Drei Beispiele: Wer mit seiner Meinung ausschert, hat schlechte Karten

21.09.2025 13 Von Axel Schuller

Wo soll das bloß enden? Wer eine nicht gängige Meinung äußert, fliegt raus. Der Bremer Presseclub (doch kein Hort der Vielfalt?) kündigt drei Buchautoren kurzerhand den Raum, weil sie in ihrem Werk eine „einseitige“ Meinung zu Russland verträten. Im Gefangenen-Lager Sandbostel wird die Ausstellung eines Bremer Vereins über Leningrads Aushungerung noch vor Eröffnung geschlossen. Grund: Ein Redner habe sich (angeblich) Russland-freundlich geäußert. Auf der „anderen Seite“ hat der NDR nach Protesten von 250 „roten“ Mitarbeitern der „konservativen“ Julia Ruhs die Moderation des Magazins „KLAR“ entzogen. Bange Frage: Was geschieht gerade mit einem der höchsten demokratischen Güter, der Meinungsfreiheit?

Bleiben wir zunächst beim NDR. Dort hatte man gemeinsam mit dem BR das neue Format „KLAR“ entworfen. Die Moderatorin Julia Ruhs (BR) war bereits nach der ersten Ausstrahlung bei den NDR-Linken unten durch. Die schlappe Führung ließ die Debatte laufen, die als rot geltende Anja Reschke machte sogar in ihrer eigenen Sendung Stimmung gegen KLAR. Am Ende kuschte der Sender inklusive des neuen Intendanten Hendrik Lünenborg vor den Rebellen, denen die Sendung zu konservativ und zu „unausgewogen“ war.

Auf die Idee musste erst mal kommen. Unausgewogen. Was machen denn Anja Reschke und Jan Böhmermann? Ausgewogenes und informatives Fernsehen?

Repräsentative Zuschauerbefragungen ergaben übrigens, dass 61 Prozent der KLAR-Zuschauer die Sendungen sehr gut und gut fanden. Aber das schreckte die „Links-grüne Meinungsmacht“ (Ruhs’ passender Buchtitel) nicht. 

Ex-ARD-Granden wie Ulrich Deppendorf gruselten sich: 

„Der Rausschmiss der Jungmoderatorin Julia Ruhs (…) ist ein Fehler (…). BR und NDR wollten ein konservatives Magazin aufbauen, ein durchaus berechtigtes Vorhaben. Konservative Magazine hatten ARD und ZDF schon in früheren Jahren. Report München mit Wolf Feller, Heinz Klaus Mertes und Siegmund Gottlieb bei der ARD, Gerhard Löwenthal beim ZDF. Auf der anderen politischen Seite gab es eben Monitor mit Klaus Bednarz vom WDR, Panorama mit Peter Merseburger und Report Baden Baden mit Franz Alt. Es war ein breites Meinungsspektrum. (…) Nun wollten BR und NDR ein konservativ ausgerichtetes Magazin aufbauen. Eine Folge beschäftigte sich mit der Migrationspolitik. Durchaus auch emotional wurden die Fehler, Schwächen und zum Teil erschütternden Konsequenzen der Migrationspolitik gezeigt. (…) Das war meiner Meinung nach kein rechtsextremer Journalismus. Es war gedeckt von der Meinungsfreiheit. (…) Der Fall Ruhs wirft kein gutes Licht auf die ARD.“

Der NDR – das muss man ihm lassen – hat relativ rasch auf das hell aufflammende Feuer gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reagiert. Er präsentierte die Ex-BILD-Chefredakteurin Tanit Koch als künftige Moderatorin der NDR-Anteile innerhalb der KLAR-Sendereihe. 

Frage: Treibt das Doppel eigentlich die Kosten in die Höhe? Egal, die Gebührenzahler kommen ja eh für alles auf.

Mal ein Gedanke außer der Reihe: Wie wäre es, wenn alle mit dem ÖRR unzufriedenen Menschen unseres Landes die GEZ-Gebühr für, sagen wir mal, ein halbes Jahr auf ein Notar-Anderkonto einzahlten, um für die offensichtlich selbst-sicheren und selbst-zufriedenen ÖRR-Macher ein Zeichen zu setzen?

Schreiben Sie mir gerne Ihre Gedanken dazu!

