Ist das Gitarrenspiel eines Bürgermeisters wichtiger als eine an Zielen orientierte Politik?
Einige Bremer m/w klagen zuweilen darüber, dass d i e s e Bremer CDU es nie schaffen werde, die SPD mal in der Regierung abzulösen. Da mag etwas dran sein. Kaum eine Landes-Bevölkerung ist konservativer als die Bremer. Konservativ von conservare (Latein) wie halten/bewahren. Also: Am liebsten „Alles so lassen, wie es ist“. Aber: Einen Faktor sollte man nicht unterschätzen. Die Medien, speziell die Tageszeitung. Schaute man am Wochenende ins „Blatt“ (Print, online, newsletter), ließ sich ein Gedanke nicht ganz unterdrücken: Mutiert in Bremen die „vierte Gewalt“ (wie Journalisten ihre Rolle gerne selbst definieren) möglicherweise zur „vierten Kolonne“?
Bevor geschichtsbeflissene Leser nun darauf hinweisen, dass es nie eine vierte, allenfalls eine sogenannte fünfte Kolonne gab (siehe Wiki & Co) – ja, weiß ich. Mir geht es um eine drohende Rollen-Verschiebung in Bremen.
Wie ich darauf komme, dass die Presse eine ihrer wichtigen Aufgaben, nämlich die der sogenannten vierten Gewalt (kritische Begleitung der Politik) – neben Parlament, Regierung und Gerichten – verlieren könnte?
Als erstes stach mir die Berichterstattung über die Bauruine des ehemaligen Aleco-Biomarktes in der Bismarckstraße ins Auge. Nach 6 (in Worten: sechs) Jahren ist man dort endlich soweit, den Supermarkt wieder herzurichten, statt wie jahrelang geplant auf einen neuen Aleco vier Stockwerke mit Wohnungen zu bauen.
Die Folge: Jubel vom Tages-Blatt statt geharnischte Kritik, dass die Baubehörde den Bau dringend benötigter Wohnungen offenbar durch immer neue Einwände torpediert hat. Der Autor – Wäre er in der Pressestelle von Bausenatorin Özlem Ünsal vielleicht besser aufgehoben? – geht sogar noch weiter. Er lobt SPD, Grüne und Linke (die stellen die Regierung!) dafür, dass sie die Behörde jetzt per Anfrage zur Auskunft über andere Baubrachen befragen.
Schon ein bisschen seltsam. Andernorts erkundigen sich Regierungsparteien intern nach dem Stand einzelner Projekte, machen Druck, damit die eigenen Parteien nach außen nicht schlecht dastehen. Bei uns schreiben sie Anfragen…
Noch ein Tipp für die eifrigen Baupolitiker der Bremer Regierungs-Abgeordneten: Fragen Sie doch bitte mal nach, wann auf dem Gelände des Handwerker- und Baumarktes Viohl in Borgfeld endlich der Neubau mehrerer Läden plus Wohnungen startet. Oder ob die Baubehörde dort genauso rumzickt wie in der Bismarckstraße.
Ungewöhnliche, weil regierungsfreundliche Kost servierte am Wochenende auch der neue Co-Chefredakteur Benjamin Piel in seinem Newsletter.
Piel hat sich darin die intelligente und angeblich kühle neue CDU-Fraktionsvorsitzende Wiebke Winter (29) vorgeknöpft. Die arbeite aktuell gegen ihr Image als „kalte“ Karrieristin an, indem sie im Tierheim mit Katzen kuschele und dort Steinböden schrubbe. Außerdem vorbereite sie auf „Instagram“ Bilder von ihrer Mitarbeit bei der „Bremer Tafel“. Nur schade, dass sie nicht bei der Essensausgabe an Bedürftige („Tafel“), sondern bei den „Bremer Suppenengeln“ war.
Piels Theorie: Winter wolle ihr Image mit ein paar sozialen Aktivitäten aufpolieren. Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte vergreife sich zwar manchmal im Ton (wie zu von der Leyens Verhandlung mit Trump), aber sonst sei der nahbarer. Notfalls greife der Regierungschef halt zur Gitarre.
