Dokumentation: Dr. Angelina Sörgel über das Buch „Mit Russland – für einen Politikwechsel“
Liebe Leserschaft, Dr. Angelina Sörgel, Sozialdemokratin und ehemalige Referatsleiterin im Bremer Rathaus, hat mir nach der Veranstaltung am Freitag spontan ihre Rezension des offenbar umstrittenen Buches „Mit Russland – für einen Politikwechsel“ zugesandt. Ich dokumentiere den Text – in Erwartungen unterschiedlicher Reaktionen darauf. Das Buch stammt von Dr. Stefan Luft, Jan Opielka und Dr. Jürgen Wendler mit einem Vorwort des ehemaligen EU-Kommissars Günter Verheugen. Das Buch ist im Westend Verlag erschienen, ISBN 978-3-98791-330-3, umfasst 315 Seiten.
Doku Anfang:
„Mit Russland“ – ein mutiger Titel in Deutschland 2025! Er ruft die Entspannungspolitik von Willy Brandt und Egon Bahr in Erinnerung: “Frieden, Stabilität und Sicherheit in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben…die von der SPD-Führung aufgegeben wurde: “… dieser Satz hat keinen Bestand mehr. Heute geht es darum, Sicherheit vor Russland zu organisieren.“ (Parteivorsitzender Lars Klingbeil am 19. Oktober 2022). Eine „Zeitenwende“ sei eingetreten.
Unter diesem Motto hat sich Deutschland, hat sich die EU in ihrer Ostpolitik völlig verrannt. Keine Chance, den Frieden in Europa zu erhalten, wurde ergriffen, nicht das Vertragsangebot von Russland Präsident Putin vom 17. Dezember 2021, nach Ausbruch des Krieges, nicht das Verhandlungsergebnis von Istanbul Ende März 2022, und jetzt, im Sommer 2025, werden die Schritte der USA, die Ukraine und Russland zu einem Friedensschluss zu bewegen, von der Mehrheit der EU-Staaten und Großbritannien boykottiert.
Stattdessen erleben wir eine nach 1945 beispiellose Militarisierung der deutschen Gesellschaft; unsere Regierung – CDU/CSU wie SPD – strebt, unter dem Beifall der Grünen und der Billigung durch die Linken, neben dem politischen einen militärischen Führungsanspruch in Europa an.
Günter Verheugen fasst diese Entwicklung in seinem Vorwort kurz und präzise zusammen. Zu Recht weist er daraufhin: „Man darf sicher sein, dass die Nachbarn und ehemaligen Opfer Deutschlands keinen Gefallen an einem hochgerüsteten Deutschland finden werden…“ (S. 15) und entwirft die machbare Alternative, „die Chance, sich von einem US-amerikanischen Erfüllungsgehilfen zu emanzipieren und sich als gleichberechtigter politischer Akteur zu Wort zu melden. Die EU könnte sich an die Spitze einer Bewegung setzen, die vollständige atomare Abrüstung und weitreichende konventionelle Rüstungskontrolle zum Ziel hätte.“ (S. 13)
Allein dieses Vorwort macht das Buch schon lesenswert!
Die drei Beiträge der Autoren entfalten und vertiefen dann das ganze Problem, widerlegen den „Wirklichkeitsverlust“ des Mainstream in der Beurteilung des Krieges und dessen Aussichten und klagen den Robespierrschen Tugendterror von Politik und Medien an, dem Andersdenkende zum Opfer fallen.
