Sechs wichtige Argumente gegen die Ausbildungsabgabe, Herr Bürgermeister
„Herr, lass Hirn regnen“, heißt es manchmal etwas abgehoben. Im Fall der Ausbildungs-Zwangsabgabe hofft man, dass Politiker sich eindeutigen Erkenntnissen nicht länger verschließen; wie beispielsweise Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD). Beim Empfang der Handelskammer wurde er jüngst vor 500 Gästen auf offener Bühne erneut wegen des Ausbildungsfonds angegangen. Dennoch wiederholte er anschließend sein Mantra der angeblich ungerecht verteilten Ausbildungslasten. Herr, erweitere bitte des Bürgermeisters Horizont…
Keine Bange, heute wird’s nicht religiös; bin ich der falsche Typ für. Aber: Politiker nehmen Fakten auf, ziehen Schlüsse daraus – und erstarren dann geistig. In dieser Gefahr befinden sich speziell Politiker mit ausgeprägtem Gerechtigkeits-Syndrom. Nehmen wir die Ausbildungsabgabe.
Getrieben von Bremer DGB, Sozialismus-verträumten Linken und ebensolchen Sozis (speziell Jusos) hat sich der Ideologie-gestählte Bürgermeister an die Spitze der Bewegung gesetzt.
Die gedankliche Grundlage des Ausbildungsfonds:
Während viele Handwerksbetriebe – gemessen an der Beschäftigtenzahl – 8 und 10 Prozent Auszubildende aufnehmen, kommen Industrie und große Dienstleister im Schnitt eher auf 3 bis 4 Prozent. Ein paar „drücken“ sich vor der Ausbildungsarbeit; locken später beispielsweise Bäcker- und Friseurgesellen mit attraktiven Löhnen in ihre Betriebe.
Bremer Politiker lassen bei dieser Sichtweise jedoch mehrere Fakten außen vor.
Erstens:
Eine gedankliche Forderung, wie etwa: 8 Prozent der Beschäftigten müssen als Azubis angeheuert werden, lässt den sogenannten Skaleneffekt außer Acht.
Das bedeutet: Eine Bäckerei-Chefin wie Lene Knoll in Bremen-Nord mit 100 Beschäftigten kann – wie sie es vorbildlich tut – 8 junge Leute ausbilden. Ein Großbetrieb mit 10.000 Mitarbeitern müsste bei Anwendung der gleichen Quote 800 Jugendlichen einen Ausbildungsplatz anbieten.
Zur Anschauung: Das Bremer Mercedes-Werk verfügt bei rund 11.000 Beschäftigten über etwa 400 Azubis – nach „Quote“ müssten es 880 sein.
So viele Lehrlinge auf einmal an Berufe heranzuführen, ist selbst für Großunternehmen undenkbar. Das gleiche gilt übrigens für große Ausbildungsbetriebe wie die BLG, Airbus, ArcelorMittal etc.
Zweitens:
Firmen mit einem Großteil industrieller Fertigung wie Bandarbeit bei Mercedes oder auch in Baufirmen (die zunehmend vorgefertigte Teile zusammenfügen) haben einen völlig anderen Ausbildungsbedarf als spezialisierte Handwerksbetriebe.
Drittens:
Gerade Bremer Politiker fordern stets: „Gute Löhne für gute Arbeit.“ Klingt gut. Hat aber auch Auswirkungen auf die Ausbildungsabgabe. Bezahlen Firmen ihre Fachpersonal sehr gut, steigert dies die „Bruttolohnsumme“. Die Höhe der fälligen Ausbildungsabgabe beträgt 0,27 Prozent der Bruttolöhne. Ergo: Wer Mitarbeiter besonders gut entlohnt, wird anschließend bei der Ausbildungsabgabe bestraft.
Viertens:
In nicht wenigen Familien mit Ebbe in der Haushaltskasse werden Söhne und Töchter nach Verlassen der Schule angehalten, sich endlich am Lebensunterhalt der Familien zu beteiligen. 2024 lag die durchschnittliche Ausbildungsvergütung laut Bundesinstitut für Berufsbildung bei 1.133 Euro brutto. Mit dem bundesweit geltenden Mindestlohn von 12,84 Euro kommt man bei einer 40-Stunden-Woche auf über 2.000 Euro. Dieser Zahlenvergleich kann über die Entscheidung zwischen Ausbildungs- und Hilfsarbeiterplatz entscheiden. Das ist zwar nicht sinnvoll, spielt aber in einigen Familien eine Rolle.
Fünftens:
Ein gewichtiges Argument gegen den Bremer Ausbildungsfonds liefert das Bremer Bildungswesen. 10 Prozent der „Schulabgänger“ erhalten aufgrund mangelhafter Leistungen keinen Bildungsabschluss. Und viele „mit offiziellem Abschlusszeugnis“ sind gleichwohl „nicht ausbildungsfähig“. Sie können nämlich nicht gut genug rechnen und schreiben. Dazu kommen immer wieder Unpünktlichkeit und mangelnde Arbeitsdisziplin am Ausbildungsplatz – wofür freilich die Eltern verantwortlich sind.
