Sechs wichtige Argumente gegen die Ausbildungsabgabe, Herr Bürgermeister

23.09.2025 7 Von Axel Schuller

„Herr, lass Hirn regnen“, heißt es manchmal etwas abgehoben. Im Fall der Ausbildungs-Zwangsabgabe hofft man, dass Politiker sich eindeutigen Erkenntnissen nicht länger verschließen; wie beispielsweise Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD). Beim Empfang der Handelskammer wurde er jüngst vor 500 Gästen auf offener Bühne erneut wegen des Ausbildungsfonds angegangen. Dennoch wiederholte er anschließend sein Mantra der angeblich ungerecht verteilten Ausbildungslasten. Herr, erweitere bitte des Bürgermeisters Horizont…

Keine Bange, heute wird’s nicht religiös; bin ich der falsche Typ für. Aber: Politiker nehmen Fakten auf, ziehen Schlüsse daraus – und erstarren dann geistig. In dieser Gefahr befinden sich speziell Politiker mit ausgeprägtem Gerechtigkeits-Syndrom. Nehmen wir die Ausbildungsabgabe

Getrieben von Bremer DGB, Sozialismus-verträumten Linken und ebensolchen Sozis (speziell Jusos) hat sich der Ideologie-gestählte Bürgermeister an die Spitze der Bewegung gesetzt

Die gedankliche Grundlage des Ausbildungsfonds

Während viele Handwerksbetriebe – gemessen an der Beschäftigtenzahl – 8 und 10 Prozent Auszubildende aufnehmen, kommen Industrie und große Dienstleister im Schnitt eher auf 3 bis 4 Prozent. Ein paar „drücken“ sich vor der Ausbildungsarbeit; locken später beispielsweise Bäcker- und Friseurgesellen mit attraktiven Löhnen in ihre Betriebe.

Bremer Politiker lassen bei dieser Sichtweise jedoch mehrere Fakten außen vor.

Erstens

Eine gedankliche Forderung, wie etwa: 8 Prozent der Beschäftigten müssen als Azubis angeheuert werden, lässt den sogenannten Skaleneffekt außer Acht.

Das bedeutet: Eine Bäckerei-Chefin wie Lene Knoll in Bremen-Nord mit 100 Beschäftigten kann – wie sie es vorbildlich tut – 8 junge Leute ausbilden. Ein Großbetrieb mit 10.000 Mitarbeitern müsste bei Anwendung der gleichen Quote 800 Jugendlichen einen Ausbildungsplatz anbieten.

Zur Anschauung: Das Bremer Mercedes-Werk verfügt bei rund 11.000 Beschäftigten über etwa 400 Azubis – nach „Quote“ müssten es 880 sein.

So viele Lehrlinge auf einmal an Berufe heranzuführen, ist selbst für Großunternehmen undenkbar. Das gleiche gilt übrigens für große Ausbildungsbetriebe wie die BLG, Airbus, ArcelorMittal etc.

Zweitens

Firmen mit einem Großteil industrieller Fertigung wie Bandarbeit bei Mercedes oder auch in Baufirmen (die zunehmend vorgefertigte Teile zusammenfügen) haben einen völlig anderen Ausbildungsbedarf als spezialisierte Handwerksbetriebe.

Drittens

Gerade Bremer Politiker fordern stets: „Gute Löhne für gute Arbeit.“ Klingt gut. Hat aber auch Auswirkungen auf die Ausbildungsabgabe. Bezahlen Firmen ihre Fachpersonal sehr gut, steigert dies die „Bruttolohnsumme“. Die Höhe der fälligen Ausbildungsabgabe beträgt 0,27 Prozent der Bruttolöhne. Ergo: Wer Mitarbeiter besonders gut entlohnt, wird anschließend bei der Ausbildungsabgabe bestraft

Viertens

In nicht wenigen Familien mit Ebbe in der Haushaltskasse werden Söhne und Töchter nach Verlassen der Schule angehalten, sich endlich am Lebensunterhalt der Familien zu beteiligen. 2024 lag die durchschnittliche Ausbildungsvergütung laut Bundesinstitut für Berufsbildung bei 1.133 Euro brutto. Mit dem bundesweit geltenden Mindestlohn von 12,84 Euro kommt man bei einer 40-Stunden-Woche auf über 2.000 Euro. Dieser Zahlenvergleich kann über die Entscheidung zwischen Ausbildungs- und Hilfsarbeiterplatz entscheiden. Das ist zwar nicht sinnvoll, spielt aber in einigen Familien eine Rolle.

Fünftens:

Ein gewichtiges Argument gegen den Bremer Ausbildungsfonds liefert das Bremer Bildungswesen. 10 Prozent der „Schulabgänger“ erhalten aufgrund mangelhafter Leistungen keinen Bildungsabschluss. Und viele „mit offiziellem Abschlusszeugnis“ sind gleichwohl „nicht ausbildungsfähig“. Sie können nämlich nicht gut genug rechnen und schreiben. Dazu kommen immer wieder Unpünktlichkeit und mangelnde Arbeitsdisziplin am Ausbildungsplatz – wofür freilich die Eltern verantwortlich sind.

Viele Unternehmen wollen Lehrlinge anstellen, finden aber zu wenige, die sich für die angebotenen Ausbildungen in Industrie, Handwerk, Handel, Dienstleistungen etc. eignen. Da hilft den Firmen auch kein Ausbildungszuschuss pro Lehrling in Höhe von 2.250 Euro aus dem Fonds. Selbst die Stadt Bremen war bei der Azubi-Suche nicht erfolgreich genug. Sie muss nun fast eine halbe Million Euro mehr in den Ausbildungsfonds einzahlen als sie an Zuschüssen für ihre eigenen Auszubildenden herausbekommt.

Sechstens:

In der Sitzung der Arbeitsdeputation wurde am Dienstag bekannt, dass sich der Ausbildungfonds aktuell mit 300.000 Euro in den Miesen befindet. 400 Firmen klagen gegen die Abgabe-Bescheide. Außerdem, so war zu erfahren, müssten die immerhin 5 eigens für den Fonds eingestellten Mitarbeiter zahlreiche Bescheide „händisch“ kontrollieren.

Zur Erinnerung: Alle wesentlichen Bremer Kammern hatten von Beginn an vor einem Bürokratie-Monster gewarnt. Dieses tobt offenbar gerade laut brüllend durch die Arbeitsbehörde…

Zeit zum Umdenken und zur Kursänderung, Herr Bürgermeister! Beenden Sie diesen bundesweit einmaligen, untauglichen Versuch, Unternehmen zur Bereitstellung von Ausbildungsplätzen zu zwingen. Oder müssen erst Firmen, die auch andernorts ihr Geld verdienen können, aus dem Zwei-Städte-Staat flüchten? 

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Während der Recherche zu diesem Stück habe ich von einem Test erfahren, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Einige  Firmen erkunden Fingerfertigkeit und räumliche Vorstellung möglicher Bewerber mit dem „Drahttest“. Bedeutet: Biege einen Draht so, dass er ein Quadrat (4 gleich lange Seiten, jeweils 90-Grad-Winkel) oder ein gleichseitiges Dreieck ergibt. Die Ergebnisse sollen (leider) nicht immer überzeugen.