Von Irrungen, Wirrungen und Paradiesvögeln – haben wir noch „alle Latten am Zaun“?

01.10.2025 4 Von Axel Schuller

Zu einer Bundesgartenschau in Bremen wird’s nicht reichen. Dabei haben wir doch so viele seltene „Blüten“ zu bieten, dass man uns glatt den Titel „Bunteste Stadt“ oder „Stadt der Paradiesvögel“ verleihen könnte. Liebe Leserschaft, ich lade Sie heute ein, mit mir auf Bremer Irrungen, Wirrungen und auf so manchen „Paradiesvogel“ zu schauen. Seien Sie beherzt, begleiten Sie mich.

Ich gebe gerne zu, es fällt nicht ganz leicht, dieses „Bremer Wirrerlei“ zu priorisieren.

Erstens:

Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) ist so sehr in seine FreiKarte für Säuglinge bis 18-Jährige vernarrt, dass er der Bremischen Bürgerschaft ernsthaft vorschlägt, das entsprechende Gesetz (ja, so etwas gibt’s dafür) zu entfristen

Bedeutet: 2022 für die Jugend als Dank für die triste Corona-Zeit eingeführt, war das Gesetz bis Ende 2025 befristet. Der Senat (und die ihn tragende Regierungskoalition) haben mittlerweile beschlossen, die Freikarte auch 2026 und 2027 mit jeweils 60 Euro zu laden und zu verschenken. Statt das zugehörige Gesetz bis 31.12.2027 zu befristen, wird nunmehr gar keine Frist mehr genannt. 

So dürfen sich weiterhin 5 (!) Mitarbeiter im Rathaus mit dem FreiKarten-Thema beschäftigen. Bovenschultes Rathaus-Verwaltung spricht in diesem Zusammenhang überraschenderweise von einem „schlank organisierten Projektbüro“ in der Senatskanzlei. Mutig oder dreist – entscheiden Sie bitte selbst.

Seltsam, ich Naivling hatte bislang angenommen, dass die 5 ebenfalls neuen Stellen im Arbeitsressort für Einführung und Abwicklung der Ausbildungs-Zwangsabgabe eine üppige Ausstattung darstellten. So kann man sich beim Blick auf Bürokratie halt irren.

Zweitens:

Bleiben wir bei den „Paradiesvögeln“. Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf (Grüne) darf sich dieser Gattung ebenfalls zugehörig fühlen. Es geschieht vermutlich nicht ganz so häufig, dass gegen eine Senatsmitglied Anzeige wegen Untreue erstattet wird. Ein Bremer, bekennender Leser von bremensogesehen, hat mir die Kopie seiner an die Staatsanwaltschaft gerichteten Anzeige geschickt. Er ist der Meinung, Moosdorf veruntreue mit ihrer Begründungs-Rochade für den vorzeitigen Abschied ihrer Staatsrätin Irene Strebl offensichtlich staatlicher Gelder. 

Sie erinnern sich: Erst Lobgesang und Bedauern, dass Strebl gehen möchte – kurz darauf: kein Vertrauen mehr in die Stellvertreterin, die nun plötzlich gehen muss.

Sollte die Staatsanwalt ebenfalls eine Untreue erkennen, würde die Justiz auf dem Feld der Politiker-Verantwortlichkeit Neuland betreten.

Bis es soweit ist, muss sich Moosdorf zunächst am Donnerstag im Haushalts- und Finanzausschuss der Bürgerschaft drängenden Fragen – nicht nur aus Oppositionsreihen? – stellen. 

Drittens:

Hinter den Kulissen der Gesundheitspolitik geht es aktuell gar nicht paradiesisch zu. Gleichwohl gibt’s auch hier eine bremische Besonderheit: Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) muss nach Gesetz für alle Kliniken in Bremen und Bremerhaven stets ein gleich offenes Ohr haben. Dumm nur, dass Bernhard zugleich Aufsichtsratschefin des notleidenden kommunalen Klinikverbundes GeNo mit seinen (noch) vier Krankenhäusern ist. 

Diese Konstruktion lässt im Kreis der nicht-staatlichen Häuser (Diako, Joseph-Stift, Rote-Kreuz und Roland-Klinik) latent Futterneid aufkommen. Bernhards Behörde hatte jüngst in einer Deputationsvorlage ungeniert aufgeschrieben, dass die GeNo einen dicken Batzen vom sogenannten „Transformationsfondsauch für den Umzug vom Klinikum LdW zum Klinikum Mitte erhalten müsse. Ein vorauseilender Protest führte nur eine Stunde vor Sitzungsbeginn dazu, dass die Vorlage drastisch umgeschrieben wurde und Claudia Bernhard für ihre wohl doch zu voreilige Behörde um Entschuldigung bat.

Viertens:

Bremen hat aber noch heftigere Wirrungen zu bieten: Zum Beispiel eine Amtsrichterin, die echt Rätsel aufgibt: Steht die Frau innerlich vor Pastoren stramm? Oder hegt sie womöglich Sympathie fürs Kirchenasyl? Oder, auch das wäre nicht undenkbar, interpretiert sie das Recht auf ungestörte Nachtruhe auf recht eigenwillige Art?   

Der Fall: Ein Pastor in der Zions-Gemeinde hat in einer Dezember-Nacht anno 2024 in der Neustadt zwischen 2 Uhr 32 und 5 Uhr 35 Uhr insbesondere alte Leute mit stundenlangem Alarmgeläut verängstigt. Damit wollte er gegen den Polizei-Plan protestieren, einen Somalier aus dem „Kirchen-Asyl zu holen.  

Die Innenbehörde verpasste ihm darauf wegen ruhestörenden Lärms ein Bußgeld von 300 Euro – das er nun aber NICHT bezahlen muss.  Eine Amtsrichterin stellte nämlich das Verfahren nach § 47 Absatz 2 OWiG ein.

Besagter Paragraf bedeutet sinngemäß: Das Gericht kann das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft einstellen, wenn es eine Ahndung nicht für geboten hält.

Und weshalb ist des Pastors Tun angeblich nicht Bußgeld-fähig?

Die Richterin schreibt: „Nach Aktenlage wäre der Betroffene ohne die Einstellungsentscheidung voraussichtlich zu der im Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbuße verurteilt worden. (…) Der Betroffene hat sich ausweislich des Polizeiberichts selbst als Verantwortlicher der Kirchengemeinde gegenüber den Polizeibeamten ausgegeben und eingeräumt, dass er keinen Anlass sehe, dass das Glockengeläut eingestellt würde, im Gegenteil sehe er sich durch die Anwesenheit der Polizei dazu g e n ö t i g t, die Kirchenglocken weiter ertönen zu lassen.

In Momenten wie diesen, liebe Leserschaft, frage ich mich: Fördert unser Stadt-Klima solch besonders seltsame Blüten und Paradiesvögel oder: Haben wir in Bremen wirklich noch „alle Latten am Zaun“?

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Schreiben Sie gerne Ihre Sicht der Dinge ins Kommentarfeld – dann erfahren auch andere Leserinnen und Leser davon.