Schreibt Grüner Veganer Bremer Landwirte an den Rand des Ruins?

11.11.2022 Aus Von Axel Schuller

Kennen Sie Philipp Bruck? Nein? Das ist ein Fehler. Der Grüne Abgeordnete könnte dafür sorgen, bremische Bio-Landwirte in den Ruin zu treiben. Wenn man ihn denn lässt. Bruck ist der Autor des Grünen Positionspapiers zum Thema „Vegane Ernährung“. Na ja, lass’ den doch „rumspi….“. Wird schon nix draus. Vorsicht: Die Grüne Bürgerschaftsfraktion hat sein sogenanntes Konzept mit großer Mehrheit beschlossen. Nur wenige, drunter Umweltsenatorin Dr. Maike Schaefer, hat – wie ich höre – Bedenken dagegen erhoben.

Auch, wenn Sie sich jetzt die Augen reiben sollten: Ja, Maike Schaefer hat sich auf die Seite der Landwirte gestellt. Man könne Änderungen nur mit ihnen, nicht aber gegen sie durchsetzen. Und wenn das so ist, dann schreib ich das auch. Basta!

Philipp Bruck – in der Grünen Bürgerschaftsfraktion Sprecher für Tierpolitik, Klimapolitik und Energiepolitik – hat sich in seinem Positionspapier darüber ausgelassen, welchen Anteil unsere diversen Ess-Tiere am CO2- und Metan-Ausstoß haben. Außerdem stopfe man mit jedem Stück Fleisch Hormone, Antibiotika und so nen Kram in sich rein. Bruck (von Haus aus technischer Ing.) gilt in seiner Fraktion auf dem Gebiet Landwirtschaft/Tiere als fit. Seine Kernkompetenz: Er lebt seit vielen Jahren als Veganer.

Jedoch: Veganer zu sein, bedeutet halt nicht unbedingt, dass dies gleichzeitig mit dem vollen Durchblick gepaart wäre. Brucks Papier enthält markige Forderungen, wie: Die Vieh-Wirtschaft muss unterm Strich um 75 Prozent reduziert werden. Bremer sollen deutlich weniger Milch trinken. Nur so könne die Hansestadt (natürlich im Verbund mit vielen anderen Maßnahmen) seine Klima-Ziele erreichen. Sie ahnen ja gar nicht, viel CO2 und Metan Rindviecher beim Wiederkäuen und beim Pupsen entweichen lassen.

Brucks reine Vegan-Lehre enthält – aus meiner Sicht – freilich Denkfehler, beziehungsweise an einigen Stellen auch – zu wenig Denken. Sorry. Ich werd’s Ihnen, geneigte Leser m/w/d, gerne erklären.

Zunächst einige Fakten: Im Zwei-Städte-Staat gibt’s 155 landwirtschaftliche Betriebe, die 8.454 Hektar Fläche nutzen. Dies entspricht etwa 20 Prozent der bremischen Landesfläche. Rund 80 Prozent der „landwirtschaftlichen“ Fläche werden als Grünland genutzt. Dazu am Ende noch mehr.

Noch eine erschreckende Zahl aus dem Bundesgebiet: 60 Prozent aller deutschen Bauern rechnen in den kommenden zehn Jahren aus Altersgründen mit der Aufgabe ihrer Betriebe. Viele der „Nachfahren“ drängen in andere Berufe, die mit mehr Geld, Freizeit und Lebensqualität locken. Außerdem wollen viele der Jungen dem öffentlichen Mobbing entgehen – wie Landwirte den öffentlichen Umgang mit ihnen zuweilen empfinden.

 

So, und nun zu dem Grünen Philipp Bruck. Ginge es nach ihm, sollen auch die Bremer Landwirte ihren Viehbestand um mindestens 75 Prozentreduzieren. Die Bauern m/w/d sollen sich lieber intensiv der gesunden Volks-Ernährung widmen. Aber: Geht ein derart drastisches Umsteuern der landwirtschaftlichen „Produktion“ überhaupt – speziell in Bremen?

