Gruppe werde verfolgt.

Die Arbeits-Bedingungen der Bauarbeiter konnte sie naturgemäß leider nicht mehr umfassend „begutachten“. Nachdem die Katarer gelobt hatten, Homosexuelle nicht (mehr?/oder während der WM?) zu „bestrafen“, stand für unsere Ministerin fest, ein Boykott sei nicht erforderlich. Glück gehabt – alle Dienstreisende. Da wusste Faeser noch nicht, dass hochrangige katarische Repräsentanten Homosexualität weiterhin als Sünde ansehen und auch so bezeichnen.

Katars Außenminister hat ungeachtet dessen recht, dass er uns Deutschen Doppelzüngigkeit vorwirft. Wo wir die Katarer für unsere Zwecke (Flüchtlingshilfe, Energie) einspannen können, sind wir schnell dabei.

Und wenn es um Kritik an dem Land geht, kann man uns ebenfalls ganz vorne finden.

Der Fehler liegt in der Vergangenheit. Die FIFA hätte die WM nicht in das Land vergeben dürfen. Die Situation der Menschenrechte war bekannt. Der Umgang mit Homosexuellen („Sünde“) ebenfalls. Die „Freizügigkeit“ des Systems gegenüber „Freunden“ offenbar auch. Das Wort Korruption ist in diesem Zusammenhang inzwischen so häufig gefallen, dass die FIFA erwägt, nicht mehr das Exekutivkomitee, sondern die Generalversammlung künftig über Austragungsländer kommender Weltmeisterschaften entscheiden zu lassen. Nota: 211 Entscheider zu „überzeugen“ dürfte etwas schwerer fallen als lediglich 25 des Exekutiv-Komitees. Hoffentlich.

So, sie liebe Leserinnen und Leser, warten vermutlich verzweifelt auf den Bremen-Bezug dieses Blog-Stücks. Vereins-Meier, Sportjournalisten und andere Fans liegen dem armen Bundestrainer seit Wochen in den Ohren, er müsse doch auf jeden Fall den Werderaner Niclas Füllkrug mit nach Doha nehmen.

Ja, was denn nun? Böse, schlechte WM, weil die FIFA die Meisterschaft unter – freundlich formuliert – merkwürdigen Bedingungen nach Katar vergeben hat? Oder doch irgendwie paletti, weil vielleicht „unser Fülle“ mitspielen darf. Nennt sich: Bremer Dilemma.

Das wahre Gemüt der deutschen Fußball-Fans werden übrigens am Ende die Einschaltquoten von ARD und ZDF offenbaren. Die Öffentlich-Rechtlichen haben rund 214 Millionen Euro Gebührengelder auf den Tresen gepackt, um Spiele übertragen zu dürfen.

Das nächste Stück im Blog, liebe Leserinnen und Leser, dreht sich wieder ausschließlich um Bremen. Versprochen.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

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