Bundesweit einzigartiges Personalvertretungsgesetz und eine super-schlaffe Opposition
Bremen sieht sich selbst gerne als modernen und weltoffenen Ort, möchte sich seit einiger Zeit das schicke Mäntelchen der innovativen Großstadt umhängen. Davon künden beispielsweise die neuen „Starthäuser“.
Bitte, nehmen Sie es mir ab, liebe Leserinnen und Leser: Es geht mir nicht um Nestbeschmutzung, sondern um einen klaren Blick. Und wendet man den auf den öffentlichen Dienst an, na ja, dann landet man fix auch beim Bremischen Personalvertretungsgesetz. Und den darin enthaltenen Fesseln, den öffentlichen Dienst modern auszurichten. Das Gesetz enthält seit nunmehr fast 48 Jahren die Allmacht, sorry die Allzuständigkeit, des Personalrates. Wer dagegen aufmuckt, gerät ins Visier der Gewerkschaften – insbesondere von ver:di – und der SPD. Die Bremer Sozialdemokraten verstehen ihre an Nibelungentreue erinnernde Hinwendung zu den Gewerkschaften – aus meiner Sicht – fälschlicherweise als Arbeitnehmer-freundlich. Dabei arbeiten die meisten Bremerinnen und Bremer nicht im öffentlichen Dienst, sondern sind Kunden desselben. Und die Kunden, dachte ich immer, seien tonangebend. Oder, um das andere berühmte Bild zu nutzen: Der Köder muss dem Fisch, nicht dem Angler schmecken.
Egal. Ne, überhaupt nicht!. Allein diese Kurzanalyse ruft CDU und FDP doch umgehend auf den Plan, lässt den beiden „altehrwürdigen“ Parteien keine Ruhe, die drängen bestimmt auf Änderungen. Pustekuchen. Nischt. Vor einigen Jahren forderten CDU und FDP noch markig eine Überarbeitung des Gesetzes. Wenigstens eine Kommission unter Teilhabe von externen (im Bremer Klüngel immer wichtig!) Sachverständigen solle mal eingesetzt werden.
Die Sozis haben sich aber bedingungslos den Gewerkschaften verschrieben. Die Grünen hatten mal 2017 ansatzweise Bewusstseins-Zuckungen, nahmen doch tatsächlich dem Personalvertretungsgesetz gegenüber eine distanziert kritische Haltung ein. Die reich gefüllten Regierungs-Tröge waren aber seltsamerweise verlockender als das inhaltlich richtige Ziel. Verstehe ich bis heute nicht. :-))
Die Linken finden offenbar alles geil, was Gewerkschafter im kleinsten Bundesland so treiben. Und das war’s dann.
Im Herbst vergangenen Jahres schien die kleine bremische Welt für kurze Zeit aus dem Takt zu geraten. Da erdreistete, ja erfrechte, sich doch tatsächlich eine Führungskraft aus dem Öffentlichen-Dienst-Reich – eine Vorstandsfrau der neuen halb-kommunalen Firma „Die Bremer Stadtreinigung“ – Tacheles zu reden. Und was geschah? Wieder nix. Die Opposition von CDU und FDP nahm die Vorlage nicht auf, hüllte sich in Schweigen. Die Heimatzeitung, die der Frau immerhin ihre Rubrik „Standpunkte“ geöffnet hatte, schwieg. Kein Nachdreher. Kein Kommentar. Nix.
Merkwürdig, gerade höre Daliah Lavi aus dem Off trällern: „Ohoopositioooon, wann kommst du…? Ja, wann kommt dieser Trupp endlich aus der Schlafhöhle hervorgekrochen? Dort ist es so kuschelig warm, die Halbtagsdiäten in Höhe von 5.154 Euro fließen wie Milch und Honig von allein auf die Konten, da bewegt man sich offenbar nicht so gern.
Leute, mich jetzt nicht in die falsche Schublade packen: Ich kenne kein besseres System als die parlamentarische Demokratie. Aber die Akteure, bitte sehr, müssen ihren Rollen auch gerecht werden.
Schauen wir uns nun mal das Bremische Personalvertretungsgesetz genauer an. Formuliert wurde es 1974 unter einem SPD-Bürgermeister, der zuvor ÖTV-Sekretär war: Hans Koschnick. Es war jene Zeit, als Bremen im Länderfinanzausgleich Geber-Land war. Für die Jüngeren: Bayern war Agrar- und Empfängerland. Tja, irre Zeiten eben.
Bremen ging es so gut, dass es sich in diesen Jahren ernsthaft zu der Werbe-Kampagne hinreißen ließ: „Wir verschenken unseren alten Ruf.“
Sachen könnt’ ich Ihnen erzählen…will ich jetzt aber nicht. Es geht ja um das Personalvertretungsgesetz.
Ich halt mich jetzt mal raus und fasse aus dem „Standpunkt“ der Stadtreinigungs-Vorstandsfrau zusammen: Der Personalrat nimmt an jedem Vorstellungsgespräch, auch von Führungskräften teil – und muss der Einstellung zustimmen. Der allzuständige Personalrat muss zu jedem und allem ja sagen. Kann man sich nicht einigen, geht’s in die Schlichtung und Einigung. Natürlich stets in Begleitung von Rechtsanwälten. Wer bezahlt die ganze Party? Die Steuerzahler.
Aus einer anderen Behörde hörte ich, der Personalrat muss sogar – zwingend – zustimmen, wenn ein Mitarbeitender (ja, kann ich, wenn ich will) von der einen Seite des Flures auf die andere umziehen soll.
Legendär auch die Weigerung von Bremer öffentlich-bestallten Reinigungskräften vor Jahren, statt in der City in Bremen-Nord zu putzen. Ich habe ja schon mal berichtet, nicht von hier, sondern aus dem Flächenland Hessen zu stammen. Dort schüttelt man angesichts solcher Absurditäten bloß den Kopf.
