Fast alle Senatssprecher kommen – auch der Gesinnung wegen? – von RB und vom WK
Vom Feeling her haben viele Leserinnen und Leser schon lange das richtige Gefühl (in Anlehnung an den Fußballer Andreas Möller): Ja, auch der Bremer Journalismus ist überwiegend links-grün ausgerichtet. Immerhin war ein Großteil der Sprecher von amtierenden Senatsmitgliedern zuvor bei Radio Bremen oder dem Weser-Kurier tätig. Um rot-grün-rote Politik als Sprecher zu „verkaufen“, muss man natürlich die entsprechende Denke mitbringen. Hier und heute können Sie Namen lesen. In der Branche insgesamt tobt aktuell ein regelrechter Kampf.
Einer Senatsantwort vom 9. September 2025 listet auf 14 Seiten auf, welche senatorische Behörde, von 2018 an in welchem Jahr und von welchem Medium Sprecher und Sprecherinnen „eingekauft“ hat. In Fachkreisen spricht man vom Drehtür-Effekt, wenn – beispielsweise – Journalisten vom Redaktionstisch ohne Karenz-/Abkühlzeit auf die „andere Seite der Macht“ wechseln.
Der Senat teil mit, dass dies seit 2018 genau 17 Mal geschehen sei.
Während die Regierung die Angaben selbstverständlich anonymisiert aufbereitet, heißt es bei bremensogesehen: Butter bei die Fische.
Christian Dohle, amtierender Sprecher des Senats, wechselte 2019 von Radio Bremen zu Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD). Vor seinem RB-Engagement war Dohle in der landespolitischen Redaktion des Weser-Kurier tätig.
Er ist der bestbezahlte aller Bremer Senatorensprecher. Dohle ist als Abteilungsleiter nach der Besoldungsgruppe B 5 eingestuft – was einem Grundgehalt von 10.310 Euro entspricht. Bovenschulte verdankt seinem Sprecher u.a. eine häufige Präsenz im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk.
Matthias Makosch, Sprecher von Finanzsenator Björn Fecker (Grüne), war zuvor viele Jahre als Sprecher bei der Grünen-Fraktion tätig. Gelernt hat er Zeitungsjournalismus.
Christoph Sonnenberg, Sprecher der Linken Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (und wie Makosch offiziell stellvertretender Sprecher des Senats) war davor Journalist des Weser-Kurier.
Patricia Brandt, Sprecherin von Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD), wechselte von der „Norddeutschen“ (WK) in die Behörde.
René Möller, Sprecher von Innen- und Sportsenator Ulrich Mäurer (SPD), war zuvor Sprecher von Bausenatorin Özlem Ünsal, kam von Radio Bremen dorthin.
Kristin Viezens, Sprecherin von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke), diente zuvor im Wirtschaftsressort und davor in der städtischen M3B-Veranstaltungsfima.
Ramona Schlee, Sprecherin von Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf (Grüne) war zuvor von Radio Bremen ins Finanzressort gewechselt.
Nina Willborn, Sprecherin von Sozial- und Arbeitssenatorin Dr. Claudia Schilling (SPD), kam vom Weser-Kurier. Der bislang „erste“ mittlerweile pensionierte Sprecher des Sozialressorts, Dr. Bernd Schneider war 2011 direkt vom Weser-Kurier zur Grünen Anja Stahmann gewechselt.
Aygün Kilincsoy, Sprecher von Bausenatorin Özlem Ünsal (SPD) ist kein Zeitungsredakteur. Er hat sich innerhalb der Verwaltung, insbesondere im Bildungsressort, hochgearbeitet.
Stephanie Dehne, Sprecherin von Justizsenatorin Dr. Claudia Schilling, kommt aus der SPD-Fraktion. Sie löste Matthias Koch ab (Ex-Bremer Anzeiger), der nunmehr für „bremenports“ spricht.
Werner Wick, Sprecher des Kulturressorts von Dr. Andreas Bovenschulte, ist eines der wenigen „Verwaltungsgewächse“. Ex-Sprecher von Ex-Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne), Jens Tittmann, ist im Ressort für Sonderaufgaben zuständig. Er war vom WK zu Schaefer gewechselt.
Der Reigen der Ex-Journalisten in öffentlichen Unternehmen lässt sich fortsetzen:
Abteilungsleiterin Presse in der Bremischen Bürgerschaft ist Dorothe Krumpiepe (zuvor Radio Bremen). Für die BSAG spricht der Ex-WK-Redakteur Andreas Holling.
