UPDATE: Moosdorf ist zurückgetreten / Weshalb hat der Gesamtsenat dem Strebl-Deal zugestimmt?

03.10.2025 7 Von Axel Schuller

Wenn die Grünen personell nicht so enorm ausgezehrt wären, hätten sie ihre frühere Hoffnungsträgerin längst nach Hause geschickt. Was sich Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf am Donnerstag vor Parlamentariern geleistet hat, spottet jeder Beschreibung. Fazit: Kathrin Moosdorf ist einfach nicht länger senatorabel. Sie muss gehen oder halt von der Bremischen Bürgerschaft abgewählt werden. Lesen Sie hinten das UPDATE!

Liebe Leserschaft, ich will wirklich nicht garstig sein, aber Umwelt- und Wissenschaftssenatorin Kathrin Moosdorf (Grüne) hat im Haushalts- und Finanzausschuss eine derart unterirdisch schlechte Performance abgeliefert, dass man schon Mitleid bekommen konnte.

Sorry, aber angesichts bohrender Fragen von Abgeordneten der oppositionellen CDU, FDP und BD immer und immer wieder bloß den aufgeschriebenen Text (fast wie eine Sprechpuppe) aufzusagen, ist einfach „schwach wie die Nacht“.

Besonders auffällig war das Dauer-Schweigen der Ausschuss-Mitglieder von SPD, Grünen und Linken. Ja, Sie lesen richtig: Nicht einmal Grüne Abgeordnete sprangen der unter oppositionellen Dauerfeuer stehenden Senatorin bei. Das war so unüblich, dass es extrem auffiel.

Kathrin Moosdorf sorgte am Donnerstag auch deshalb für erneute Verblüffung, weil sie nach zwei Erklärungs-Varianten für den Rauswurf ihrer Staatsrätin Irene Strebl eine dritte Spielart einführte.

Liebe Leserschaft, Sie erinnern sich:

Zunächst hatte Moosdorf Strebls Demission am 15.9.2025 mit folgenden Worten angekündigt:

„Ich bedaure außerordentlich, dass Irene Strebl unser Ressort verlassen wird. Ihre Arbeit war immer von tiefer Sachkenntnis, außerordentlichem Engagement und vor allem Teamfähigkeit geprägt. Sie hat ihre Themen mit voller Kraft bearbeitet. In intensiven Gesprächen hat sie mir eröffnet, dass ihre persönliche Situation diese Tatkraft für längere Zeit nicht zulassen wird. Ich danke Irene Strebl für die die gemeinsame Zeit, in der wir vieles bewegen konnten. Dir Irene, wünsche ich von Herzen alles Gute.

Das war am 15. September.

Am 24.9.2025 erklärte sie am Rande der Umweltdeputation Radio Bremen gegenüber völlig überraschend: Sie habe kein Vertrauen mehr gehabt, zusammen mit Staatsrätin Irene Strebl die politischen Ziele des Senats zu erreichen. Wegen dieses (plötzlich entdeckten) Vertrauensverlustes habe sie Strebl in den einstweiligen (sehr teuren) Ruhestand versetzen müssen.

Am 2. Oktober wurde Moosdorf nun im Haushalts- und Finanzausschuss regelrecht einvernommen. Dort war ihr plötzlich wichtig, dass sie als Senatorin ihre Staatsrätin Strebl zum Gespräch über deren Minderleistungen aufgefordert habe. Und zwar am 8. September. Die Christdemokraten Jens Eckhoff (HaFa-Vorsitzender) und Dr. Wiebke Winter (Fraktionschefin) erkundigten sich nach einem Protokoll dieses ja dienstrechtlich relevanten Gesprächs. Eine solche Unterlage gibt es aber nicht.

Nicht nur die Juristin Winter musste darauf mit dem Kopf schütteln.

Liebe Leserschaft: Auch wenn Moosdorf “nur“ Geschäftsführerin des Landesverbandes des Kinderschutzbundes war, so hätte sie doch so viel Arbeitgeber-Handwerkszeug ins Amt als Senatorin mitbringen müssen, dass man Gespräche, die zum Rauswurf führen können, protokolliert.

Die (Noch-)Senatorin berichtete im HaFa außerdem überraschend, Strebl habe die Arbeit am Wissenschaftsplan des Senat und an der Kreislaufwirtschaftsstrategie schleifen lassen.

Oh Wunder: Beide Papiere liegen in den zuständigen Gremien vor.

Liebe Grüne, auch wenn Sie es noch nicht begreifen können oder wollen: Mit dieser Senatorin werden Sie nicht mehr glücklich werden. Weder während der bis 2027 laufenden Legislaturperiode noch im Wahlkampf. Ursprünglich hatten einige Strippenzieher bei den Grünen darauf gesetzt, Moosdorf bei der 27er Wahl als freundliche, liebenswerte Spitzenkandidatin (anders als 2023 die eher krawallige Dr. Maike Schaefer) auf den Schild heben zu können.

DAS, liebe Grüne, können Sie sich abschminken.

Sollte Moosdorf übers Wochenende nicht zurücktreten, wird die CDU wohl einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gegen Moosdorf einsetzen. FDP und BD dürften „mitspielen“, zumal die FDP bereits Moosdorf zum Rücktritt aufgefordert hat.

