Teil-Qualitätsvergleich: Weser-Kurier versus Radio Bremen

21.02.2022 Aus Von ED-as_Blog-17

Liebe Leserinnen und Leser, 

meiner beruflichen Vita können Sie entnehmen, dass mir das Zeitungswesen, auch Tageszeitungen, wirklich am Herzen liegt. Insofern wage ich mich heute auf dünnes Eis vor. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie die vom Weser-Kurier angekündigte Preiserhöhung zum 1. März von 42,90 auf 44,90 Euro fürs Monats-Abo – vornehm ausgedrückt – gar nicht gut finden. Ich halte heute mal dagegen: Die Abo-Preissteigerung müsste deutlich höher ausfallen.

Bevor Sie mich jetzt vom Hof jagen, will ich Ihnen diese Sicht begründen. Und zwar anhand eines realen Beispiels aus der vorigen Bürgerschaftssitzung vom 26. Januar – bevor morgen schon die nächste beginnt.

Bürgermeister Dr., Andreas Bovenschulte (SPD) gab da – die gefühlt 100. – Regierungserklärung zur Corona-Pandemie ab. Am Tag darauf konnte man im WK über Bovenschulte lesen. Schon Ende Januar wunderte ich mich als Leser gehörig, dass keinerlei Reaktion auch nur eines Parlamentariers auf den Regierungschef vermeldet wurde. Hatte es sich die Zeitung bei diesem Bericht bloß einfach gemacht und eine sich anschließende Debatte mal eben weggelassen? 

Ich möchte nicht in den Ruch kommen, meinem Ex-Verlag hin und wieder ans Bein „pinkeln“ zu wollen. Dafür liegt die Zeit meiner Mitarbeit viel zu lange zurück, nämlich über 23 Jahre. Ich denke, die Meinung einiger meiner Ex-Kollegen, ich sei rachsüchtig, führt sich aufgrund des langen Zeitraums selbst ad absurdum.

Eine Recherche zu einem anderen Thema führte mich jüngst noch einmal zur besagten Regierungserklärung. Und das Resultat machte mich  – kurzfristig – so fassungslos, dass ich erst einmal tief Luft holen musste. „Meine“ Tageszeitung hatte Ende Januar nicht einfach ein paar parlamentarische Stimmen zu Bovenschultes Regierungserklärung „weggelassen“, sondern ein Thema gründlich vergeigt. Und ich finde, dass muss auch mal gesagt werden.

Liebe Leserinnen und Leser, teilen Sie mir bitte sehr, sehr gerne mit, ob Sie inhaltlich begründete Kritik an „Ihrer“ Tageszeitung stört, erhellt oder was auch immer. Ich meine diese Bitte um Rückkoppelung ernst!

Die Bürgerschafts-Debatte Ende Januar beleuchtete den Zustand der Bremer rot-grün-roten Koalition auf so grausame Art, wie man es auch als WK-Leser schon gern erfahren hätte. Die CDU war in diesem Fall so einfallsreich, dass sie parallel zur Regierungserklärung einen Antrag einbrachte. Mit diesem sollte die Bürgerschaft den Senat auffordern, im Bundesrat für eine Impfpflicht aller Bürger ab dem 18. Lebensjahr einzutreten.

Klingt ganz einfach, war es aber nicht. Ich verspreche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, es folgt gleich eine ziemlich irre Geschichte. Und keine Bange, zum Abo-Preis komme ich noch!

Zur Erinnerung: SPD und Grüne treten in Bremen und auf Bundesebene  mehrheitlich für die Impfpflicht ein. In jener Bremer Bürgerschaftssitzung teilte die Linke – Bestandteil der Bremer Landesregierung – mit, ihre Fraktion sei in der Frage der Impfpflicht gespalten, deshalb werde sie den CDU-Antrag ablehnen. SPD und Grüne erklärten darauf, sie würden aus Gründen der Koalitions-Räson den CDU-Antrag nicht unterstützen. Sechs grünen Abgeordneten ging das dermaßen gegen den Strich, dass sie in persönlichen Erklärungen darauf hinwiesen, sie seien für die Impfpflicht, wollten aber nicht gegen die Koalition stimmen. 

SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör war der Koa-Frieden ebenfalls näher als das möglicherweise Pandemie-beendende Impfen und griff in altbackscher (oder sagt man: altbackener?) Politikermanier zur Nebelmaschine: Die CDU-Initiative sei ein Schau-Antrag, die Impfpflicht werde auf Bundesebene verhandelt. Zur Erinnerung: Noch ist Bremen ein Bundesland und damit Teil des Bundesrates. Und jener Bundesrat repräsentiert einen Teil der „Bundesebene“.

Am Ende stimmte bloß die CDU für ihren – sinnvollen – Antrag. Die FDP wollte ebenfalls nicht Ja-Sagen.

Woher ich dies alles weiß? Der Blick ins Archiv von „buten und binnen“ (Ausgabe vom 26. Januar 2022) fördert das ganze Elend und – ich muss das leider sagen – das Versagen des Weser-Kurier zutage. Sorry, liebe Ex-Kollegen in der Martinistraße.

Das Verhalten von SPD, Grünen und Linken bei der Abstimmung über den CDU-Antrag führt nach meiner Einschätzung nicht zu einer Minderung der zunehmenden Politikverdrossenheit. Ich rechne eher mit dem Gegenteil. Immer mehr Menschen haben die polit-taktischen Spielchen satt. Und daran ist ein Großteil der Bremer Parlamentarier selbst schuld.

Jetzt komme ich zum WK-Abo-Preis. Vergleicht man die Berichte von WK und Radio Bremen im konkreten Fall, muss der WK-Abo-Preis  vermutlich mindestens verdoppelt werden. Allerdings nur, wenn man hoffen dürfte, dass die Redaktion dann mehr Zeit hätte und diese auch nutzen würde, sich angemessen mit einem viele Menschen betreffenden Thema zu beschäftigen. 

Zur Teil-Ehrenrettung der Print-Kollegen will ich anführen: Der öffentlich-rechtliche Sender Radio Bremen erhält alle paar Jahre  höhere Gebühren – unabhängig davon, ob und wie viele Menschen die Programme nutzen. Bezahl-Zeitungen dagegen müssen sich aus Verkaufserlösen (Anzeigen, Beilagen und Abos) finanzieren. 

Fazit: Um nicht weiter scharenweise Leserinnen und Leser zu verlieren, muss der Inhalt „stimmen“. Hört sich einfach an, ist zuweilen aber offenbar schwierig.

Bleiben Sie bitte munter!

Ihr as

Axel Schuller