Piel schreibt wörtlich:
„Von solchen immer mal wieder auftretenden (sprachlichen; meine Anmerkung) Aussetzern mal abgesehen, hat Bovenschulte eben etwas, das die strenge Arbeiterin Winter sich gerne erarbeiten würde, wenn man es sich denn nur erarbeiten könnte: menschliche Wärme, Zugewandtheit. Kurz: den oft entscheidenden Bürgermeister-Faktor. Den aber gibt es nicht gegen Leistung. Den hat jemand oder hat ihn nicht.“
Merkwürdig: Der Co-Chefredakteur verknüpft in seinem Newsletter zwar zu einem Link mit Bovenschultes Gesangseinlage, nicht jedoch zu Winters Tier-Kuschelei. Soll sich der gemeine Leser kein eigenes Bild machen?
Die Christdemokratin hat übrigens nicht nur das Tierheim und die Suppenengel besucht. Sie war auch bei der Polizei und hat sich bei der DLRG erkundigt. Im Programm ihrer „Sommertour“ stehen ferner noch Antrittsbesuche bei Flugsicherung, einer Fleischerei, im Klimahaus und in einem Pflegeheim.
So wie das vermutlich jeder Polit-Profi macht, der eine neue Führungsrolle übernommen hat.
Viel interessanter als das joviale oder kühlere Auftreten eines Spitzenpolitikers m/w ist für mich (zugegeben: einen Kopfmenschen), ob Politiker sich in Koalitionen irgendwie durchlavieren oder auch mal standhaft sind und Grenzen aufzeigen. Ob sie feige oder mutig sind.
Auf diesem Feld ist aktuell kein Vergleich zwischen Bovenschulte und Winter möglich.
Ich bin gespannt, ob die Bremerinnen und Bremer auf Dauer echte Konservative (Bewahrer) bleiben wollen.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Liebe Leserschaft, ich fühle mich – wie Sie wissen – keiner Partei verpflichtet. Mein Journalistenleben lang habe ich mich an Inhalten nicht an Parteikürzeln orientiert. Aber: Piels Beschreibung, ja Stigmatisierung der Unionspolitikerin fand ich dann doch daneben. Diese Frau ist zweifelsohne auf dem Karrieretrip. (War das Bovenschulte nie?) Sie ist intelligent. Sie ist schlagfertig. Sie ist schnell. Sie tritt (wie ich höre) intern fordernd auf. Ja, sie ist Kopf-getrieben. (Was ist denn der Jurist Bovenschulte?) Und, das wirkt vermutlich am meisten befremdlich: Sie ist mit erst 29 Jahren sehr jung, um sie sich als Regierungschefin vorzustellen. Die mit dem neuen Job verbundene Verantwortung und die Routine wird diese jugendliche Ausstrahlung vermutlich automatisch etwas abschleifen. Zu guter Letzt: Diese neue CDU-Kraft ist übrigens – wie jeder Mensch – nicht unfehlbar. Als sie, eine Mitbegründerin der CDU-Klima-Union vor drei Jahren nach dem Sauerstoffgehalt der Luft gefragt wurde, geriet sie ins Straucheln. Die Folge: Heutzutage bereitet sie sich gründlicher auf öffentliche Termin vor.
