Häfen sind in Bremen unterbewertet – und Südländer haben „Igel in der Tasche“
Als Zugereister (wenn auch vor 46 Jahren) kann ich es manchmal kaum glauben: Die Bremischen Häfen sind einerseits für Bremens wirtschaftliches Wohlergehen von zentraler Bedeutung, spielen in den Köpfen der Bevölkerung jedoch eine untergeordnete Rolle. Seltsam auch: In Deutschland existiert zwar eine „Nationale Hafenstrategie“, aber man merkt nix davon: Die Seehäfen haben überwiegend den eigenen Vorteil im Blick. Die Groß-Konkurrenten in Holland und Belgien können entspannt sein.
Im Bundesland Bremen gibt es laut Statistik 325.000 Arbeitsplätze. 77.000 davon gelten als „hafenabhängig“ – also in den Häfen Beschäftigte, Logistiker, im- und exportierende Unternehmen. Das ist eine Hammerzahl. Fällt bei vielen Bremerinnen und Bremern aber gedanklich in die Kategorie „ferner liefen“.
Bremen sowie die anderen deutschen Seehäfen wie Hamburg und Wilhelmshaven werben in der Bundespolitik damit, dass ohne die Häfen viele in Süddeutschland produzierte Premiumgüter weder in Asien noch in Amerika landen würden.
Und dennoch: Sobald es ums Geld geht, haben Bayern und Baden-Württemberg den berühmten Igel in der Tasche. Bundespolitiker aber auch.
Erst voriges Jahr haben sich der Bund und die norddeutschen Länder in Bremen auf eine „nationale Hafenstrategie“ geeinigt – allerdings mit einem „klitzekleinen“ Mangel behaftet: Das Programm ist mit keinem Geldbetrag hinterlegt.
Und das ist ein Problem. Der Bund hat zwar 2001 in einem Gesetz festgeschrieben, dass alle deutschen Seehäfen jährlich 38 Millionen Euro als Unterstützung erhalten. Dies jedoch ist ein Tropfen auf den heißen Stein.
Mal eine Vergleichszahl: Bremen rechnet für das Fit-Machen der teilweise „angejahrten“ Kajen in Bremerhaven und Bremen inkl. Digitalisierung mit Kosten von rund 2,5 Milliarden Euro.
Das genannte Bundesgesetz beschert Bremen jährlich jedoch nur 10,7 Millionen Euro für seine Häfen. Hamburg erhält 20,9 Millionen, Mecklenburg-Vorpommern 2,6 Millionen, Niedersachsen 2 und Schleswig-Holstein ebenfalls 2 Millionen Euro.
Der neue „Maritime Koordinator der Bundesregierung, der Hamburger Christdemokrat, Christoph Ploß, kämpft zwar an der Seite der Norddeutschen für die Forderung, der Bund solle jährlich 500 Millionen Euro für die Häfen locker machen, bislang jedoch ohne Erfolg. Ploß wies anlässlich des Bremer Kapitänstages vorige Woche darauf hin, für eine Erhöhung der Summe müsse leider das Grundgesetz (GG) geändert werden. Die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit sei kaum zu erreichen.
Kurios: Einen direkten Bezug im Grundgesetz zu den Häfen sucht man vergeblich. Dort finden sich zwar Aussagen zur Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern, aber nichts Ausdrückliches zu den Seehäfen. Im Artikel 104a, Absatz 4 wird darauf hingewiesen, dass Länder „eigene Angelegenheiten“ selbst finanzieren müssen. Das „Gesetz über Finanzhilfen des Bundes an die Länder Bremen, Hamburg, (…) für Seehäfen“ nimmt wiederum Bezug auf den Artikel 104.
Liebe Leserschaft, ich bin weit von der Juristerei entfernt. Mein Erklärungsversuch für die zurückhaltende Art des Bundes: In den „mauernden“ Ministerien, speziell im SPD-geführten Finanzministerium, interpretiert man das GG seit Jahren so, dass möglichst wenig Bundesmittel an die Länder mit Häfen ausgeschüttet werden müssen.
Hinzu kommt natürlich, dass Bayern als Groß-Ausstatter des Länderfinanzausgleiches (fast 10 Milliarden Euro) wenig Lust verspürt, noch mehr Geld an die „Notleider“ im Norden (bis auf Hamburg) zu überweisen.