Zurück zu der Bremer Müllabfuhr-Vorstandsfrau, die offenbar zur radikalen Minderheit jener in den Führungsetagen des öffentlichen Dienstes gehört, die Mumm haben. Sie kam jedenfalls öffentlich zu dem erschütternden Fazit: „Die mögliche Willkür der Personalräte verkommt im schlimmsten Fall zum (Macht-)Missbrauch und lähmt die Dienststellen und kommunale Unternehmen.“
Das besonders Scharfe an dem in deutschen Landes einzigartigen (weil weitreichenden) Gesetz ist: Es gilt nicht nur für Behörden, sondern auch für Institutionen, in denen Bremen Mehrheitsgesellschafter oder als Gesetzgeber beteiligt ist. Wie eben bei der Stadtreinigung (Anstalt des öffentlichen Rechts), der Behindertenwerkstatt Martinshof – ja selbst im Landesgesetz für Radio Bremen ist eine Nebenart des Bremischen Personalvertretungsgesetzes festgeschrieben.
Obelix’ Befund würde jetzt lauten: Die spinnen, die Bremer. Leider hat der Mann mit der ausladenden Figur nie den Weg aus dem kleinen gallischen Dorf bis zu den Stadtmusikanten in die Hansestadt geschafft.
Bleibt bloß die Hoffnung, dass SPD und Grüne sich doch noch darauf besinnen, das Gesetz mit Hilfe externen Experten darauf hin zu überprüfen, ob es wirklich noch in die heutige Zeit passt. Gerne auch mal zu gucken, ob der normale Arbeitnehmer (m/w/d) des öffentlichen Dienstes aus dem Mega-Gesetz auch nur einen Vorteil im Vergleich zu Bediensteten anderer Länder zieht. Oder, ob es eher Personalräte und Gewerkschaftsfunktionäre sind. Wär wirklich interessant und könnte die sachliche Basis für künftige Pläne bilden.
Bremen ist alles andere als reich, hat nix mehr zu verschenken, benötigt eine schlanke und zugleich effektive Verwaltung, um die Selbstständigkeit in die Zukunft retten zu können.
Dafür den Turbo anzuschmeißen, wär doch mal ne lohnenswerte und schicke Aufgabe für die „Ohoopositioooon“.
Bitte, bleiben Sie (trotzdem) munter!
Herzlichst
ihr as
Axel Schuller
****************************************************************************************************************************Nachtrag für die ganz emsigen Leserinnen und Leser, die sich heute noch unbedingt ein Fleißkärtchen verdienen wollen.
Im Folgenden können Sie einen Auszug aus einem Fraktionspapier der Grünen aus dem Jahr 2017 lesen. In Gänze finden Sie es im Netz unter:
„Grüne Fraktion Bremen/Den öffentlichen Dienst in Bremen zukunftsfähig, effizient und bürgerfreundlich gestalten“.
Ähnlich überzeugendes Blattwerk ist auch auf den Seiten von CDU und FDP zu lesen – aber leider datiert es ebenfalls im vorigen Jahrzehnt.
Hier nun – beispielhaft – die Grünen-Denke aus 2017. Die Hervorhebungen sind zur besseren Orientierung von mir.
Biddesehr:
„………………………………Aber Mitbestimmung darf sich nicht in Blockadehaltung erschöpfen, sondern dient dazu, an adäquaten Lösungen zu arbeiten, die dem Anspruch der BürgerInnen an den öffentlichen Dienst ebenso wie den berechtigten Interessen der öffentlich Bediensteten gerecht werden.
Personalvertretungen in Bremen haben einen großen Einfluss auf Entscheidungen in der öffentlichen Verwaltung. Dies ist im Sinne der Angestellten des öffentlichen Dienstes eine große Errungenschaft, bedeutet aber auf der anderen Seite auch eine große Verantwortung.
Im Bereich der Mitbestimmung wird die Freistellung von Personalräten zum Teil über die gesetzlich vorgeschriebene Quote ausgeweitet. Zum Teil können beim Dissens zwischen Personalvertretung und Verwaltungsleitung wichtige Entscheidungen zum Beispiel in organisatorischen Fragen über längeren Zeitraum verzögert werden.
Und da stellt sich die Frage: Ist das bremische Personalvertretungsgesetz, das die Mitbestimmungsrechte der Angestellten im öffentlichen Dienst regelt, verfassungskonform?
Wir stellen überhaupt nicht per se das Personalvertretungsgesetz in Frage. Es regelt viele Arbeitnehmerrechte, und das ist absolut richtig und muss auch weiterhin gelten. Aber es darf nicht dazu führen, dass Entscheidungen im öffentlichen Dienst entweder blockiert oder zu lange verzögert werden. Wir halten z.B. bei gesetzlichen vorgesehenen Schlichtungs- und Einigungsstellenverfahren eine befristete Dauer für notwendig, um zu schnelleren Entscheidungen zu kommen und Probleme effektiv angehen zu können.
In Schleswig-Holstein und Hamburg wurden zum Beispiel nach der Ausurteilung durch das Bundesverfassungsgericht 1995 Anpassungen am Personalvertretungsgesetz vorgenommen. In Bremen blieb man damals bei der Originalversion des Gesetzes.
Wir Grünen wollen einen effizienteren, kundenorientierten und mitarbeiterfreundlichen öffentlichen Dienst. Daher ist es notwendig, Baustellen zu benennen, Transparenz über die betrieblichen Prozesse zu schaffen und gemeinsam mit den Beschäftigten, Personalvertretungen und dem Dienstherrn eine lösungsorientierte Verwaltungsreform zu erarbeiten.“