Viele Unternehmen wollen Lehrlinge anstellen, finden aber zu wenige, die sich für die angebotenen Ausbildungen in Industrie, Handwerk, Handel, Dienstleistungen etc. eignen. Da hilft den Firmen auch kein Ausbildungszuschuss pro Lehrling in Höhe von 2.250 Euro aus dem Fonds. Selbst die Stadt Bremen war bei der Azubi-Suche nicht erfolgreich genug. Sie muss nun fast eine halbe Million Euro mehr in den Ausbildungsfonds einzahlen als sie an Zuschüssen für ihre eigenen Auszubildenden herausbekommt.
Sechstens:
In der Sitzung der Arbeitsdeputation wurde am Dienstag bekannt, dass sich der Ausbildungfonds aktuell mit 300.000 Euro in den Miesen befindet. 400 Firmen klagen gegen die Abgabe-Bescheide. Außerdem, so war zu erfahren, müssten die immerhin 5 eigens für den Fonds eingestellten Mitarbeiter zahlreiche Bescheide „händisch“ kontrollieren.
Zur Erinnerung: Alle wesentlichen Bremer Kammern hatten von Beginn an vor einem Bürokratie-Monster gewarnt. Dieses tobt offenbar gerade laut brüllend durch die Arbeitsbehörde…
Zeit zum Umdenken und zur Kursänderung, Herr Bürgermeister! Beenden Sie diesen bundesweit einmaligen, untauglichen Versuch, Unternehmen zur Bereitstellung von Ausbildungsplätzen zu zwingen. Oder müssen erst Firmen, die auch andernorts ihr Geld verdienen können, aus dem Zwei-Städte-Staat flüchten?
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Während der Recherche zu diesem Stück habe ich von einem Test erfahren, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Einige Firmen erkunden Fingerfertigkeit und räumliche Vorstellung möglicher Bewerber mit dem „Drahttest“. Bedeutet: Biege einen Draht so, dass er ein Quadrat (4 gleich lange Seiten, jeweils 90-Grad-Winkel) oder ein gleichseitiges Dreieck ergibt. Die Ergebnisse sollen (leider) nicht immer überzeugen.
Herzlichen Dank, Herr Schuller, die vorgetragenen Argumente sind sämtlich öffentlich und mithin allen Beteiligten bekannt. Die Zeit, dass echter Diskurs und Argumente Menschen zum Umdenken bewegt haben, ist insbesondere bei einigenPolitikern offensichtlich lange vorbei.
Wenn dann wenigstens 100% der eingezogenen Mittel in Maßnahmen investiert würden. Dabei genehmigen sich die Genossen der Verwaltung satte 1,7 MIO € aus dem Fond nur für die „Verwaltung“. ????
Geld der Unternehmen, welches jetzt NICHT mehr in Ausbildung investiert werden kann.
Das ist einfach weg! ????
Diese Regierung ist am Ende
Die Ausbildungsplatzabgabe ist ein Beispiel einer ideologisch verblendeten Politik, die weder durchdacht noch umsetzbar ist. Schon der Ansatz ist falsch – Unternehmen mit Zwangsabgaben in die Pflicht zu nehmen, anstatt Ausbildung attraktiv und praktikabel zu gestalten. Noch schwerer wiegt aber das organisatorische Versagen: Bei rund 70.000 betroffenen Betrieben in Bremen wurden bislang gerade einmal 6.800 Bescheide verschickt. Selbst wenn kein Unternehmen klagen würde, ist offensichtlich, dass diese Regierung nicht imstande ist, ihr eigenes Gesetz umzusetzen.
Doch das Problem reicht tiefer. Rücktritte in den Führungsetagen städtischer Betriebe, das Scheitern bei der Bestellung eines neuen Geschäftsführers für die Umweltbetriebe, zerstrittene Ausschüsse und Koalitionsfraktionen, die nicht einmal mehr für einfache Beschlüsse Mehrheiten zustande bringen – all das zeigt: Diese Regierung hat ihre Handlungsfähigkeit verloren.
Was wir erleben, ist eine Koalition im Selbstzerfall. Bürgermeister Bovenschulte wirkt kraftlos, SPD, Grüne und Linke agieren nicht mehr gemeinsam, sondern jeder kämpft nur noch für sich selbst. Für Bremen ist das dramatisch. Denn unser Gemeinwesen braucht Verlässlichkeit und Führung – nicht Blockade, Streit und Verwaltungsversagen.
So kann und darf es in den nächsten anderthalb Jahren nicht weitergehen. Bremen hat Besseres verdient.
moin, ich bin leider mit der Bremer Politik durch. Hier und da guter Wille aber schlechte Umsetzung in den meisten Fällen.
Reduzierung des Parlaments um wenigsten 4 Abgeordnete und weitere Kostenreduzierungen könnten mich wieder motivieren.