Bleibt noch die „nationale Hafenstrategie“, die bislang wenig bewirkt. Beispiel: In Bremerhaven findet (noch) der größte Autoumschlag von und nach USA und Asien statt. Gleichzeitig baut gerade der niedersächsische Jade-Weser-Port seinen Autoumschlag aus. Und über das niedersächsische Emden exportiert Volkswagen neben dem vor Ort produzierten Passat nun die gesamte Modellpalette. Cuxhaven ist auf diesem Feld ebenfalls zunehmend aktiv. Schauen Sie sich mal die wachsenden Pkw-Aufstellflächen im Hafen an – neben der Verladung riesiger Windkraftanlagen..
Beim Container-Umschlag sieht es ähnlich aus. Auch hier konkurrieren Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven miteinander.
Wobei man feststellen muss: Nicht die Politik oder die Häfen, sondern die Reedereien entscheiden darüber, wo Container oder Autos ab- oder zugeladen werden. Allerdings beeinflussen die Bundesländer die Attraktivität der Häfen über die Tiefe der jeweils zuführenden Flüsse. Wilhelmshaven ist mit 16 Metern Deutschlands einziger Tiefwasserhafen. Nebenbei: Dort gibt es aktuell Bestrebungen, die Verladung von Militärgütern möglich zu machen – bislang eine Bremerhavener Domäne.
Die Häfen in Rotterdam und Antwerpen erfreuen sich der gezielten Unterstützung ihrer Regierungen. Dort sind mittlerweile große Einheiten entstanden, die direkt und indirekt über den Rhein mit dem größten Binnenhafen Europas, Duisburg, verbunden sind. Hinzu kommt Duisburgs Eisenbahnverbindung via „neuer Seidenstraße“ mit China. Güterzüge benötigen für die Fahrt nach Chongqing 16 Tage.
Da haben es die deutschen Nordsee-Häfen zunehmend schwerer, jeder für sich gegen diese Marktmacht anzukommen.
Deutsche Häfen haben währenddessen sogar teilweise den Anschluss an die Zukunft verpennt. Erst allmählich wird bei uns – beispielsweise – wie in Rotterdam die Verladung effizienter gestaltet (mit zentraler Steuerung mehrerer Container-Brücken).
Vor diesem Hintergrund ist es „höchste Eisenbahn“, dass die norddeutschen Häfen mehr mit- als nebeneinander und vor allem nicht gegeneinander arbeiten. Und, dass der Bund jährlich hunderte statt zig Millionen für Deutschlands Verbindungen in die Handels-Welt bereitstellt – was am Ende vermutlich auch zu einer Konzentration führen dürfte.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Der bis ins kleinste verästelte deutsche Umweltschutz sorgt aktuell dafür, dass die Niederlande uns erneut einen Schritt voraus sind. Erste Firmen erproben dort, wie man ausrangierte Windkraftanlagen recyceln kann. Dies ist extrem aufwendig, da die Rotorblätter aus Verbundstoffen gefertigt werden. By the way: Die Niederlande gehören derselben EU wie Deutschland an…
Gut gebrüllt Löwe!
Es ist leider derz. wie es ist und das macht im Moment, um ehrlich zu sein, bei realistischer Betrachtung der Gesamtsituation Brhv. / Bremer Häfen, alles wenig Hoffnung auf positive Veränderungen. Aus zustd. Ausschuss u. Deputation nehme ich eigentlich regelmäßig immer nur die Erkenntnis mit, dass weder die vorige, noch die aktuelle Bundesregierung höchstmögliche Motivation in Bezug auf notwendige Hafeninvestitionen, weder im Land Bremen, noch anderweitig in den nördlichen Bundesländern an den Tag legt. Es ist halt leider wirklich kein Vorteil, dass die Häfen in Deutschland Obliegenheit der Bundesländer u. nicht, wie halt bei den Wettbewerbern in den Niederlanden oder Belgien in die Finanzierungszuständigkeit der jew. Staaten fallen. Bremen wird leider allein nicht in der Lage sein, die notwendigen Investitionen zu schultern. Die Folgen dieser Entwicklung werden für das Bundesland so hochgradig relevant sein, dass eine breite öffentliche Wahrnehmung eigentlich notwendig ist. Von unmittelbar verbundenen Themen wie der Außenweservertiefung, fange ich besser gar nicht erst an.
