Hammer-Woche: Mäurer steht / Aulepp leidet / Freikarte / Rennbahn / Vorschule / Ausflüchte
Was war das für eine Woche! Zwei Senatsmitglieder machen die Biege. Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt bringt die Ex-Rennbahn mutig für Wohnbebauung ins Gespräch. Das klamme Bremen hält an der Freikarte für 0- bis 18-Jährige fest. Die rot-grün-rote Koalition lehnt erneut eine Art Vorschule für Nicht-Deutsch-Sprechende ab. Dieselben Politiker halten stur am Ausbildungsfonds fest. Und eine Staatsrätin drückte sich im Parlament um Auskünfte.
Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte wollte mit einer Regierungsumbildung Führungsstärke beweisen – und landete schmerzvoll auf dem Bauch. Innensenator Ulrich Mäurer (74) hat in den vergangenen Jahren viel von Grünen, Linken und „seiner“ SPD einstecken müssen. Seine Akzente für mehr Sicherheit musste er häufig gegen koalitionsinterne Oppositionskräfte durchboxen. Beim Kirchenasyl und seiner vernünftig abwartenden Haltung einem AfD-Verbot gegenüber, bezog er koalitionäre Dresche. Seine Polizisten darf er immer noch nicht mit Elektro-Schock-Tasern ausrüsten.
Mäurer, dem es trotz alledem nicht an Selbstwertgefühl mangelt, wollte sich aber offensichtlich nicht für Bovenschultes Schauspiel eines „großen“ Regierungsumbaues hergeben. Schließlich ist er in der Bevölkerung angesehen und beliebt. Als er Wind von Bovenschultes Manöver bekam, zusammen mit der „Loserin“ Bildungssenatorin Sascha Aulepp abgelöst zu werden, machte er sein eigenes Ding – und kündigte kurzerhand selbst am vorigen Sonntag seinen Rückzug zum Jahresende an.
Aulepp war erst am Freitag durch die öffentlichen Debatten über sie weichgekocht und erklärte ebenfalls ihren Rückzug. Zuvor hatte sie noch die Änderung des Kindergartengesetzes (Öffnung für Betreuer ohne Spezialausbildung) hinbekommen.
Mein Eindruck: Aulepp ist nicht am Fachkräftemangel in Schulen und Kitas gescheitert. Sondern an ihren teilweise unwirklich anmutenden Führungsmethoden – indem sie selbst fundierte Einwände von wichtigen Mitarbeitern im eigenen Laden einfach bei Seite wischte. Am ärgsten hat sie am Ende aber getroffen, dass sich ihr alter Uni-Kumpel Bovenschulte während der öffentlichen Debatte über sie schweigend aus dem Staub machte und: Dass ihre („meine“) Gewerkschaft Verdi sie regelrecht bekämpfte. Ein Zeugnis davon liefert ein Kurzinterview von ButenunBinnen mit der scheidenden Senatorin. Wenn man sich dies anschaut, kann man fast Mitleid mit der Politikerin empfinden.
Fazit: Andreas Bovenschulte wirkte diese Woche eher wie ein Bürgermeister von Weyhe, weniger wie ein Ministerpräsident. Zu lange ließ er das Karussell um Rücktritte und Nachfolger unkommentiert.
Was noch so los war in dieser wilden Woche.
Freikarte:
Ach ja, unser Bürgermeister. Geldausgeben mag er gern. Gegen jede Vernunft und gegen mahnende Stimmen selbst von den mitregierenden Grünen paukte er die Fortsetzung der Freikarte (60 Euro) für 0- bis 18-Jährige bis Ende 2027 durch. Egal, ob reich oder arm. Gleichzeitig muss die Bremerhavener Tafel wegen Geldmangels schließen. Kann mir mal einer sagen, wie das zusammenpasst?
Rennbahn-Bebauung:
Die abgelaufene Woche hatte auch ein Highlight zu bieten. Die linke Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt preschte – selbst für „ihre“ Koalition überraschend – in der Bürgerschaft mutig mit der Aussage vor, man müsse sich endlich mit einer Teilbebauung der Rennbahn in der Vahr beschäftigen. „Wir haben Wohnraummangel, und gut verdienende Facharbeiter ziehen ins Umland. Wir haben ein finanzielles und ein soziales Interesse, dass die hier wohnen bleiben.“
Donnerwetter!