Jürgen Wendler setzt sich unter dem Titel „Der Westen am Scheideweg“ mit dem Anspruch und der Wirklichkeit der „westlichen Werte“ auseinander und beleuchtet in einem weit geschlagenen Bogen deren historische Entwicklung, ihre Durchsetzung und ihren drohenden Zerfall. Er sieht das geistige Fundament der westlichen Welt – liberales Staatsverständnis, demokratische Bürgerrechte und technologische Überlegenheit – am Schwinden (S. 116). Vor diesem Hintergrund schildert er ausführlich die Entstehung dieses Krieges, dessen Ausgangspunkt in Wahrheit der Hegemonialanspruch der Vereinigten Staaten von Amerika ist. Wendler zeichnet den Weg von der UN Charta 1945 zur KSZE Schlussakte 1975 über die Charta von Paris 1990 bis zur OSZE 2010 als einen immer weitergehenden Niedergang des Willens zum Frieden auf westlicher Seite. Der „Kampf gegen den Terror“, die „humanitären Interventionen“, die offensichtlichen Doppelstandards, die der Westen an das Völkerrecht anlegt, begleiten die Osterweiterung der NATO – alles Faktoren, die nicht nur das Sicherheitsgefühl, auch den Sicherheitsanspruch Russlands verletzen. Eine Rückkehr zur UN Charta ist es, was er anmahnt.
Stefan Luft stellt unter dem sarkastischen Titel „Die Heimatfront steht“ das ‚Grünbuch zur Zivilmilitärischen Zusammenarbeit 4.0‘ „Operationsplan Deutschland“ dar und arbeitet gründlich und genau die – erschreckend gleichen – Positionen der politischen „Parteien der Mitte“, der Medien und der Kirchen heraus.
Im „Grünbuch“ geht es um den umfassenden Umbau der deutschen Gesellschaft, um auf den Kriegsfall vorbereitet zu sein. Die Palette reicht von Feuerwehr und Polizei bis hin zum Sportunterricht, zur angedachten „Kita im Bunker“ und der Umwidmung von Krankenhäusern. Es dient genauso auch dazu, immer neue Bedrohungsnarrative zu verbreiten, die sich in den Köpfen der Menschen festsetzen sollen (S. 139ff.).
Die politischen Akteure stehen samt und sonders hinter dem Kriegskurs. Unter den Parteien sind sich bis auf das BSW, die AfD und – inzwischen nur noch teilweise – die Partei Die Linken alle über einen aggressiven Kriegskurs einig. Vorneweg die Grünen, dicht gefolgt von der CDU/CSU, die aber in sich widersprüchlicher auftritt und der programmatisch so gewandelten SPD, die von der Friedens- zur Kriegspartei geworden ist.
Luft beklagt den „Ungeist des Fanatismus“, der sich darin spiegelt, schildert die „Dolchstoßlegende neuen Typs“ (nicht ausreichend Waffen für die Ukraine) und die wirklichen „fake news“, nämlich über russische Sabotageakte, durch eine gleichgeschaltete Presselandschaft. Sie wird begleitet von Veröffentlichungsverboten von Sendern und Publikationen, die dem mündigen Bürger eine andere Sicht auf die Dinge erlauben würden.
Auch die Kirchen stehen „In Treue fest“ an der Seite der Kriegsbefürworter; den Gewerkschaften attestiert er, sie seien zwar programmatisch auf Friedenskurs, jedoch es fehlen die Taten!
Abgerundet wird der Beitrag durch die Frage nach den Kosten; die von ihm gesehene Gefahr, dass fast die Hälfte des Bundeshaushalts für Rüstungsausgaben verschwendet werden soll, hat sich inzwischen bestätigt. Es fehlt auch nicht der Hinweis, dass im kommenden Jahr durch die USA weitreichende Waffensysteme modernsten Typs auf deutschem Boden installiert werden sollen.
Warum regt sich kein Widerstand? Diese Frage kann Stefan Luft, kann keiner der Buchbeiträge beantworten. Es ist doch eine Mehrheit, die sich ein Ende des Krieges wünscht. Stefan Luft zieht eine Analogie zum „Zauberberg“, Thomas Manns Roman vor dem 1. Weltkrieg: „Während sich Europa in eine der beiden größten Katastrophen des 20. Jahrhunderts hineinbewegt, bleibt das Leben im schweizerischen Davos weitgehend unberührt.“ (192), die Akteure des Romans verharren in ihrer abgeschlossenen Welt. Er attestiert unseren Politikern, unserer Presse, der deutschen Gesellschaft einen totalen und verhängnisvollen Realitätsverlust.
