Vom tranigen WK, künstlichen Eislaufbahnen und Sonnensegeln gegen die Erderwärmung

20.11.2022 Aus Von Axel Schuller

Vorab: Es macht mir keinen Spaß, bereitet mir weder Genugtuung, erst recht keine Befriedigung. Wirklich nicht! Es macht mich eher traurig, wenn mich Defizite des Weser-Kurier zuweilen regelrecht anspringen. Da schreibt Sozialsenatorin Anja Stahmann Weihnachtskarten im Parlament. Und der WK? Guckt drüber hinweg. Da schmeißt Stahmann mindestens 20 Millionen Euro durch die Aufnahme zu vieler junger Flüchtlinge aus dem Fenster heraus. Und der WK schweigt. Halt, sorry: Leserbriefe dazu, die haben sie wenigstens veröffentlicht. Was ist mit dieser Zeitung los, die sich für Bremen als „Leitmedium“ versteht, sich jedoch zu einem „Leidmedium“ entwickelt?

Damit Sie, liebe Leserinnen und Leser, jetzt nicht denken: Mann o Mann, jetzt beißt er sich an der Stahmann fest. Nein, falsch. Bloß, um die WK-Tranigkeit aufzuzeigen, muss ich Ihnen ja Belege nennen. Und es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass eine Zeitung, die ja immer noch ernst genommen werden will, an Landtagssitzungen teilnimmt – wichtige Details aber einfach nicht wahrnimmt. Selbst, wenn man die mühelos im TV „nachschauen“ kann. Oder im Blogbremensogesehen.com” frei Haus serviert bekommt.

Jüngst ist mir etwas – früher Undenkbares – in den Sinn gekommen: Irgendwie ist es doch nachteilig, dass die taz über keine eigenen Bremen-Seiten mehr verfügt.

Beim Blick auf die taz-homepage habe ich – unter anderem – einen interessanten Artikel gefunden.

Eine Geschichte, die ich so im bremischen „Leidmedium“ bislang nicht wahrgenommen hatte. Jedenfalls nicht so fakten- und kenntnisreich.

Die kleine, weiterhin linke Zeitung, hatte das Thema „zweite Eislauffläche im Waller Paradice“ auf beeindruckende Weise angepackt.

Die städtische Bremer Bäder GmbH (gehört zufällig zu Anja Stahmanns Reich) hatte im Oktober mitgeteilt, im Waller „Paradice“ werde aus Energiespar-Gründen bloß eine der zwei Eisflächen aufbereitet.

Der Protest lies nicht lange auf sich warten. Schließlich wollen Schulen, Vereine und Einzelläufer auf dieser Fläche üben und beispielsweise Eishockey spielen. Hätte man die zweite Fläche in diesem Winter brachliegen lassen, hätte Bremen sehr viel Energie sparen können.

Das jetzt doch Herrichten der zweiten Fläche frisst in einem halben Jahr laut taz 0,61 Gigawattstunden Energie. Und damit die Menschen bei ihrem Eislaufvergnügen nicht frieren, muss die Halle im dem Halbjahr mit 0,9 Gigawatt auf eine erträgliche Temperatur gebracht werden.

Um mal ein Gefühl für die Energiemengen zu bekommen: Eine Gigawattstunde entspricht 1 Milliarde Wattstunden oder – in haushaltstypischer Einheit ausgedrückt: 1 Million Kilowattstunden.

Weiter in der kleinen Mathematik: 0,61 Gigawattstunden plus 0,9 Gigawattstunden ergeben: 1,51 Gigawattstunden oder auch 1,51 Millionen Kilowattstunden. Für nur eine Eislauffläche! Die Bäder GmbH wollte ursprünglich durch das Nicht-Bespielen von Halle Zwei 411.000 Euro einsparen.

Und das Stärkste: Bremen hätte das Geld (ist jetzt ja offenbar doch vorhanden) nutzen können, um eine Kunsteis-Fläche einzubauen.

Im schweizerischen Luzern existiert seit 10 Jahren die Firma Glice, die „Kunsteis“ herstellt. Das Unternehmen hat in 80 Ländern bereits mehr als 1.000 Eislaufbahnen und -flächen gebaut. Für den Betrieb der weißen Gleitfläche wird weder Wasser noch Strom benötigt. Die bislang größte Fläche mit 4.000 Quadratmetern hat Glice 2019 in Mexico Stadt aufgebaut – und den Irrsinn der gleich großen gekühlten Bahn aus Wasser beendet.

Synthetische Bahnen gibt es laut Glice mittlerweile in den USA (für Eishockey-Spiele!), in der Schweiz, in Deutschland, selbst in Aserbaidschan… Aus dem Stoff werden auch Langlauf-Loipen gebaut.

Zur Funktionsweise schreibt die Firma: „Durch die Reibung der Kufe werden Moleküle aufgeschnitten und setzen einen Gleitstoff frei.“ Der Gleiteffekt des Kunsteises, so Glice, sei „nur 2 Prozent langsamer als Echtes“.

Um Frau Stahmann und Frau Baden von der Bäder-Gesellschaft die Arbeit ein wenig zu erleichtern, habe ich mit „Glice“ telefoniert.

Hier einige Zusatzfakten: Die Firma berechnet pro 2-Quadratmeter-Platte „Kunsteis“ 459 Euro. Ein Einhockeyfeld misst minimal 56×26 Meter. Gleich: 1.456 Quadratmeter. Eine Platte misst 2 Quadratmeter, also rechnen wir: 1.456 geteilt durch zwei mal 459. Ergebnis: 334.152 Euro für ein(nacktes) Eishockeyfeld. Dazu kommen die Bande rund ums Feld und andere Nebenkosten. Rund 500.000 Euro müssten für die Paradise-Fläche reichen. Setzen Sie das mal in Relation zu den 411.000 Euro Energiekosten für eine Halbjahr-Saison. Eine Amortisation in dieser kurzen Zeit findet man in der Wirtschaft extrem selten.

 

So, falls Sie nun noch Lust und Energie haben, möchte ich Sie auf einen weiteren Hammer-Artikel in der aktuellen Wochenend-taz hinweisen. Marco Fuchs, Vorstandschef des Bremer Raumfahrtunternehmens OHB, lässt einige Mitarbeiter „nebenbei“ an der Idee arbeiten, im All Sonnensegelaufzuspannen, um die Erderwärmung zu reduzieren. Klingt crazy, ist aber nicht unrealistisch.

Die kleine taz (deutschlandweit verkaufte Auflage: 42.600 Exemplare; davon 20.252 ePaper) hat diesem faszinierenden Thema einen großen Artikel gewidmet. Vor dem Hintergrund des Klima-Herumgewürges in Kairo ein zeitlicher und thematischer Volltreffer.

Der WK hat diesen Zusammenhang offenbar nicht gesehen. Immerhin hatte man das Projekt ja schon einmal vor über einem Jahr im Blatt. Das muss reichen. Kairo hin, Kairo her.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass Sie diese Hinweise als Ansporn – und nicht als „Nestbeschmutzung“ verstehen können. Vom reinen „Schlechtmachen“ der „Konkurrenz“ hätte ich ja auch nix, weil ich ja bloß einen Blog, aber keine Ersatz-Zeitung herausgebe.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

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