Anti-Verkehrspolitik II. – Wo bleiben 50.000 Autos in den Stadtteilen?

13.03.2022 Aus Von ED-as_Blog-17

Liebe Leserinnen und Leser,

bevor ich mich einem weiteren Aspekt des Parkens – in den Stadtteilen – zuwende, ein kleiner Nachtrag zum vorigen Stück („Verkehrspolitik durch das Anti-Verkehrsressort – einfach grotten-schlecht“ vom 11. März). Ich möchte Sie an einer Beobachtung von Samstagmittag teilhaben lassen. Da bin ich in die Martinistraße geradelt, um dem von mir zitierten verwelkten Krüppel-Gebüsch in Höhe der hkk per Foto Ewigkeits-Charakter zu verleihen. Dort angekommen, sind mir die Augen übergegangen. Hammer! Die Autoschlange reichte vom Tiefer über Einfahrt Presse-Parkhaus bis in Richtung Brill. Die Straße knallevoll, der abgetrennte Radweg – na ja. Ein GlückAutoschlangen in mutwillig verengten Straßen pusten Gott-sei-Dank keine Abgase aus… Oder habe ich da die Anti-Verkehrsbehörde zu optimistisch interpretiert.

Jedenfalls, als ich da so herumstand, habe ich mich gefragt: Haben sich die zuständigen Planer, Senatsmitglieder, Bürgerschaftsabgeordnete (aller Couleur) sowie die mitredenden Herren der Handelskammer schon einmal die Auswirkungen des einspurigen Verkehrs (je Richtung) auch nur ein einziges Mal selbst angesehen – bevor sie zu der Einschätzung gelangt sind: Tja, die Martinistraße ist ja völlig überdimensioniert, die kann von vier auf zwei Spuren zurückgebaut werden. Ziel: Dann wird die Barriere zwischen City und Schlachte weniger spürbar. So die graue Theorie.

Bitte, bitte,Damen und Herren Entscheider: Schauen Sie sich die Auswirkungen Ihrer beabsichtigten (Un-)Taten in der Martinistraße an, bevor dort Endgültiges geschieht! Unsinn einfach zu lassen, ist bekanntlich einfacher und auch noch billiger als den ganzen Mist wieder zurückzudrehen.

So: Ich weiß Ihre Tapferkeit bis hierher wirklich zu schätzen. Vor allem, nachdem Sie sich möglicherweise durch das Stück „Verkehrspolitik… Sie wissen schon“ gekämpft haben. Gleichwohl: Das Thema Verkehr, lieben Leserinnen und Leser, wird uns Bremer und Bremerinnen weiter beschäftigen. Und wie! „Aufgesetztes Parken“ lautet das Stichwort. Die Anti-Verkehrs-Behörde hat zwar zusammen mit dem Innenressort Einspruch gegen den (aus Sicht von Praktikern) weltfremden Richterspruch eingelegt, aufgesetzt parkende Fahrzeuge müssten allüberall umgehend entfernt werden. Doch das Anti-Verkehrs-Ressort setzt natürlich alles daran, das aufgesetzte Parken mittelfristig zu unterbinden.

Der Lösungsansatz: Bewohnerparken. Bitte kurz mal etwas intensiver darüber nachdenken! Parkausweise können in Findorff, im Viertel, in der Neustadt (und später in allen Stadtteilen) bloß Menschen kaufen, die dort auch wohnen. Besucher wohnen dort nicht, kriegen also keine Ausweise.

In den genannten und anderen Vierteln wollen/müssen aber auch Arbeitnehmer und Kunden (boah, die gibt’s wirklich) ihre Autos abstellen. 

Beispielsweise: Kindergärtnerinnen (weiß grad nicht, wie man die modern bezeichnet, sorry), Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Restaurants, Bars, Kneipen. Bleiben wir mal nur bei diesen beiden Berufsgruppen. Kinderbetreuerinnen und -betreuer sind aktuell Mangel“ware“. Gastro-Personal ebenfalls. Viele dieser Menschen wohnen außerhalb, können sich bei ihren Gehältern keine Behausungen in der Großstadt leisten, fahren folglich mit Autos zu ihren Arbeitsplätzen. 

Was, liebe Leserinnen und Leser, vermuten Sie, werden diese Fachkräfte wohl tun, wenn sie nicht mehr nahe ihrer Arbeitsstätten parken dürfen? Bevor die sich ob fehlender Parkplätze die Krätze an den Hals ärgern, werden sie das Weite suchen – und vermutlich fix neue Arbeitsplätze in (aus ihrer Sicht) besseren Stadtteilen oder gar Ortschaften finden. Da kann das Team im Kindergarten noch so nett, kuschelig oder gar perfekt sein. Am Ende zählt, wie viel Zeit diese Menschen aufbringen müssen, um von zu Hause bei der Arbeit zu erscheinen – und retour. Im Zweifelsfall werden da schon die Lebenspartner (m/w/d) drauf drängen.