CDU, FDP und BD und Grüne erinnerten reflexartig an den Volksentscheid von 2019 gegen eine Wohnbebauung. Sahen die Demokratie in Gefahr.
Aber: Der damals zum Volksentscheid vorliegende Text war ziemlich verwirrend. Ein „Ja“ zur Bebauung erforderte bei der Abstimmung ein „Nein“…
Radio Bremen führte Donnerstag fix eine – nicht repräsentative – Spontan-Umfrage durch. Ergebnis: Immerhin 61 Prozent stehen hinter Vogts Anregung, auf der Rennbahn Wohnungen und Häuschen zu bauen. 2019 hatten 56 Prozent für den Erhalt als Grünfläche votiert.
Wie wäre es denn, jetzt schon mal eine Bebauung vorzubereiten und das Wahlvolk 2027 erneut abstimmen zu lassen – mit einer für die Allgemeinheit verständlichen Formulierung: Rennbahn für den Wohnungsbau nutzen – Ja oder Nein.
Vorschulunterricht:
Unfassbar war diese Woche auch die erneute Ignoranz von Rot-Grün-Rot beim Thema Förderung von Nicht-/Schlecht-Deutsch-Sprechenden Kindern vor der Einschulung. Nach dem gescheiterten Versuch der CDU, wieder Vorschulklassen einzuführen, schlug die Union hilfsweise ein verpflichtendes Kindergartenjahr für die deutlich benachteiligten Kinder vor. In Bremen sind dies angeblich bis zu 2.500. Aber nein, Rot-Grün-Rot behauptete erneut: Brauchen wir nicht. Haben wir schon. Mit dem wesentlichen Unterschied, dass aktuell die Teilnahme an dem Vorbereitungsjahr in der Kita total freiwillig ist. Außerdem sind diese 12 Monate keineswegs darauf ausgerichtet, die Kinder für einen Schulbesuch fit zu machen. Zyniker würden jetzt vermutlich sagen: So sichert man seinen letzten Platz im Bundes-Bildungsranking.
Wahrheits-Probe:
Zum Schluss etwas fast Skurriles: Sozial- und Arbeitssenatorin Dr. Claudia Schilling (SPD) hat sich von ihrer Arbeits-Staatsrätin, Karin Treu, wegen „Verlust des Vertrauens“ getrennt. Aber irgendwie nicht ganz. Treu darf nämlich bei der staatlichen Ausbildungsgesellschaft Bremen und Bremerhaven (AbiG) wirken. Die CDU wollte in der Bürgerschaft mehr zum „Warum“ und „Wie“ erfahren. Schilling schickte ihre Sozial-Staatsrätin Kirsten Kreuzer in die Bürgerschaft. Je intensiver sich die Union nach den Umständen und nach Treus jetziger Bezahlung erkundigte, um so schmallippiger wurde Kreuzer. Mal verwies sie auf den Datenschutz, mal erklärte sie, dazu könne sie nichts sagen, weil es nicht ihr Arbeitsbereich sei. Bin mal gespannt, ob die Schwarzen der Sozialstaatsrätin (vllt. mittels Akteneinsicht) doch noch einen Wissensstand zu Treus Abdanken nachweisen können.
Liebe Leserschaft, die abgelaufene Woche war wirklich eine Ansammlung vieler politischer Ereignisse. Ich hoffe, ich konnte Sie ein wenig bei Einordnung der Geschehnisse unterstützen.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Bovenschulte hatte noch nie die Klasse und Reifen eines MP(Ministerpräsidenten)….
er ist nie über den Status eines Dorfbürgermeisters hinaus gekommen….
da hilft ihm auch sein in Coronazeiten überregional positiv aufgenommens Auftreten nicht….
wie war das nochmal mit dem blinden Huhn und dem Korn…
Danke für die Zusammenfassung.
Sie läßt mich sprachlos zurück.
