Der Rechnungshof „klagt“ den Senat an – und das war’s dann aber auch schon

15.03.2022 Aus Von ED-as_Blog-17

Liebe Leserinnen und Leser,

oh weh, heute benötige ich Ihre Unterstützung. Vermutlich verderb’ ich’s mir ein bisschen mit meiner Zunft. Kann ich leider nicht ändern. Muss trotzdem raus! So lernen Sie heute mal ein Stück aus der Reihe „Klagemauer-Journalismus“ kennen.

Dem rot-grün-roten Senat geht’s in unserer Stadt richtig gut. Da haut der Landesrechnungshof Bremen aufn Putz wie schon lange nicht mehr. Und die Bremer Medien? Die berichten darüber. Das war’s dann aber auch schon. Zu vielen, manchmal auch etwas – sagen wir mal freundlich – ungewöhnlichen Themen bieten Redaktionen uns Lesern und Leserinnen Kommentare feil. Wenn aber Bremen sich – nicht nur in abgelegenen Winkeln seiner Verwaltung – wie der Hilfstrupp einer Bananenrepublik aufführt, dann ist – Schweigen im Walde.

Bettina Sokol, Präsidentin des Landesrechnungshofes, stellte jüngst fest: Behörden halten sich beim Verteilen und Abrechnen von Zuschüssen häufig nicht an Vorschriften. Da reichen Initiativen, Trägervereine und Zuschuss-hungrige Einrichtungen unvollständige Anträge auf Staatsknete ein – und kriegen die Kohle trotzdem. Wer Geld erhalten hat, muss darüber Buch führen und Rechenschaft ablegen. Bürokraten nennen das: Verwendungsnachweis-Prüfung. Häufig, so Frau Sokol, werden  Nachweise in den zuständigen Behörden erst gar nicht geprüft – weil (vorsichtshalber?) keine entsprechenden Unterlagen eingereicht werden. Die Folge: Einige „Leistungsempfänger“ erhielten Zuschüsse sogar doppelt.

Top of the pop ist die Bildungsbehörde. Die förderte über Jahre den Verein Stadtteilschule (organisiert für den Notfall Ersatzlehrkräfte für die staatlichen Schulen). Irgendwann „fiel auf“, dass diese Institution zwischen 2015 und 2020 knapp neun Millionen Euro an staatlichen Zuschüssen erhalten und gebunkert – aber gar nicht ausgegeben – hatte. „Besonders erschreckend“ für Sokol und Mitarbeiter: „Im Bildungsressort gab es keine Kenntnis über die Höhe der Überzahlungen.“

Zur besseren Einordnung des Themas: Bremen schüttet jährlich 500 Millionen Euro unter den „Zuwendungsempfängern“ aus. Ich vermute: Anträge, Bewilligung/Ablehnung und spätere Verwendungs-Prüfung machen allen Beteiligten tierisch Arbeit. So wie ich unsere auf dem Papier übergründlich-deutsch regulierte Gesellschaft einschätze, füllen die Antrags-, Förder- und Auszahlungsrichtlinien möglicherweise jeweils dicke Bücher mit extrem komplizierten und umfassenden Vorgaben. 

Aber, falls das so wäre, müssten alle Beteiligten das Verfahren vereinfachen. Sich jetzt aber einfach nicht darum zu kümmern? – Na, das machen aus unserer Sicht sonst doch nur so lockere Gesellen wie in – Diskriminierung? – Italien, Türkei oder eben in Bananenrepubliken.

Zurück zur Berichterstattung über den Rechnungshof-Jahresbericht. Richtig rührend kam in einem Beitrag von „buten un binnen“ ein Abteilungsleiter der Kulturbehörde zu Wort. Ja, ein anerkanntes, stadtbekanntes Theater erhalte jährlich eine Million Euro an Zuschüssen. Leider könne die Verwendung der Gelder nicht komplett nachgeprüft werden. Die Shakespeare Company schließe nämlich häufig mündliche (statt schriftliche) Verträge. Menno, wie gemein! Und was macht die Kulturbehörde in einem solchen Fall? „Wir dringen bei der Company auf Änderungen, aber zwingen können wir sie nicht.“ Hä? Praktischer Vorschlag: Die Million fürs kommende Jahr wird erst dann überwiesen, wenn fortan ausschließlich schriftliche Verträge geschlossen und die Abrechnungen rechtzeitig abgegeben werden. Oder tick ich da zu naiv?

Bald noch schlimmer ist aus meiner Sicht folgende Aussage der Rechnungshof-Präsidentin: „Mängel sind grundsätzlich so gut wie in allen Ressorts zu verzeichnen. Sie nehmen Jahr für Jahr leider eher noch zu.“ Und vollends entwaffnend das an Kapitulation  grenzende Eingeständnis der Chef-Prüferin: Es würde ihre Behörde komplett überfordern, die Zweckmäßigkeit, Angemessenheit und korrekte Abrechnung der Ausgaben aus dem Corona-Hilfsprogramm zu kontrollieren. Zur Erinnerung: Dieser Sonder-Topf enthält 1,2 Milliarden Euro. Und die auch noch kreditfinanziert.

 

Da kann ich nur zum sarkastischen Gesang anstimmen: „Antragsteller und Behördis, höret die Signale…haut die Kohle raus“

So, nun sind Sie, liebe Leserinnen und Leser dran! Wie wirken diese amtlichen Äußerungen (der Rechnungs-Frau), Zahlen und Fakten auf Sie? Unglaublich, unsäglich, unfassbar – sagen Sie? Könnte man meinen. In den Bremer Redaktionen sieht man das offenbar entspannter als Sie. Die Kolleginnen und Kollegen hören den Klagegesang des Rechnungshofes alle zwölf Monate.

Also, liebe Leserinnen und Leser, jetzt seien Sie mal nicht so kleinlich

Ich wette: Der rot-grün-rote Senat ist nicht so unzufrieden wie Sie.

Bleiben Sie munter!

Herzlichst

Ihr as

Axel Schuller