Jan Opielka weckt mit seinem Beitrag „Mittelosteuropa: Brücke oder Festung?“ Verständnis für die Westbindung Polens und der Mittelosteuropäischen Länder (MOE), für die gewollte Abhängigkeit von den USA und der EU, in die sie sich aufgrund der Erfahrungen in ihrer wechselvollen Geschichte begeben haben. Er erinnert an die Ausgangssituation der Wende, daran, dass die Sowjetunion ihre Truppen vollständig aus den früheren Ostblockstaaten und den westlichen Militärbezirken der UdSSR abgezogen hatte, den Warschauer Pakt aufgelöst, dem Beitritt der ehemaligen DDR zur NATO zugestimmt hatte. All das hätte zu einer neuen stabilen Sicherheitsstruktur für Europa unter Einbezug Russlands führen können. Vertreter der Mittelosteuropäischen Länder MOE, z.B. Vaclav Havel, auch de Maziere, sprachen sich damals für ein neutrales Deutschland, die Auflösung beider Militärbündnisse und einen Abzug aller ausländischen Truppen aus Europa aus (S. 226ff.). Verpasste Chancen: Stattdessen setzte sich vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen mit der Sowjetunion, auch mit dem zaristischem Russland, der immer wieder aufflackernden Angst, als Nationalstaat von der Landkarte gelöscht zu werden, und der Durchsetzung der Neokonservativen (Neocons) in den USA die Bindung an den Westen, der Eintritt der MOE in die NATO durch.
Wendler sieht darin auch einen Verlust der eigenen nationalen Identität, die ebenfalls eine slawische Seite habe. Das führe zu einem anderen Herangehen an politische Fragen, das nicht allein von der Rationalität der Aufklärung, vom Glauben an das Recht, von der Bindung an Verträge, sondern genauso von einem „wirkmächtigen Ehrenkodex“ getragen sei. Aus westeuropäischer Sicht führt das zu einer gewissen politischen Naivität, von der auch Gorbatschow seinerzeit getragen war.
Er verbindet diese verständnisvollen historischen, kulturellen und ethischen Betrachtungen mit der Hoffnung, dass Polen und andere mittelosteuropäischen Länder sich zukünftig wieder auf ihr „vergessenes Erbe“ der eigenen Identität zwischen West- und Osteuropa besinnen werden. Und damit auf eine Plattform, die ihnen eine Mittlerrolle für ein friedliches Miteinander auf unserem Kontinent zuwiese.
Fazit: „Mit Russland“ ist kein Buch, dessen Lektüre den Leser fröhlicher stimmt. Aber es ist ein notwendiges Buch! Durch die Genauigkeit der Darstellung, durch die historischen Horizonte, die die Beiträge heraufbeschwören, bleibt man klüger und nachdenklicher zurück. Die verpassten Chancen einer friedlichen Entwicklung zu erkennen und in Erinnerung zu rufen, eröffnet auch die Perspektive, unsere heutige Politik anders und besser zu gestalten.“
Ende der Doku.
Liebe Leserinnen und Leser, diese Rezension wird vermutlich Widerspruch hervorrufen – oder Zustimmung. Sie sind zu Kommentaren eingeladen. Ich bitte Sie, dabei wie immer verbal nicht ausfallend zu werden. Herzlichen Dank.
Munter bleiben!
Ihr as
Endlich eine andere Sichtweise auf den Ukraine-Krieg! Auf Russland! Ich glaube auch, dass die Friedensmöglichkeiten nach Gorbatschow nicht genutzt worden sind. Wir waren dagegen im Siegestaumel, trunken von der „westlichen Überlegenheit“, die anderen in Russland lagen am Boden. Die Nato-Osterweiterung war ein Fehler. Das sah übrigens Helmut Schmidt so.
Ein Fehler übrigens auch, dass Putin nicht zur Trauerfeier Queen Elisabeth eingeladen wurde, wo sich alle Staatschefs der Welt trafen.Ein überflüssige Demütigung dieses nach Anerkennung ringenden Politikers. Diplomatie heißt nicht, sich gegenseitig zu verdammen, sondern zu kommunizieren.
