Bremen will beim Klima noch schneller als Hamburg sein – 350 Euro mehr Miete?

16.10.2025 12 Von Axel Schuller

Nach dem Hamburger Volksentscheid, bereits ab 2040 (statt 2045) kein CO2 mehr in die Luft zu pusten, dämmert selbst Grünen im Senat: Das wird teuer. Es wird – geschätzt – einen dreistelligen Milliarden-Betrag kosten, um alle Alt-Gebäude klimagerecht „einzupacken“ inklusive neuer Fenster und Heizungen. Plus: Alle Autos auf E-Antrieb umzustellen und einen allzeit verfügbaren lückenlosen ÖPNV anzubieten. Das reiche Hamburg (Geberland im Länderfinanzausgleich) bittet jetzt vorsorglich Bund und EU um Unterstützung. 

Und im hochverschuldeten Bremen? Hier, so frohlockt der Grüne Ralph Saxe, werde bereits 2038 die Klimaneutralität einkehren. Zur Erinnerung: In Bremen fällt es aktuell schwer, eine Million Euro aufzutreiben, um die Polizeireviere mit WLAN auszustatten…

Wie bitte? Bremen ist noch „fortschrittlicher“ als Hamburg. Hat Bremens Bevölkerung jemals darüber abgestimmt? Nein. Jedenfalls nicht direkt. Dazu später mehr.

In Hamburg macht sich allmählich Ernüchterung breit. Fritz Vahrenholt (76, SPD) und Ex-Umweltsenator, weist bspw. darauf hin, dass (umgerechnet) gerade mal 23 Prozent aller Hamburger Wahlberechtigten den radikalen Kurswechsel für alle 1,9 Millionen Einwohner durchgesetzt haben. Vahrenholt, noch als Aufsichtsrat des großen Kupferproduzenten Aurubis tätig, warnt eindringlich vor den Folgen eines absoluten CO2-Verbotes bereits ab 2040: „Deutschlands größte Industriestadt darf dann keine dieselbetriebenen Containerschiffe mehr in den Hafen lassen. Die Produktion von Aluminium, Kupfer und Stahl wird unmöglich. Raffinerien müssen stillgelegt werden.“

Vahrenholt zitiert außerdem die Prognose die Hamburger Wohnungswirtschaft: Wenn alle, insbesondere Bestandswohnungen, auf Null CO2 heruntergefahren würden, werde dies für Durchschnittswohnungen zu Mietsteigerungen von monatlich 350 Euro führen. 

Was den ehemaligen Umweltsenator besonders aufregt: Hamburg ist mit 0,001 Prozent an den weltweiten CO2-Emissionen beteiligt. (Deutschland mit maximal 2 Prozent, Europa mit 6,5 %). Werde Hamburg CO2-frei, ändere dies zwar am Weltklima herzlich wenig, schädige jedoch den Standort Hamburg wirtschaftlich massiv. Und das produzierende Gewerbe werde bloß in andere Länder mit weniger strengen Klimavorschriften umziehen.

Hamburgs Finanzsenator Dr. Andreas Dressel (SPD) beklagte nach dem Volksentscheid ebenfalls die relativ kleine Gruppe der Entscheider. Auffällig sei, dass Bewohner des Stadtkerns mit überdurchschnittlichen Einkommen in größerer Zahl für den um 5 Jahre vorgezogenen CO2-Stopp gestimmt hätten, während in den Außenbezirken mit vielen Normal- und Geringverdienern die Wahlbeteiligung extrem gering gewesen sei. 

Dressel weist die Erwartung der „Volksinitiative“ zurück, dass Hamburg die Kosten für das Fitmachen aller Wohnungen schultern könne. Und er beugt ferner generell vor:

„Wir nehmen die Herausforderung an, das beschlossene Gesetz nun umzusetzen – machbar und sozialverträglich. (…) Das neue Gesetz kann die Schuldenbremse nicht aushebeln. Anders als die Volksinitiative meint, sind die finanziellen Ressourcen für mehr und schnelleren Klimaschutz extrem eng begrenzt.“

Solch klare Wort hätte man sich 2022 vom damaligen Bremer Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne) gewünscht. Am 23. Februar 2022 nahm die Bremische Bürgerschaft den Bericht der Klima-Enquetekommission für das Land Bremen „zur Kenntnis“. Darin wird die Klimaneutralität für 2038 gefordert.

Bis heute merkwürdig: Die Bremer CDU hatte die Einsetzung der Klima-Enquete 2020 gefordert. Seinerzeit offenbar noch hoffend, die Grünen würden mit der Union im Jahr 2023 koalieren…

Bremens Senat hat den Bericht, über den weder Wähler bei der Bürgerschaftswahl noch in einem Volksentscheid abgestimmt haben, zur Richtschnur der Politik erhoben. Die Klimaneutralität bis 2038 soll auf mehreren Handlungsfeldern erreicht werden, wie etwa Verkehr, Gebäudesanierung und Stromerzeugung.

Der größte CO2-Emittent sind die Stahlwerke mit rund 4 Millionen Tonnen – was etwa der Hälfte des gesamten bremischen Ausstoßes ausmacht. 

Im Abschlussbericht der Enquetekommission wird die Abschaltung des ersten Hochofens bei ArcelorMittal für das Jahr 2026 als wichtiges Zwischenziel für die CO2-Freiheit benannt. Daraus wird bekanntlich nichts, weil Arcelor-Mittal die Umstellung auf „grünen Stahl“ (Wasserstoff statt Koks) mittlerweile auf unbestimmt Zeit verschoben hat.

Ralph Saxe äußerte in einer ersten Stellungnahme zum Hamburger Klimaentscheid: „Super: Mit 53,2 % verpflichten die Hamburger*innen den Senat zum Ziel 2040 für Klimaneutralität. In Bremen haben wir uns nach der Klimaenquete das Jahr 2038 als Ziel gesetzt. Ich habe aber berechtigte Zweifel, ob wir dies Ziel erreichen werden. Im Verkehrsbereich zum Beispiel sind wir zu gemächlich.“

Das wird schon deshalb aus meiner Sicht extrem schwierig, weil täglich 120.000 Menschen aus dem Umland nach Bremen zur Arbeit pendeln. Diese bis 2038 komplett auf Elektro-Autos, Fahrräder und einen klimaschonend fahrenden ÖPNV umzustellen… 

Liebe Leserinnen und Leser, wie schätzen Sie das ein? Schreiben Sie mir gerne Ihren Kommentar zum Thema Klima und CO2-Neutralität.

Noch ein Wort zum Volksentscheid in Hamburg mit seinem niedrig erscheinenden Quorum von 20 Prozent Wahlbeteiligung. 

Was viele nicht wissen: In Bremen gelten vergleichbar niedrige Hürden, wobei hier am Ende – laut der Initiative „Mehr Demokratie“ – ein Gesetz nur dann erlassen wird, wenn sich bei der Volksabstimmung eine Mehrheit dafür ausgesprochen hat. Und die Summe der Ja-Stimmen mindestens 20 Prozent aller Wahlberechtigten beträgt.

Munter bleiben!

Herzlichst 

Ihr Axel Schuller