Gerade die direkt vom ÖRR Profitierenden behaupten unentwegt, ihr Tun sei für den Erhalt einer funktionierenden Demokratie unentbehrlich. Gelingt das mit einseitiger Berichterstattung, oder bewirkt dies nicht doch das Gegenteil?

Nächster Cancel-Culture-Fall. Die Bremer Dr. Stefan Luft und Dr. Jürgen Wendler sowie Jan Opielka wollten vorigen Freitag ihr Buch im Presseclub vorstellen. Titel „Mit Russland. Für einen Politikwechsel“ (Rezension einer Leserin als Doku unter diesem Stück).

Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), ebenfalls über den offenbar nicht enden-wollenden Krieg in der Ukraine verzweifelt, wollte ein Grußwort sprechen. BILD erreichte durch entsprechendes Trommelfeuer: Erstens Mäurers Absage (wer hätte ihn auch bei einem Misstrauensantrag von CDU oder FDP aus der eigenen Koalition verteidigt?) und zweitens: den unverzeihlichen Rückzieher des Presseclubs. BILD verunglimpfte die Autoren, den Vorwortschreiber Günter Verheugen und das einladende Friedensforum als „Russland-Versteher“. Ein „Experte“ ätzte in BILD gegen das Friedensforum, dieses sei „Putin-verharmlosend“.

Dem Ganzen die Krone setzte ein taz-Redakteur auf. Er sprach in einem Radio-Bremen-Film davon, der Innensenator habe qua Amt die Aufgabe, „uns, den Rechtsstaat vor zersetzender Propaganda“ Putins zu schützen. Deshalb dürfe Mäurer dort nicht erscheinen. Wow, diese Worte aus dem Mund eines taz-Redakteurs.

„Zersetzende“ Propaganda – Sozialdemokrat Arno Gottschalk, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Militärpolitik beschäftigt, appellierte an das linke Gewissen des „tazlers“: „Der Begriff zersetzende Propaganda“ sei vor dem I. Weltkrieg und später gezielt auch von den Nazis zur Diffamierung Andersdenkender verwendet worden. 

Der BuBI-Film über die Kündigung des Veranstaltungsortes Presseclub endete übrigens mit dem Hinweis, die Veranstalter hätten einen anderen Raum gefunden; RB vergaß (zufällig?), diesen zu nennen. Dennoch versammelten sich am Freitag rund 150 Leute im  Heinrichsaal.

Vorerst letztes Beispiel für Cancel-Culture: Wolfgang Müller, Vorsitzender des Bremer Vereins „Deutsch-Russische Friedenstage“, sprach jüngst vor Eröffnung einer Ausstellung des Vereins zum Aushungern der Leningrader Bevölkerung im II. Weltkrieg durch deutsche Truppen im ehemaligen Flüchtlingslager Sandbostel. Am Tag danach teilte die Leitung des Gedenkortes mit, die Sonderausstellung werde abgesagt und abgebaut.

Begründung:  „Bei der Eröffnung(…) kam es in der Eröffnungsrede seitens des Vereinsvorsitzenden zu Aussagen und Positionen zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, die in keiner Weise mit den Positionen der Gedenkstätte und der Stiftung Lager Sandbostel übereinstimmen.“

Liebe Leserschaft, ich habe die Rede „nachgelesen“ und nichts Verwerfliches gefunden (sie steht auf der Website deutsch-russische-friedenstage.de).

Selbst wenn die Stiftungs-Oberen von Sandbostel meinen sollten, Müller habe eine „falsche“ Auffassung vertreten, weshalb darf dann die Ausstellung nicht gezeigt werden? Die Rede war doch nur einmal vorab gehalten worden, ist also kein Bestandteil der Exposition. Merkwürdig.

Munter bleiben!

Herzlichst
Ihr Axel Schuller

P. S.: Sie sind ja immer an WK-News interessiert, wie ich an Nachfragen merke: Chefredakteurin Silke Hellwig (62) hat intern mitgeteilt, sie werde ihr Engagement vorzeitig zum April 2026 beenden. In der übrigens gelungenen Sonderbeilage „80 Jahre Weser-Kurier“ taucht sie schon nur noch als Autorin auf. Apropos Beilage: Bei den wirklich vielen dort veröffentlichten Zahlen haben die Kollegen eine glatt vergessen – die der verkauften Auflage von 98.213 Exemplaren (laut ivw 2. Qu. 2025: alles – Print, ePaper und paid content).