Häfen sind in Bremen unterbewertet – und Südländer haben „Igel in der Tasche“

11.09.2025 8 Von Axel Schuller

Als Zugereister (wenn auch vor 46 Jahren) kann ich es manchmal kaum glauben: Die Bremischen Häfen sind einerseits für Bremens wirtschaftliches Wohlergehen von zentraler Bedeutung, spielen in den Köpfen der Bevölkerung jedoch eine untergeordnete Rolle. Seltsam auch: In Deutschland existiert zwar eine „Nationale Hafenstrategie“, aber man merkt nix davon: Die Seehäfen haben überwiegend den eigenen Vorteil im Blick. Die Groß-Konkurrenten in Holland und Belgien können entspannt sein.

Im Bundesland Bremen gibt es laut Statistik 325.000 Arbeitsplätze. 77.000 davon gelten als „hafenabhängig“ – also in den Häfen Beschäftigte, Logistiker, im- und exportierende Unternehmen. Das ist eine Hammerzahl. Fällt bei vielen Bremerinnen und Bremern aber gedanklich in die Kategorie „ferner liefen“.

Bremen sowie die anderen deutschen Seehäfen wie Hamburg und Wilhelmshaven werben in der Bundespolitik damit, dass ohne die Häfen viele in Süddeutschland produzierte Premiumgüter weder in Asien noch in Amerika landen würden.

Und dennoch: Sobald es ums Geld geht, haben Bayern und Baden-Württemberg den berühmten Igel in der Tasche. Bundespolitiker aber auch.

Erst voriges Jahr haben sich der Bund und die norddeutschen Länder in Bremen auf eine „nationale Hafenstrategie“ geeinigt – allerdings mit einem „klitzekleinen“ Mangel behaftet: Das Programm ist mit keinem Geldbetrag hinterlegt.

Und das ist ein Problem. Der Bund hat zwar 2001 in einem Gesetz festgeschrieben, dass alle deutschen Seehäfen jährlich 38 Millionen Euro als Unterstützung erhalten. Dies jedoch ist ein Tropfen auf den heißen Stein.

Mal eine Vergleichszahl: Bremen rechnet für das Fit-Machen der teilweise „angejahrten“ Kajen in Bremerhaven und Bremen inkl. Digitalisierung  mit Kosten von rund 2,5 Milliarden Euro.

Das genannte Bundesgesetz beschert Bremen jährlich jedoch nur 10,7 Millionen Euro für seine Häfen. Hamburg erhält 20,9 Millionen, Mecklenburg-Vorpommern 2,6 Millionen, Niedersachsen 2 und Schleswig-Holstein ebenfalls 2 Millionen Euro. 

Der neue „Maritime Koordinator der Bundesregierung, der Hamburger Christdemokrat, Christoph Ploß, kämpft zwar an der Seite der Norddeutschen für die Forderung, der Bund solle jährlich 500 Millionen Euro für die Häfen locker machen, bislang  jedoch ohne Erfolg. Ploß wies anlässlich des Bremer Kapitänstages vorige Woche darauf hin, für eine Erhöhung der Summe müsse leider das Grundgesetz (GG) geändert werden. Die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit sei kaum zu erreichen.

Kurios: Einen direkten Bezug im Grundgesetz zu den Häfen sucht man vergeblich. Dort finden sich zwar Aussagen zur Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern, aber nichts Ausdrückliches zu den Seehäfen. Im Artikel 104a, Absatz 4 wird darauf hingewiesen, dass Länder „eigene Angelegenheiten“ selbst finanzieren müssen. Das „Gesetz über Finanzhilfen des Bundes an die Länder Bremen, Hamburg, (…) für Seehäfen“ nimmt wiederum Bezug auf den Artikel 104.

Liebe Leserschaft, ich bin weit von der Juristerei entfernt. Mein Erklärungsversuch für die zurückhaltende Art des Bundes: In den „mauernden“ Ministerien, speziell im SPD-geführten Finanzministerium, interpretiert man das GG seit Jahren so, dass möglichst wenig Bundesmittel an die Länder mit Häfen ausgeschüttet werden müssen.

Hinzu kommt natürlich, dass Bayern als Groß-Ausstatter des Länderfinanzausgleiches (fast 10 Milliarden Euro) wenig Lust verspürt, noch mehr Geld an die „Notleider“ im Norden (bis auf Hamburg) zu überweisen.

Bleibt noch die „nationale Hafenstrategie“, die bislang wenig  bewirkt. Beispiel: In Bremerhaven findet (noch) der größte Autoumschlag von und nach USA und Asien statt. Gleichzeitig baut gerade der niedersächsische Jade-Weser-Port seinen Autoumschlag aus. Und über das niedersächsische Emden exportiert Volkswagen neben dem vor Ort produzierten Passat nun die gesamte Modellpalette. Cuxhaven ist auf diesem Feld ebenfalls zunehmend aktiv. Schauen Sie sich mal die wachsenden Pkw-Aufstellflächen im Hafen an – neben der Verladung riesiger Windkraftanlagen.. 

Beim Container-Umschlag sieht es ähnlich aus. Auch hier konkurrieren Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven miteinander.

Wobei man feststellen muss: Nicht die Politik oder die Häfen, sondern die Reedereien entscheiden darüber, wo Container oder Autos ab- oder zugeladen werden. Allerdings beeinflussen die Bundesländer die Attraktivität der Häfen über die Tiefe der jeweils zuführenden Flüsse. Wilhelmshaven ist mit 16 Metern Deutschlands einziger Tiefwasserhafen. Nebenbei: Dort gibt es aktuell Bestrebungen, die Verladung von Militärgütern möglich zu machen – bislang eine Bremerhavener Domäne.

Die Häfen in Rotterdam und Antwerpen erfreuen sich der gezielten Unterstützung ihrer Regierungen. Dort sind mittlerweile große Einheiten entstanden, die direkt und indirekt über den Rhein mit dem größten Binnenhafen Europas, Duisburg, verbunden sind. Hinzu kommt Duisburgs Eisenbahnverbindung via „neuer Seidenstraße“ mit China. Güterzüge benötigen für die Fahrt nach Chongqing 16 Tage.

Da haben es die deutschen Nordsee-Häfen zunehmend schwerer, jeder für sich gegen diese Marktmacht anzukommen.

Deutsche Häfen haben währenddessen sogar teilweise den Anschluss an die Zukunft verpennt. Erst allmählich wird bei uns – beispielsweise – wie in Rotterdam die Verladung effizienter gestaltet (mit zentraler Steuerung mehrerer Container-Brücken). 

Vor diesem Hintergrund ist es „höchste Eisenbahn“, dass die norddeutschen Häfen mehr mit- als nebeneinander und vor allem nicht gegeneinander arbeiten. Und, dass der Bund jährlich hunderte statt zig Millionen für Deutschlands Verbindungen in die Handels-Welt bereitstellt – was am Ende vermutlich auch zu einer Konzentration führen dürfte.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Der bis ins kleinste verästelte deutsche Umweltschutz sorgt aktuell dafür, dass die Niederlande uns erneut einen Schritt voraus sind. Erste Firmen erproben dort, wie man ausrangierte Windkraftanlagen recyceln kann. Dies ist extrem aufwendig, da die Rotorblätter aus Verbundstoffen gefertigt werden. By the way: Die Niederlande gehören derselben EU wie Deutschland an…