Noch zwei anders gelagerte Personalien:
Michael Brandt wechselte vom Weser-Kurier (dort immerhin Chef vom Dienst) zu HanseWasser, musste dort rasch wieder gehen, ist nun bei Radio Bremen tätig.
Silke Hellwig, derzeit presserechtlich verantwortliche WK-Chefredakteurin, hat einen ganz ungewöhnlichen Weg hinter sich sich. Sie verließ den WK, ging zu Radio Bremen, kehrte zum WK zurück und wurde Chefredakteurin. Benjamin Piel ist dort seit Januar als Co-Chefredakteur tätig. Es wird gemunkelt, dass die Chefin (62) wohl vorzeitig in ihre alte hessische Heimat zurückkehren werde.
Liebe Leserschaft, bevor ich es vergesse: Auslöser der anonymisierten Senatsauskünfte über staatliche Pressesprecher war übrigens Bündnis Deutschland. Ich wollte Sie nicht vorab mit dieser Info „belasten“. Immerhin gilt BD in Bremen als Underdog. Das schadet aus meiner Sicht aber keineswegs dem Gehalt von Anfrage und Antwort.
Eingangs schrieb ich, dass im Journalismus ein Kampf tobt. Aktuell zu beobachten, wie linke Kollegen Front gegen die Minderheit konservativ denkender Journalisten machen.
So hat der NDR jüngst auf Druck einer sogenannten „roten Redakteursliste“ entschieden, dass Julia Ruhs vom Bayrischen Rundfunk das gemeinsam von BR und NDR produzierte Magazin „KLAR“ nicht mehr präsentieren darf – sofern der NDR es produziert. Der BR will die junge Kollegin weiter an den Moderationstisch setzen. Das nennt man wohl Cancel Culture auf NDR-Art. Was ist das bloß für eine schlaffe NDR-Führung?
Dazu passt eine Untersuchung der TU Dortmund vom vorigen Jahr. Auf die Frage, welche Partei sie bevorzugen antworteten Journalisten: 53 Prozent Grün, 21 % SPD, 10 % CDU, 8 % Linke, 4 % FDP.
Bleibt abschließend die Frage, ob und wie sich der dauerhafte Wechsel von WK- und RB-Journalisten in die staatlichen Pressestellen auswirkt.
Gerade im sehr kleinen und übersichtlichen Bremen gibt es selbstverständlich „Seilschaften“ zwischen Journalisten hüben und drüben des Schreibtisches.
Wer aber meint, ein nunmehr staatlich bestallter Journalist könne den Ex-Kollegen bei RB oder WK Infos inklusive Deutung rüberschicken, irrt. So simpel ist das Geschäft nicht.
Das läuft subtiler. Die Medien-Szene geiert auch heute noch danach, als erster Nachrichten zu erfahren und zu verbreiten. „Exklusiv“ ist das enervierende Zauberwort.
Wer einen Bürgermeister oder Senator/Senatorin in einer Berichterstattung allzu schlecht hat aussehen lassen, darf ganz fest damit rechnen, künftig erst mal „Exklusives“ bei der Konkurrenz sehen oder hören zu müssen...
Und ja, staatliche Pressesprecher „spielen“ auch mit Journalisten, benutzen diese, um die Wirkung von Infos vorab zu testen, oder auch um Fiesheiten über andere Senatsmitglieder (aller Regierungs-Parteien!) zu streuen. So erklärt sich übrigens auch die in Bremen große Rate vorab „durchgestochener“ Vorlagen aus Senat und Fraktionen.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Der hannoversche Madsack-Verlag (Teil-Gesellschafter ist eine SPD-Firma) schickt sich an, die Nordwest-Zeitung in Oldenburg zu übernehmen. Bin mal gespannt, welche Auswirkungen dies auf den Weser-Kurier haben wird. Immerhin betreiben die NWZ und der WK gemeinsame Firmen für IT- und kaufmännische Dienstleistungen.
Es ist frustrierend festzustellen, dass die Senatssprecher und ehemaligen (kritischen?) Journalisten ihre politische Grundhaltung wechseln wie ihr Hemd. Hauptsache , Kasse und Arbeitsplatzsicherheit stimmen. Und die Bremer/Bremerhavener Medienlandschaft blutet allmählich aus. Wie schlecht muss dieser Senat eigentlich sein, wenn es diese Senats-PR-Profis nicht schaffen, die Regierungsriege in einem positiveren Licht erscheinen zu lassen? Aber wo nichts Positives ist, da müssen selbst Medienexperten kapitulieren!