Sie treffen den Nagel auf den Kopf, nur interessiert dies Niemanden in der Regierungskoalition, nicht einmal den Bürgermeister. Politische Führungsqualitäten und mögliches Regierungspotential zeichnen sich dadurch aus, das neue Erkenntnisse einmal getroffener Entscheidungen zügig zum Überdenken, Einlenken oder Rücknahme unsinniger Entscheidungen führen .
Entscheidungen sind wichtig, damit man eine „führende Regierungshand“ auch einmal spürt. Wenn sich diese Entscheidungen in der Praxis dann aber als Unsinn herausstellen, setzt dies ein umgehendes Nachbesserung voraus, der Souverän ( der Bürger und Wähler) darf dies voraussetzen.
Zum Argument Nr 4:
Das Verständnis für eine abzuschließende Ausbildung als Voraussetzung für einen qualifizierten Berufsstart wird immer weniger akzeptiert. Bei einer Vielzahl möglicher Bewerber spielt die zu erzielende kfr. Tätigkeitsvergütung( auch wenn es nur unqualifizierte Hilfsjobs ohne wesentliche Perspektive sind) eine wesentlichere Entscheidung als eine berufliche Entwicklungsperspektive. Hier sind vorrangig Eltern, Schule und die Politik gefordert, nicht jedoch nur die möglichen Ausbildungsbetriebe.
Die Haltung der derzeitigen Bremer Regierungskoalition ist ein Trauerspiel.
Welch Ironie: Der vom Senat geschaffene Ausbildungsfonds ist kurz nach seiner Einführung schon pleite wie der Senat selbst.
Hunderte laufende Klagen sprechen eine klare Sprache: Die Unternehmen wehren sich gegen diese Zwangsabgabe, die niemandem hilft. Die Folge: nach weniger als einem Jahr steht ein negativer Saldo. Nicht mal mehr die Auszahlungen an die Betriebe, die man fördern wollte, sind gedeckt. Bremen braucht kein weiteres Minus-Geschäft, sondern eine echte Ausbildungsoffensive: weniger Bürokratie, mehr praxisintegrierte Ausbildung und gezielte Unterstützung kleiner Betriebe. Der Ausbildungsfonds ist ein teures Prestigeprojekt, das sofort beendet werden muss. Wer Ausbildung stärken will, darf die Wirtschaft nicht schwächen.“
Sehr geehrter Herr Schuller, anbei übermittle ich die Pressemitteilung von heute
von Frau Gröninger
Unterdeckung von 300.000 Euro droht
Gröninger: „Pleiten, Pech und Pannen – Ausbildungsfonds vor dem Kollaps“
„Der Ausbildungsfonds ist ein Organisationsversagen auf ganzer Linie. Senatorin Schilling hat ein Bürokratiemonster geschaffen, das weder funktioniert noch Akzeptanz hat. Jetzt ist bekannt geworden, dass der Ausbildungsfonds leer läuft, es bleibt kein Geld für ausbildungsfördernde Maßnahmen übrig – ein Paradebeispiel politischen Missmanagements“, kritisiert Theresa Gröninger, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion Bremen.
Nach einer aktuellen Vorlage für die Deputation für Arbeit droht dem Fonds eine temporäre Unterdeckung von rund 300.000 Euro. Aktuell sieht es nicht danach aus, dass in diesem Jahr noch ausbildungsfördernde Maßnahmen, bezahlt aus dem Fonds, starten könnten. Gröninger: „Der Senat wollte mit dem Fonds mehr Ausbildung schaffen, stattdessen stehen bewährte Maßnahmen wie Ausbildungsbegleiter oder Unterstützungsprogramme auf der Kippe. So lässt man Auszubildende und Betriebe im Regen stehen – das ist nicht nur absurd, sondern auch gefährlich für den Wirtschaftsstandort Bremen.“
Die CDU-Fraktion verweist darauf, dass sich der aktuelle Engpass in eine lange Reihe von Missständen einreiht: verspätete und teure Bescheide per Brief statt digital, zahlreiche Klagen gegen das Gesetz und die Tatsache, dass es inzwischen mehr offene Stellen als Ausbildungsbewerber gibt. „Die Realität zeigt: Der Fonds ist von Anfang an fehlkonstruiert. Er produziert Verwaltungskosten, Klagen und Frust – aber keine zusätzlichen Ausbildungsplätze“, so Gröninger.
Für die CDU-Fraktion ist klar: Bremen braucht echte Unterstützung für Betriebe und Auszubildende – keine weiteren bürokratischen Pannenprojekte. Gröninger abschließend: „Wenn der Senat nicht einmal in der Lage ist, die Organisation und die Finanzierung seines eigenen Prestigeprojekts sicherzustellen, ist das ein Offenbarungseid. Wir fordern: Organisatorisch ist der Ausbildungsfonds ein Fass ohne Boden. Er gehört abgeschafft. Bremen braucht endlich eine Ausbildungs- und Wirtschaftspolitik die Fachkräfte anzieht und die Wirtschaft zum Brummen bringt.“