Kulturressort spricht von Foltermethode / Mahnmal für mutmaßlichen Dealer

06.03.2022 Aus Von ED-as_Blog-17

Liebe Leserinnen und Leser,

heute verspreche ich Ihnen, dass Sie nach meiner Einschätzung nicht aus dem Staunen herauskommen werden.

Ich beginne – und es fällt mir im vorliegenden Fall sau-schwer – sachlich:

Ende Januar 2005 ist der mutmaßliche Kokain-Dealer Laye Alma Conde´ aus Sierra Leone nach der Zwangs-Vergabe eines Brechmittels im Bremer Polizei-Gewahrsam ein paar Tage später in der Klinik, gestorben. Wirklich ganz furchtbar: für ihn, für seine Familie und für alle Mitfühlenden. Übrigens auch für den Polizeiarzt!

Conde´ war von der Polizei als mutmaßlicher Dealer geschnappt worden. Statt das Kokain den Beamten freiwillig zu übergeben, schluckte er es – bereits in Kügelchen verpackt – runter. In den Jahren 1991 bis 2005 wandte Bremen das sogenannte Brechmittel-Verfahren an. Unter ärztlicher Aufsicht musste der mutmaßliche Dealer ein Brechmittel mit viel Wasser – notfalls unter Zwang – schlucken. Darauf erbrach man sich, das Dealer-„Gut“ wurde sichergestellt.

Conde´ reagierte während der für keinen der Beteiligten angenehmen Prozedur mit gesundheitlichen Schwierigkeiten. Das Herz setzte aus (war es vorgeschädigt?), jedenfalls konnte er später in der Klinik nicht mehr gerettet werden. 

Einige Bremer haben Conde´ seinerzeit (und bis heute) zum Märtyrer erhoben, der aufgrund der Polizeigewalt gestorben sei. Jährlich findet Ende Januar am Todestag eine Demo statt. Die Koalition von SPD, Grünen und Linken (rot-grün-rot) hat nun Geld für ein Mahnmal zur Erinnerung an den Tod zur Verfügung gestellt: 60.000 Euro.

Achtung: Ich verlasse jetzt die rein sachliche Ebene. Ich bekomme eher Handlähmung, als dass ich den folgenden Behördenquatsch – ja Behörden-Quatsch – einfach referiere.

Der „Senator für Kultur“ (Chef ist Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte, SPD, operativ zuständig: Staatsrätin Carmen Emigholz, SPD) hat eine „Ausschreibung“ veröffentlicht. Was jetzt folgt, ist keine bösartige Erfindung von mir. Nein, es stammt aus dem „Senatspressedienst“ des Bundeslandes Bremen.

Ich zitiere den ersten Satz wörtlich: „In Bremen soll beim Gerhard-Marcks-Haus ein Gedenkort entstehen, der an die Zeit der Brechmittelvergabe in Bremen zwischen 1991 und 2005 und insbesondere an Laye Alma Conde´, der an den Folgen dieser Foltermethode 2005 gestorben ist, erinnert.“ 

Es solle ein Kunstwerk entstehen, über dessen Gestaltung eine Auswahlkommission entscheiden werde. Für diese Kommission sucht das Kultur-Ressort bis zum 31. März (Fristverlängerung, weil sich leider noch nicht genügend „Experten“ gemeldet haben) Menschen, die sich bei folgenden Fragen „angesprochen fühlen“:

1. „Haben Sie selbst Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung in Bremen – und damit einen Blick für die besondere Perspektive des Gedenkorts?

2. Machen Sie selbst die Erfahrung, als „fremd“ angesehen und ggf. benachteiligt zu werden?

3. Kennen Sie vielleicht Menschen, die von einem Brechmitteleinsatz betroffen waren?

4. Sind Sie selbst Betroffene oder Betroffener eines Brechmitteleinsatzes gewesen? 

Sie brauchen keinen künstlerischen Sachverstand, sondern sollten Neugier und Erfahrung mitbringen.

Dann sind Sie hiermit aufgerufen mitzumachen!“

Isch schwör’s: Von 1. bis zum letzten Ausrufezeichen ist dies wörtlich aus der Presseerklärung des Kulturressorts zitiert.

Da platzen gleich schwallweise Fragen aus mir heraus: Haste da noch Töne? Bescheinigt da ernsthaft eine Senatsbehörde den Landesregierungen der Jahre 1991 bis 2005 „Foltermethoden“ angewendet, bzw. zugelassen zu haben? Sind die Mitarbeiter der Pressestelle vielleicht ein klitze-klitze-klein wenig durchgeknallt? Hat da möglicherweise ein öffentlich Bediensteter diesen ungeheuerlichen Text (inkl. der – zurückhaltend – zweifelhaften Anforderungen an die künftigen Kommissions-Mitglieder) ohne jedes Nachdenken in den Senatspressedienst gepackt?

Noch eine Frage: Hat man im Kulturressort wenigstens einen Sekunden-Schlaf lang darüber nachgedacht, Polizisten, die diesen wahrhaft Scheiß-Job machen mussten, an der Entstehung des „Mahnmals“ zu beteiligen? Oder gar den Polizeiarzt, der – von den pro-Conde´-Initiativen mehrfach vor Gericht gezerrt – mit Mitte 40 psychisch völlig fertig in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde? Wird vielleicht auch darüber nachgedacht, bei dem Werk zu berücksichtigen, dass Herr Conde´ kein Unschulds-Lamm war, sondern Kokain-Kügelchen runtergeschluckt hatte?

Sagen Sie, liebe Leserinnen und Leser, jetzt bitte nicht, das kann sich der Schuller doch alles nur ausgedacht haben. Nein! Meine Zeugen: Der Senatspressedienst vom 28. Februar 2022 und der Bremen-Teil der Kreiszeitung. Diese Redaktion hat am 5. März 2022  dankenswerterweise über das senatorische Ansinnen berichtet.

Sollten Sie sich jetzt fragen: Ja, verschlucken Dealer die Drogen-Päckchen inzwischen nicht mehr? Oder doch! Und wie fördert die Polizei die denn dann aktuell zu tage?

Ich beantworte die Fragen selbstverständlich. Aber dafür müssen Sie über einen robusten Magen verfügen und sollten Übelkeits-resistent sein. Dealer, die den Stoff vor einer drohenden  Polizeikontrolle runterschlucken, müssen im Polizei-Gewahrsam auf spezielle Toiletten gehen. Beamte „dürfen“ dann im Stuhlgang der Verdächtigen nach den Drogenkügelchen suchen

Da ist man doch gerne Polizist… Pfui Deibel.


Letzte Anmerkung zu diesem unglaublichen Thema: Hat dieser offenbar wundersam kreative Senat eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, den – über die Jahre zu beklagenden – tausenden Drogenopfern ein Mahnmal zu errichten?

Bleiben Sie trotz alledem munter!

Herzlichst 

Ihr as

Axel Schuller