Diese Woche hat gezeigt: Bürgermeister Bovenschulte ist mit seinem Modell am Ende. Finanziell, personell und inhaltlich läuft nichts mehr rund. Selbst die kleinsten Dinge bekommt er nicht mehr geregelt. Klar ist: Die Probleme dieser Koalition haben nicht nur mit den Linken oder Grünen zu tun – das ist ein rein sozialdemokratisches Versagen.
Bovenschulte ist daran gescheitert, den Schritt vom linken Landesvorsitzenden und Kommunalpolitiker hin zum Landesvater zu vollziehen. Henning Scherf hat diesen Weg 1995 erfolgreich bestritten, indem er den Mut hatte, auch unpopuläre Entscheidungen im Interesse Bremens zu treffen. Bovenschulte hingegen hat es nie gewagt, sozialpolitisch und wirtschaftspolitisch die richtigen Weichen zu stellen und die Wirtschaft als Partner zu sehen, statt als Gegner.
In der Bildungspolitik unter dem Motte: Stets bemüht, so lahm wie verbohrt, die sich seit Jahrzehnten wiederholt, ohne Einsicht, dass es so nicht weitergeht. Nachwuchs aus den eigenen Reihen scheint nicht in Sicht, sondern lieber zweitklassige Importe. Mit der Bundestagswahl hätte er die Chance gehabt, einen Aufbruch zu wagen – doch auch die hat er verstreichen lassen.
Nun quält sich die Koalition noch zwei Jahre weiter, und es ist absehbar, dass am Ende die AfD 2027 von diesem Niedergang profitieren wird.
„In Hamburg gilt: Für Kinder, bei denen im Rahmen des Vorstellungsverfahrens für Viereinhalbjährige ein „ausgeprägter“ bzw. „besonders ausgeprägter“ Sprachförderbedarf ermittelt wurde, ist ein Besuch der VSK vor der Einschulung verpflichtend.“ (Quelle: Google)
Es ist bezeichnend für die Bremer Sozialdemokratie, dass sie sogar zu d***** ist, von den eigenen Genossen an der Elbe zu lernen. Eine einzigartige Mischung aus Arroganz und Unbelehrbarkeit. Und dann sind ihre Parlamentarier in der Bremer Bürgerschaft auch noch teurer als ihre Pendants in Hamburg!
Zur Freikarte
Meine wesentliche Kritik an der Freizeit-Freikarte für Jugendliche ist die Förderung einer allumfassenden Versorgungsmentalität durch den Staat. Besser ist es, selber einen taschengeldfördernden Gelegenheitsjob zu suchen und zu finden, also kleine Dienstleitungen anzubieten, um über einige Euros für den Freimarktsbesuch etc. verfügen zu können. Das ist keine systematische Kinderarbeit, sondern Eigeninitiative, statt auf „Vater Staat“ zu hoffen, der immer alles regeln soll.
Einst war das üblich und steigerte zugleich das Selbstwertgefühl und die Erfahrungen der Jugendlichen. Wir lernten wie es im Leben zugeht, was möglich ist, wenn man sich kreativ bemüht, selber etwas Geld zu verdienen.
Heutzutage sind Wohlmeindende zugegen, die den Jugendlichen solche Erfahrungen verwehren und den Wohlfahrtsstaat insgeheim karikieren, denn wenn fast alles und jede/r irgendwie staatlich gefördert wird, erlahmt die Eigeninitiative dauerhaft, was inzwischen beachtliche Ausmaße erreicht hat. Welche Journalisten und Politiker:innen wagen es, diesem Mainstream entgegen zu wirken?
Ich fände es sehr schade, wenn die Rennbahn bebaut und versiegelt würde. Den Menschen in Hemelingen und der Vahr ginge ein wertvolles Naherholungsgebiet verloren. Die Rennbahn ist eine wichtige grüne Lunge.
Es gibt zudem genügend schon versiegelte Brachflächen in der Stadt, etwas das gegenüber liegende Realgelände oder die große fläche des ehemaligen Max Bahr in Habenhausen.
Außerdem lohnt sich das Bauen für die Bauträger oft aufgrund hoher Baukosten nicht (Fachkräftemangel, hohe Energiestandards etc.). Bereits genehmigte Baugebiete (z.b. Ostpreußische Strasse) bleiben so unbebaut.