Lieber Herr Schuller,
Bitte vergessen Sie nicht: neben gesetzlich geregeltem Finanzausgleich und den Ergänzungszuweisungen, die Bremen als gute Gaben der übrigen Länder zufliessen, gibt es auch ein Bundesgesetz , das Bremen ( und das Saarland) im Jahr mit 400Mio€ alimentiert. Wovon Bremen so gut wie nichts für die Häfen verwendet.
In Anbetracht des bremischen Finanzgebarens ist die Abwehrhaltung der Geber in Bund und Ländern quer durch alle Parteien verständlich , oder?
Lieber Herr Schuller ! Wie soll es denn zu einer engen Kooperation der deutschen Seehäfen kommen, wenn, wie Sie sehr richtig schreiben , die Reeder die Anlaufhäfen bestimmen ? Dann bleibt vielleicht noch eine unproblematische nautische Zusammenarbeit . Und dann haben auch nur die Seehäfen die Nase vorn, die ausreichende Wassertiefen bieten (die Außenweservertiefung wird durch Umweltfanatiker um Jahre verzögert!) und ein genügendes Ladungsvolumen offerieren. Beides ist in Bremerhaven nur bedingt vorhanden, von Bremen-Stadt ganz zu schweigen ! Bremerhaven ist übrigens inzwischen von Zeebrügge als größten europäischen Autoumschlagsplatz abgelöst worden! Ob der Hamburger Christdemokrat Christoph Ploß der richtige „Maritime Koordinator“ ist, wage ich zumindest ein wenig zu bezweifeln, zumal die Gefahr besteht, dass die meisten bundespolitischen Wohltaten an die Elbe wandern. Die bayerischen Bundesverkehrsminister der CSU haben es jahrzehntelang vorgemacht, wie man in dieser Funktion für seinen Heimatstaat positiv (wenn auch korrupt) wirken kann.
Im Übrigen ist schon wieder eine einflußreiche maritime Position nach Hamburg vergeben worden. Wann wacht man in Bremen eigentlich auf ?
Eigentlich wünsche ich mir, daß die Hafenarbeiter mal in einen drei- oder viertägigen Streik für die Unterstützung der Häfen treten. Ein solcher Streik würde den Norden zwar auch betreffen, die Lieferketten, ( beispielsweise nach Bayern) würden merklich gestört.
Dann könnte die Chance bestehen, daß unsere Mitmenschen dort „ihre“Häfen zu schätzen lernen.
Danke Axel Schuller für die gute inhaltliche Beschreibung.
Leider wird sich wenig ändern, wenn der Bund und die Bundesländer nicht mehr Geld für diese nationale wichtige Aufgabe der deutschen Seehäfen beisteuern.
Man sollte bei dieser Wettbewerbsbetrachtung auf keinen Fall vergessen, dass die Verlader in Deutschland , aber auch in Österreich, der Schweiz, Tschechien usw. die Möglichkeit haben, ihre seewärtigen Im- und Exporte über Westhäfen (ARA etc.) und Südhäfen (Triest, Koper,Genua usw.)abzufertigen, was auch in zunehmendem Maße geschieht. Die schlechtere geographische Lage müßten die Nordhäfen (Hamburg,Bremen/Bremerhaven usw,) durch besseren Service und günstigere Konditionen kompensieren, was aber bisher leider nicht geschieht.
vielen Dank für den Artikel, der die seit vielen Jahren bedrohliche Entwicklung der bremischen Häfen zutreffend beschreibt. Natürlich wäre in erster Linie die Landesregierung mit dem Bgm an der Spitze gefordert ….wenn die Landes-SPD dies zulassen würde. Aber die Spezialdemokraten haben andere Prioritäten…. Und nur ein gering ausgeprägtes Verantwortungsbewußtsein.
Leider ist auch die BLG mit ihrer Geschäftspolitik Teil des Problems und nicht Teil der Lösung! Es reicht nicht, die Zukunft im Umschlag von Containern und Autos zu sehen. Das “Angebot” der BLG u.a., auch mal die Terminals vorübergehend für andere wirtschaftliche Nutzungen zu öffnen, bietet für Unternehmen im Bereich Windenergie oder Wasserstoff keine wirtschaftlich attraktive Standortbedingungen. Die gibt es stattdessen in den mit Bremerhaven und Bremen konkurrierenden Küstenstandorten. Es ist höchste Zeit, dass der Bremer Bürgermeister “seinen” Unternehmen deutlich macht, dass der bisherige Weg in der Sackgasse endet! Ob er dafür die Kraft hat? Zweifel sind angebracht.