Ganz finster (auch im Wortsinn) sind die Aussichten für Gastro-Personal. Nehmen wir mal Findorff als Beispiel. Nachts um eins oder gar zwei Uhr dürfen dann Frauen bis zu ihren Autos auf der Bürgerweide traben – stets die Angst im Genick, dass ein Irrer nicht bloß ein freundliches Lächeln von ihnen erheischen will.

Und nu? Anti-Verkehrssenatorin Maike Schaefer und Innensenator Ulrich Mäurer (ich stell mir die beiden gerade als  echtes Dream-Team vor) gehen bei Gericht in Berufung. Die nächste Instanz kann möglicherweise temporär begrenzt ein Hintertürchen aufmachen und formulieren (Juristen haben bekanntlich auf alles eine Antwort), allerdings: Kein Gericht dieser Welt kommt an der StVO vorbei. Und die besagt in Paragraf 12, Abs. 4, das aufgesetzte Parken ist unzulässig. Bislang hatte die Polizei dies mit jeweils komplett geschlossenen Augen geduldet. Nach dem alten Grundsatz: Wo kein Kläger, auch kein Richter. Die teils unter den zu schmalen Fußwegen Leidenden, teils aber auch Hardcore-Fußweg-Fetischisten (die dann gern mal das eigene super-schlanke Lastenfahrrad am Gartenzaun anketten) haben mit ihrer Klage erreicht: Einige Politiker unseres Ländchens müssen das Problem schnell-bebrüten

Darf künftig in den vielen engen Straßen bloß noch auf einer Seite geparkt werden, fehlen demnächst nämlich tausende von Parkplätzen. Einige Beobachter rechnen gar mit einem Minus von 50.000 Parkplätzen. Ja, werte Gehweg-„Freischärler“, ich habe verstanden: Es sind illegale und waren illegale Aufgesetzt-Parkplätze. Jaaa. Aber ohne sie fehlt halt was.

Wie sacht der Bremer: Nützt ja nix. Die Autos müssen dann woanders hin. Großparkplätze will niemand haben, weil hässlich, ham wir auch gar keinen Platz für. Parkhäuser kosten ein Wahnsinns-Geld. Wer finanziert die, wer bewirtschaftet die, wer muss künftig monatlich wie viel blechen, um seine Blechkiste darin abstellen zu dürfen. Autos – hex, hex – wegzuzaubern wird auch nicht funktionieren. Da kann die Klima-Enquetekommission der Bremischen Bürgerschaft noch so sehr die Däumchen im Wolkenkuckucksheim drücken. Die wollen die Zahl der Autos bekanntlich nahezu halbieren. Wir sollen lieber Rad fahren, den ÖPNV nutzen und Car-Sharing betreiben. Kommissions-Damen und -Herren: Träumen Sie weiter! Solange der ÖPNV es nicht gebacken kriegt, endlich wieder nach regulärem (statt aktuell immer noch nach Corona-) Fahrplan zu fahren – wie sollen dann Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in akzeptabler Zeit vom heimischen Küchentisch zur Maloche zu kommen?

Verzeihen Sie mir zum Schluss noch zwei Zahlen, zur besseren Einordnung: Die Car-Sharing-Branche freut sich gerade nen Wolf, weil sie inzwischen – bundesweit – 38.000 Fahrzeuge auf den Straßen hat. Der gesamte deutsche Fahrzeug-Bestand beträgt aktuell – tief Luft holen – 59.000.000 (59 Millionen) Kfz.  

Bleiben Sie munter!

Ihr as

Axel Schuller

P.S.: Ich habe Sie, liebe Leserinnen und Leser, inzwischen als ausdauernde, geduldige und wissenshungrige Menschen kennengelernt. Deshalb kündige ich Ihnen hiermit schon mal das nächste „Stückchen“ an: Ich habe – Spaß hat’s wirklich nicht gemacht – in der neuesten Broschüre der Senatsressorts für Stadtentwicklung und für Wirtschaft gestöbert. Ach ja, die Handelskammer hat sich erneut als Mit-Absender vereinnahmen lassen. Die Zusammenfassung des 88-Seiten-Werkes – „Strategie Centrum Bremen 2030+ / Lebendige Mitte zwischen Wall und Weser“ – ist so hübsch zu lesen, dass ich Ihnen diese heute (spätestens morgen) wörtlich darreichen werde. Schließlich möchte ich Sie an so einem sonnigen Sonntag gerne mal beschenken

Für dieses Sahnestückchen aus der bremischen Wortdrechselei gibt es übrigens keinen eigenen Newsletter!

Herzliche Grüße

von Ihrem heimlichen Masochisten (muss man wirklich sein, um sich die genannte Broschüre reinzuziehen)

as