Mir fällt dazu nur noch ein Zitat von Raymond Loewy ein: „Beiss nie in die Hand, die den Scheck unterschreibt!“
In Bremen fällt seit Jahren ein Muster auf: Wer über ein SPD-Parteibuch verfügt und politische Ambitionen mitbringt, scheint vergleichsweise gute Chancen auf einflussreiche Posten im öffentlich-rechtlichen Bereich zu haben. Ein besonders augenfälliges Beispiel ist Yvette Gerner, seit 2019 Intendantin von Radio Bremen.
Die Zahlen sprechen für sich: Für das Jahr 2023 erhielt Gerner ein Grundgehalt von 281.347 Euro, ergänzt um eine Aufwandsentschädigung von 12.000 Euro. Damit lag ihre Vergütung über der von Intendantinnen und Intendanten größerer ARD-Anstalten wie HR, MDR, rbb oder SR – und sogar über der des Leitungspostens bei der Deutschen Welle. Angesichts der überschaubaren Größe von Radio Bremen wirkt dies zumindest bemerkenswert.
Hinzu kommt die politische Dimension. Gerner ist nicht nur SPD-Mitglied, sondern trat bereits 2002 für die Sozialdemokraten bei der Oberbürgermeisterwahl in Speyer an. Sie erreichte rund 40 Prozent der Stimmen, unterlag jedoch dem damaligen CDU-Amtsinhaber Werner Schineller. Dass eine Kandidatin mit klar erkennbarer Parteizugehörigkeit und politischem Gestaltungswillen wenige Jahre später eine Schlüsselrolle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk übernimmt, wirft Fragen auf.
Die Aufgaben einer Intendanz sind sensibel und anspruchsvoll: Sicherung journalistischer Unabhängigkeit, Einhaltung des gesetzlichen Programmauftrags, Gesamtverantwortung für Budget und Personal. Genau deshalb sollte jede Form parteipolitischer Nähe besonders kritisch hinterfragt werden. Wie lässt sich die notwendige Distanz zu politischen Akteuren gewährleisten, wenn die Amtsinhaberin selbst tief in parteipolitischen Strukturen verwurzelt ist?
Dass solche Konstellationen im kleinräumigen Bremer Medien- und Politikbetrieb kaum auf Widerstand stoßen, ist Teil des Problems. Transparenz und öffentliche Debatte wären dringend nötig – nicht zuletzt, um das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sichern.
Ich möchte Ihre Auflistung noch ergänzen: Rainer Kahrs, Urgestein bei Buten un Binnen, wechselte 2021 von Radio Bremen zur damaligen Häfensenatorin Claudia Schilling. Ich hatte kurz vor seinem Wechsel mit ihm zu tun, da er den zweiten Buten un Binnen-Bericht zum Thema „Russenfriedhof“ gemacht hat. Ich hatte guten Kontakt zu ihm und versorgte ihn regelmäßig mit Infos, bis er mir etwa im Mai 2021 mitteilte, dass er demnächst als Pressesprecher ins Haus Schilling wechselt – zur Gegenseite, mit der wir als BI in Konflikt standen. Meines Wissens hat er keine vertraulichen Informationen missbraucht, brachte aber sein Wissen in die neue Tätigkeit ein. Er schied nach gut einem Jahr wieder aus dem Amt.
Dieser Fall verdeutlicht die strukturelle Problematik in Bremen: Die Stadt ist klein, der Pool an erfahrenen Journalisten, die für staatliche Pressestellen infrage kommen, begrenzt. Viele arbeiten freiberuflich oder projektbezogen und haben ein legitimes Interesse an beruflicher Absicherung, besonders mit zunehmendem Alter. Die Folge: journalistische Expertise fließt zwar in die Verwaltung, zugleich entstehen aber systematische Interessenkonflikte. Hinzu kommt, dass die Journalist:innen ihre alten Kontakte in die Medienhäuser, aus denen sie kommen, trefflich nutzen können, um aktuelle Berichterstattung subtil zu beeinflussen. In einem überschaubaren Medienmarkt wie Bremen kann das die Neutralität der Berichterstattung beeinträchtigen und das Vertrauen in Medien und Pressestellen schwächen – unabhängig von individueller Integrität. Gut tut unserem überschaubaren Gemeinwesen das mit Sicherheit nicht!