Polen hat nie eine vergleichbare Mittlerrolle zwischen Ost und West eingenommen, wie es das inmitten Europas gelegene Deutschland unter der Flagge des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“ über Jahrhunderte hinweg getan hat. Es war ein Friedensreich, kannte an seinen Grenzen keine Feinde, der Kaiser verfügte über keine Armee und durfte nur im Falle eines Angriffes zu den Waffen rufen. Mit dieser bedeutenden und aus vordergründigen Motiven vergessen gemachten Tradition hat das von Bismarck mit Blut und Eisen errichtete preußisch-kleindeutsche Kaiserreich bewusst gebrochen. Polen und Frankreich wurden zu „Erbfeinden“, auch die Dänen waren davon betroffen, und die Schweizer fingen an, sich in Acht zu nehmen. Das Hohenzollernreich mauserte sich in wenigen Jahrzehnten zur stärksten Militärmacht auf dem europäischen Kontinent (was Kanzler Merz erneut anstrebt!), begann eine „Weltpolitik ohne Weltgewissen“ (F. W. Foerster.) und beschritt damit einen Weg, der in den Ersten und Zweiten Weltkrieg führte und der offenbar noch immer nicht an sein Ende gelangt ist. Darüber ging Deutschlands Rolle und Aufgabe als Mittler zwischen Ost und West, Nord und Süd vollends verloren – was nicht nur den Polen, sondern auch den Deutschen selbst zum Schaden gereichte.
Diverse Zeitgenossen haben das vorausgesehen. So hielt – um nur eine der prophetisch anmutenden Stimmen zu nennen – der britische Oppositionsführer und Politiker Benjamin Disraeli nach dem Sieg Deutschlands über Frankreich 1871 in einer Parlamentsrede fest:
„Dieser Krieg stellt die deutsche Revolution dar, ein größeres Ereignis als die Französische Revolution … Ihre sozialen Folgen [die der „deutschen Revolution“] werden sich erst in der Zukunft zeigen. Doch nicht eins der Prinzipien, die noch vor sechs Monaten von allen Staatsmännern als Richtschnur bei der Führung unserer außenpolitischen Geschäfte anerkannt wurden, hat heute mehr Gültigkeit. Da ist keine diplomatische Tradition mehr, die nicht hinweggefegt worden wäre. Sie haben eine neue Welt [geschaffen], da sind neue Einflüsse am Werk, neue und unbekannte Gegenstände und Gefahren, mit denen jetzt zu rechnen ist … Das Gleichgewicht der Mächte ist gänzlich zerstört.“ Und selbst der deutschfreundliche Sir Robert Morier, der sich des großen Wendepunktes nicht nur der deutschen, sondern auch der europäischen Geschichte erfreute, fürchtete, dass die „einzigartigen Erfolge und die absolute Macht, welche die deutsche Nation über Europa“ errungen habe, ‚den deutschen Nationalcharakter ändern möchte und nicht notwendig zum Besseren.“ Er glaubte, vorhersagen zu müssen: „Arroganz und Anmaßung sind die Eigenschaften, welche unter solchen Umständen von [den Deutschen] wahrscheinlich ausgebildet werden.“ Wer mehr darüber wissen möchte, kann das in dem gerade erschienenen Beitrag über die „Bedeutung und Aktualität Friedrich Wilhelm Foersters“ nachlesen unter: https://begegnung-online.de/online-ausgaben/501-bug204-hitlers-staatsfeind-nr-1 – Dort auch zumindest eine indirekte Antwort darauf, warum die Deutschen heute nicht en masse auf die Straße gehen.