Hey cool, unser Bürgermeister – und zur Not geht es wie gestern in Zeiten mangelnder politischer Erfolge zwecks Außendarstellung als mit Punk in den Siebzigern sozialisierter Gitarrenzupfer auch als MCBovi ? auf ein Deutsch-Rap-Festival https://www.facebook.com/photo?fbid=1508934237155948&set=pcb.1508935487155823 , wenn man die jungen Wählergruppen »beeindrucken« will. Kann man alles machen, funktioniert aber nicht wirklich. Weil: Es fehlt einfach die Glaubwürdigkeit – und old Bovi interessiert die Kids gar nicht.. Man fragt sich: Wer berät den Bürgermeister eigentlich bei solchen »Imagemaßnahmen«? https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/bundestagswahl-kinder-jugendliche-100.html
Wiebke Winter ist eine junge engagierte und erfrischend pragmatische Politikerin mit vielen neuen Ideen. Übrigens: warum sich Frauen immer rechtfertigen sollen, wenn sie Karriere-orientiert sind, verstehe ich nicht – sind diese Zeiten nicht vorbei? Die SPD hat in Bremen seit langem abgewirtschaftet und die Opposition hat ein neues personelles Angebot – und nicht nur mit Wiebke Winter! Mir sind jedenfalls pragmatische junge Politiker allemal lieber als ideologisch beschränkte Scheuklappen-Politiker, die nur ihre Klientel, aber nicht das Ganze im Blick haben. Die Bremer Politik hat eine Erfrischung und die SPD eine kalte Dusche mehr als verdient. Ich drücke Wiebke Winter und dem jungen CDU-Team beide Daumen für eine erfolgreiche Karriere!
Ich hatte mir immer eine konservative CDU gewünscht. Nun ist die CDU mit ihrer neuen Fraktionsvorsitzenden weiter auf dem fehlerhaften Klimapfad unterwegs. Frau Dr. Winter ist eben das Gesicht der Klima-Union. Law and Order steht ihr nicht und ist nur der gescheiterte Versuch, den richtig Konservativen, wie meinem Kollegen Jan Timke, das Wasser abzugraben.
Jeder wie er es mag. Aber Glaubwürdigkeit sieht anders aus!
Lieber Herr Schuller,
anbei meine Antwort vom 02.08 auf den Blog des Chefredakteur Piel :
„Sehr geehrter Herr Piel,
Entweder hat sie die örtliche SPD-Fraktion fürstlich für diesen Blog bezahlt oder sie wollten Frau Winter in satirischer Form einmal aufzeigen, wo deren aus ihrer Sicht auffällige „ Entwicklungsfelder“ liegen. Der erste Aspekt wäre schändlich, die Variante Zwei hätten Sie besser machen können.
Wir leiden seit der Ära Henning Scherf an handlungsunfähigen Bürgermeistern, die zwar die Umarmungs- und Schmusekurstatik fabelhaft beherrschen, für das von Ihnen geleitete Bundesland Bremen jedoch keinerlei Führungsqualitäten zeigen.
Diesen „Softies“ ist es , sicherlich auch mangels notwendiger Richtlinienkompetenz, nicht gelungen, dieses Bundesland zielgerichtet und erfolgreich zu führen.
So konnten Senatoren der Bereiche Bildung, Soziales, Wirtschaft, Finanzen und Umwelt/Bau ohne jede Steuerung schalten und walten, wie sie es gerade wollen.
Die Ergebnisse sprechen leider für sich:
1. Letzter Platz bei Schule / Bildung
2. Höchste Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland
3.Bremen und Bremerhaven führen die Kriminalitätsstatistik an.
4.Migrationspolitik nicht spürbar.
5. Mittelstandspolitik / positives Bekenntnis zur Wirtschaft nicht spürbar
6. unsinniger Verordnungswahn ( Ausbildungsfond)
7. höchste Betreuungskosten im Seniorenbereich
Und diese für jeden Bremer Bürger sichtbaren Resultate verantwortet eine Regierungskoalition, die bis auf das Innenressort tatenlos bleibt und deren Regierungsschef Bovenschulte unsichtbar ist.
Was für eine traurige Konstallation,die zudem noch Gefahren für die Zukunft birgt.
Bremen braucht keinen BOVI sondern einen führungsstarken, entscheidungsfähigen Bürgermeister Bovenschulte, der nicht everybodies darling sein sollte.
Die Steuer zahlenden Bürger Bremens haben sich hierbei als stabilisierender Faktor einen Namen gemacht, denn denen ist es völlig egal, wer unter Ihnen als Regierung arbeitet. Der Dampfer Bremen fährt durch diese noch in der Mehrzahl befindlichen Bevölkerungsteile unverändert und erfolgreich, wenn auch manchmal durch politische Querschläger gestört.