Vorab: Ich habe als Journalist = Generalist natürlich null Ahnung von Ackerbau und Viehzucht. Aber, man hat ja einen Kopf zum Denken, einen Mund zum Fragen und technische Hilfsmittel. Also habe ich unter anderem mit Bauern gesprochen, die beispielsweise Vieh halten. Und mit Bio-Bauern, welche den von den Grünen so gepriesenen Ackerbau mit Getreide, Kartoffeln, Kohl, allerlei Gemüsesorten sowie Grünzeug wie Salat, Kräuter und Nüsse betreiben. Das bei Veganern beliebte Soja wird bislang bloß in Bayern und Baden-Württemberg sowie weit weg angebaut.

Die Fleisch- und Milchbauern sind aktuell – nachvollziehbar – hochgradig vergrätzt, weil sie ihrer Existenzgrundlage entzogen würden – würde die Bremer Landesregierung tatsächlich ein Nahezu-Ende von essbaren Vierbeinern durchsetzen.

Aber auch Bio-Bauern fürchten den Ruin. Wie das? Deren Höfe müssten doch goldenen Zeiten entgegensehen, wenn wir uns mehr pflanzlich als fleischlich ernähren sollten.

Liebe Leserinnen und Leser, Sie merken: Jetzt wird’s richtig spannend.

Bio-Bauern, die sich dem – ich nenn’s mal – Reinheits-Gebot der Bio-Landwirtschaft unterwerfen, brauchen tierische Exkremente. Also Mist, Gülle und Co. Bio-Bauern dürfen nur mit natürlichen Stoffen, nicht aber mit Kunstdünger arbeiten. Die reine Bio-Lehre setzt auf die „Kreislaufwirtschaft“: Vieh frisst beispielsweise Gras, zersetzt dies beim Wiederkäuen in Nahrung und wertvolle Ausscheidungen. Diese wiederum kommen als Naturdünger in die Erde zurück.

An dieser Stelle setzt möglicherweise Brucks Denklücke ein. Einerseits wollen er sowie seine Mitstreiter und -innen den Fleischverzehr möglichst weit eindämmen (in öffentlichen Kantinen ein- bis keinmal pro Woche), anderseits braucht man aber die Schiete als zugelassenen Bio-Dünger.

Kleine Gemüsebeete kann man auch mit Kompost aus Grünabfällen düngen. Landwirte beteuern jedoch, dies ginge nur für kurze Zeit gut. Und, viel wichtiger: Wo soll der ganze Kompost für die Äcker herkommen, mit denen man – bundesweit – Nahrung für rund 83 Millionen Menschen erzeugt?

Exkurs: Veganer weisen stets auf die Vorzüge der „biozyklisch-veganen“ Anbaumethode hin. Ja, die gibt es. Allerdings muss man wissen, dass diese „Düngung“ des Bodens den Edel-Zustand des Kompostes, nämlich Humus voraussetzt.

Brucks Positionspapier wohnt ein weiterer Fehler inne. Würde das Blockland nicht mehr von den Rindviechern bewohnt, könnte man da nix anderes machen. Das rund 4.000 Hektar große Blockland ist – wie ich lernen durfte – „überschlicktes Niederungsmoor“. So wie überwiegend auch die landwirtschaftlichen Flächen in Oberneuland und Strom. Die Erdkrumen-Schicht in diesen Bereichen ist so dünn, dass Bauern dieses Land nicht pflügen, also nicht „ackerbaulich“ nutzen könnten.

Meine Recherche nach brauchbaren, trockenen Ackerböden förderte ein überraschendes Ergebnis zu Tage: Bauern könnten Gemüse, Getreide und Co am besten dort anbauen, wo heute viele Bremerinnen und Bremer wohnen: In der Vahr, Sebaldsbrück, Hemelingen, Arsten.

Wäre ich jetzt bösartig oder „bild“, würde ich schlagzeilen:

Grüne planen für Zehntausende Obdachlosigkeit – werden jetzt Bremer Wohnhäuser zugunsten von Rüben und Kartoffeln abgerissen?“

Ist aber nicht meine Art. Wissen Sie ja.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

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