Helmut Donat, Bremen
Eigentlich wollte ich diesmal keinen Kommentar schreiben, aber das Frohlocken über “ endlich eine andere Sichtweise auf den Ukrainekrieg!“ benötigt eine Betrachtung der aktuellen Faktenlage jenseits einer rein geschichtlichen Herleitung, die heute allein nicht mehr trägt,
Die Ostpolitik Brandts und Egon Bars, sowie die „Männerfreundschaft“ zwischen Helmut Kohl und Michail Gorbatschow haben seinerzeit den Weg für die Wiedervereinigung Deutschlands geebnet. Eine Energiepolitik der deutschen Wirtschaft mit tatkräftiger Unterstützung insbesondere von SPD- aber auch nachfolgenden Koalitionsregierungen nach Schröder (Billige Energie aus ÖL und Gaslieferungen aus Russland = Pipelines hierunter auch Nordstream I und II etc.) haben uns nicht nur zu jahrelangen Exportweltmeistern gekürt, sondern uns zugleich auch in eine sehr einseitige, von vielen europäischen Partnerländern kritisierte, massive Energieabhängigkeit gegenüber Russland gebracht. Diese kulminierte in der Folge im November 2021 zu fast entleerten Energie-speichern, deren staatliche Vorsorgeverpflichtung wir auch noch (unverständlicherweise) an das russische Staatsunternehmen Gazprom (!) delegiert hatten.
Spätestens seit der 43. Münchener Sicherheitskonferenz im Februar des Jahres 2007, wo in der Rede W. Putin “ er: „aufgrund der gewachsenen Rolle Russlands auf der Weltbühne Anspruch auf Mitsprache und den Status einer Weltmacht erhebe“ war klar geworden was bevorstehen könnte., Sein Sprecher Peskow nannte diese Rede explizit einen „Alarmruf“.
Diesem Alarmruf folgte 2014 dann (völlig unerwartet und vom Westen unbeantwortet) die militärische Eroberung der Krim, die hybrid-paramilitärische Besetzung der Oblaste Donezk und Luhansk und ab 2022 ein Angriffskrieg gegen das gesamte Staatsgebiet der Ukraine, der blutig und, entgegen aller von Russland unterzeichneten internationalen Abkommen, menschenverachtend – auch gegenüber der eigenen Bevölkerung – geführt wird. Sämtliche diplomatischen Bemühungen vor Ausbruch des Krieges aber auch mehrfach bis zuletzt während seines Verlaufes waren ohne greifbaren Erfolg. Im Gegenteil: es deutet derzeit Nichts auf eine Bereitschaft Putins hin, diesen Krieg zu beenden.
Bei dieser kurzen Skizze- die durch viele, namhafte Autoren und Experten so vorgetragen und untermauert wird, erscheint eine Buch-Rezension (wie oben) nach ihrem Inhalt zwar sehr diskussionswürdig, zugleich aber romantisch-euphemistisch, in ihrer einseitig diplomatischen Friedens-Ausrichtung in Anbetracht der erklärten russischen geopolitischen Zielsetzungen: bestenfalls naiv, und in ihrem zeitlichen Bezug zudem erheblich verspätet und ergänzungswürdig..
Die zunehmenden hybriden Zwangs-Maßnahmen gegen den Westen (zerstörte Unterseekabel /Pipelines/Hackerangriffe auf westliche , gerade zivile Infrastrukturen/massiv gesteigerte Luftraumverletzungen/Droneneinflüge weit ins Staatsgebiet Polens/diverse Sabotageaktionen nicht nur gegen militärische Infrastrukturen wie Kasernen, Bahnanlagen etc./massiv gesteigerte Spionageaktivitäten/Wahlmanipulationen (Rumänien/Georgien/Moldau) /Parteispenden an europäisch populistische Parteien/ Wirtschaftssabotage (Wirecard) etc.) und politische Morde (bspw. Litwinenko/Skripal/Navalny u.v.a.m.) sind ein fortdauernder Beweis für die einseitig auf Expansion ausgerichtete militär-politische Zielsetzung, die ohne jede Rücksicht geplant wurde und weiterhin durchgeführt und soweit feststellbar auch stringent verfolgt wird. Wer hier immer noch der russischen Staatsführung nur „Phantomschmerzen“ über den Machtverlust unter Gorbatschow, „gekränkte Eitelkeiten“ einer ehemaligen Weltmacht als Triebfeder der jetzigen aggressiven und Menschen verachtenden Geopolitik unterstellt, sollte einen vertieften Blick in die ZDF-Mediathek werfen und sich dort die sorgfältig recherchierte Staffel „Der Pate von St. Petersburg“ mit deutlichem Erkenntnisgewinn über Putins Motivation und seiner Hintermänner ansehen. Hier einen Funken von ehrlichem Interesse an Mäßigung und Friedensverhandlungen entdecken zu wollen, grenzt eher an Harry Potters Zauberstab als an kritischen Realismus.