In einem Untersuchungsausschuss könnte übrigens auch mal die Frage erörtert werden, weshalb der gesamte Senat Moosdorfs Antrag zugestimmt hat, Irene Strebl in den teuren einstweiligen Ruhestand zu versetzen, obwohl Moosdorfs Presseerklärung vom 15. September keinen beamtenrechtlich triftigen Grund enthielt. Nach meiner Erinnerung ist Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte von Haus aus Jurist, dazu sogar ein promovierter.

UPDATE:

Sonnabend Mittag: Kathrin Moosdorf gibt auf. Die Grünen danken ihr für ihre gute Arbeit. Nachfolgend die Presseerklärung der Grünen:

Die Fraktionsvorsitzende Henrike Müller äußert großen Respekt für Kathrin Moosdorfs schwierige Entscheidung, aus dem Senat zurückzutreten, und bedankt sich bei ihr für die gute Zusammenarbeit mit den Abgeordneten der Grünen:

„Wir danken Kathrin Moosdorf für ihren großen persönlichen Einsatz und die gute und engagierte Zusammenarbeit in den vergangenen zwei Jahren. Nach der Bürgerschaftswahl 2023 haben wir gemeinsam schnell und produktiv in wichtige grüne Projekte gefunden: Mit ihr als Senatorin konnten wir schon in den ersten beiden Jahren der Legislaturperiode die Bremer Biodiversitätsstrategie beschließen, die Maßnahmen für den Umwelt- und Naturschutz, Artenvielfalt und effektive Klimapolitik bündelt. Mit der neuen Baumschutzverordnung wird Bremens Grün auf Jahrzehnte gesichert und kann weiter wachsen.

Oft wenig gesehen, aber ganz besonders wichtig und hervorzuheben ist dabei, wie erfolgreich und effektiv Kathrin Moosdorf Finanzmittel des Bundes und aus Europa für Umwelt und Wissenschaft in Bremen und Bremerhaven eingeworben hat. Mit diesen Geldern können wir den natürlichen Klimaschutz in unseren beiden Städten auch in Zukunft weiterentwickeln – das bleibt. Und auch mit dem Wissenschaftsplan 2030 sind die Weichen für einen starken Wissenschaftsstandort gut gestellt. Bremens Trinkwasserversorgung unter anderem durch einen Wasserpakt mit Niedersachsen verlässlich für die Zukunft gesichert zu haben, gehört ebenfalls zu Kathrin Moosdorfs Verdiensten.“

Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) dankt Moosdorf ebenfalls und erwartet, dass die Grünen rasch eine Nachfolgerin benennen.

CDU-Fraktionschefin Dr. Wiebke Winter schrieb direkt nach Moosdorfs Rücktritt am Sonnabend; hier die Presseerklärung:

Dr. Winter: „Frage nach Gesamtverantwortung des Senats Bovenschulte bleibt offen“ 

Der Rücktritt von Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf ist für die CDU-Bürgerschaftsfraktion Bremen die einzig konsequente Folge ihres Auftritts im Haushalts- und Finanzausschuss am vergangenen Freitag. Dort musste Moosdorf zu den fragwürdigen Umständen der Frühpensionierung ihrer Staatsrätin Irene Strebl Rede und Antwort stehen.

„Wir haben Kathrin Moosdorf menschlich immer geschätzt. Mit ihrem Rücktritt übernimmt sie nun politische Verantwortung für einen Vorgang, der das Vertrauen vieler Bremerinnen und Bremer erschüttert hat – ihr Rücktritt ist konsequent und richtig“, erklärt Dr. Wiebke Winter, Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion Bremen. „Doch es bleibt die Frage offen, welche Gesamtverantwortung der Senat Bovenschulte an der Versetzung von Frau Strebl in den einstweiligen Ruhestand trägt. Der Rücktritt einer einzelnen Senatorin reicht nicht, um die offenen Fragen zu klären. Insbesondere ist die Frage offen, warum der Senat die Versetzung noch am 23. September beschlossen hat, obwohl der zweifelhafte Vorgang dort schon einige Tage öffentlich war.“

Winter verweist zudem auf die politische Gesamtlage: „Mit Kathrin Moosdorf ist nun bereits die dritte Senatorin nach Ulrich Mäurer und Sascha Aulepp in kurzer Zeit zurückgetreten. Das sagt alles über den Senat Bovenschulte: Er ist zerstritten, ideenlos und lahm. Dieser Senat ist nicht in der Lage, die Herausforderungen, vor denen wir in Bremen und Bremerhaven stehen, zu bewältigen und unser Land nach vorne zu bringen.“

Auch Jens Eckhoff, haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sieht dringenden Klärungsbedarf: „Viele unserer Fragen zum Fall Strebl sind bis heute unbeantwortet. Warum wurde ausgerechnet der teuerste Weg gewählt – finanziert aus Steuermitteln? Welche Rolle spielte der gesamte Senat bei dieser Entscheidung? Gibt es weitere ähnliche „goldene“ Handschläge im Senat Bovenschulte? Für uns ist klar: Wir fordern weiterhin volle Transparenz und lückenlose Aufklärung und werden dieses im Haushalts- und Finanzausschuss weiter thematisieren.“

Es bleibt dabei: Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Ich möchte heute ein Lob aussprechen: Die Kollegen von ButenunBinnen haben den „Fall Moosdorf“ aus meiner Sicht sehr gut begleitet und dargestellt. Gern hätte ich auch einen Kommentar dazu gelesen – aber dafür gibt’s ja bremensogesehen 🙂