Da freue ich mich doch auf eine junge, sachlich /fachlich versierte Frau Winter, der es vielleicht gelingt, mit überlegter Power und Lust zur Gestaltung in Bremen die Hebel mal umzulegen. Machen wir als Bürger und sie als Presse einer jungen Kandidatin Mut , notwendige Dinge mutig und zeitnah anzugehen. Bremen hat es verdient, eine Frau Winter gleichfalls, denn sie bezieht Position, was vielen ihrer Kollegen in der Regierungskoalition fehlt.
Das würde die Rolle eines Weser Kurier gleichfalls stärken und aus der Sozi-Ecke herausholen.
Fazit: Was wollten Sie mit diesem Blog bloß erreichen ?
Mehr ist zu diesem Thema im Moment nicht zu sagen.“
Ich bin so glücklich, dass viele Frauen an ihre Karriere denken und dieses auch deutlich machen. Bei Herrn Piel vom WK kommt das leider nicht an, doch ein Co-Chefredakteur unter einen Chefin, die schon ein halbes Arbeitsleben „dabei“ ist, hat er evtl. kleine Plessuren davon getragen. Ja, Herr Piel: Auch wir Frauen können böse!
Die Wahrnehmung „menschlicher Wärme“ ist noch weitaus subjektiver als ein Kommentar sein darf. Völlig unverständlich, dass ein zugereister Journalist sich nicht erstmal an den Bremer Sachthemen abarbeitet. Die von Herrn Meyer-Vierow aufgeführte Liste ließe sich ja beliebig verlängern.
Herr Piel setzt sich so völlig unnötig dem Verdacht aus, Gefälligkeitsschreiber oder gar frauenfeindlich zu sein. Seiner Zeitung, dem leckgeschlagenen WK, verhilft er so nur zu noch mehr Schlagseite.
Herr Meyer-Vierow,
Sie bringen es auf den Punkt. Wie schon Herr Fasche beschreibt, könnte die Liste noch sinnvoll ergänzt werden, etwa durch:
– Mit Abstand höchste Arbeitslosenquote (11,6 % lt. Statista)
– Schlechtestes Schulsystem auch laut ifo Umfrage (Platz 16 lt. ifo Bildungsbarometer 2024)
Nicht auf die Schnelle zu belegen, aber dennoch anzuführen sind folgende Widersprüchlichkeiten:
– Vom nachweislich europaweit schönsten Bahnhof(-sgebäude, ohne Menschen) zum europaweit schlechtesten Bahnhof (inkl. Menschen)
– Wie Herr Schuller bereits berichtete, leistet sich Bremen einen der bundesweit auskömmlichsten Personalkörper in der Verwaltung
– Trotz niedriger Aufklärungsraten (siehe Pol. Kriminalstatistik), niedriger Verurteilungsquote und eher geringen Haftstrafen hat Bremen ein volles Gefängnis – was mittlerweile als Grund verwendet wird um Straftäter nicht zu inhaftieren.
Vielen Dank an die SPD für diese Spitzenplätze
Man muss sich doch schon sehr über den Kommentar von Herrn Piel wundern. Ich finde es zunächst einmal völlig unkritisch, wenn sich Politiker ein Bild von Vereinen machen. Da wird doch auch viel ehrenamtliche Arbeit geleistet und wie könnte man das besser anerkennen, als durch einen Besuch dort und die Unterstützung der Arbeit? Ich gehe auch davon aus, dass Frau Winter nicht nur im Tierheim war, sondern sich unterschiedliche Orte ansieht. Das fände ich zumindest begrüßenswert. Vielleicht lesen wir beim Weser-Kurier dann ja bald eine sachliche Bilanz des aktuellen Bürgermeisters. Was hat er für die Stadt erreicht? Wo hat er das Land hingebracht? Was sind zentrale Erfolge seiner Regierung? Ich fürchte hier bräuchte Herr Piel sehr sehr wenig Platz in der Zeitung.