Eine kurze Replik an Dr. Wewerka:
Ich lese die Rede Putins vom 10.02.2007 auf der Münchener Sicherheitskonferenz eher als ein Plädoyer für eine multipolare Welt. Er begründet das mit dem ökonomischen Potenzial der BRIC-Staaten – Brasilien, Russland, Indien und China, – , deren BIP das der EU bereits übertrifft und zieht daraus die Folgerung: „Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass das ökonomische Potenzial der neuen Zentren des wirtschaftlichen Wachstums unweigerlich in politischen Einfluss umgemünzt werden und die Multipolarität stärken wird.“ Und er führt weiter aus: „Es ist wohlbekannt, dass die internationale Sicherheit viel mehr beinhaltet als die mit militärischer und politischer Stabilität zusammenhängenden Fragen. Sie schließt die Stabilität der Weltwirtschaft, die Überwindung der Armut, wirtschaftliche Sicherheit und die Entwicklung eines Dialogs zwischen den Kulturen ein.“
Nun mag man derartige Aussagen als ideologisches Blendwerk betrachten, so ergibt sich doch die Frage, mit welchen Mitteln Putin die unterstellte Expansion Russlands denn durchsetzen wollte. Seit 3 1/2 Jahren führt Putin Krieg in der Ukraine und hat gerade mal 20% des Territoriums der Ukraine erobert. Ein russischer Sieg im Ukrainekrieg ist nicht absehbar. Und da soll er Appetit auf mehr haben? Die NATO ist Russland hinsichtlich der Rüstungsausgaben um das 10fache überlegen, ebenfalls besteht auf konventionellem Gebiet eine Überlegenheit bei fast allen Waffengattungen. Russland hat 145 Millionen Einwohner, EU und europäische Natoländer zusammen rund 400 Millionen, die USA 330 Millionen. Dazu das entsprechende ökonomische Potenzial, das dem russischen mehrfach überlegen ist. Schweden und Finnland sind der Nato neu beigetreten.
Würde Russland nicht militärisch von Nordkorea und dem Iran unterstützt und ökonomisch von China und Indien, wäre seine Wirtschaft und damit seine Rüstungsproduktion schon längst zusammengebrochen. Fazit: Ein Bedrohung für die Nato stellt Russland nun wirklich nicht dar, selbst wenn Putin es wollte.
Stellt sich die Frage: Warum dann die Aufrüstungspropaganda von Regierung und Medien? Ich weiß keine Antwort, es ist irrational. Vielleicht haben wichtige Entscheidungsträger ein Portfolio der Rüstungsindustrie, vielleicht wollen sie Russland durch Drohgebärden (Wettrüsten) in die Knie zwingen, vielleicht wollen sie es im Zweifel auch krachen lassen. Wir sollten nicht vergessen, dass unsere lieben Parteipolitiker zweimal im Rahmen der Nato Krieg geführt haben, 1999 gegen Serbien und 2001 gegen Afghanistan. So friedliebend sind sie nun auch wieder nicht. Das wird auch Putin beeinflusst haben. Seinen Angriff vom 24.02.2022 bedauere ich zutiefst, weil Huinderttausende umgekommen und verwundet worden sind und Millionen ihre Heimat verloren haben, und weil die Rüstungslobbyisten in Politik, Wirtschaft und Presse nun ein leichtes Spiel haben.
Gruß
Walter Ruffler