How dare you? Umweltressort stänkert gegen Autos, lässt aber Bioabfall über die A 1 karren

04.02.2022 Aus Von ED-as_Blog-17

Liebe Leserinnen und Leser, als (hoffentlich) regelmäßige Blog-Leser haben Sie mich längst durchschaut: Für mich ist die Welt ein bisschen besser, wenn Wort und Tat möglichst eng beieinander liegen. Dort, wo reden und handeln jedoch Kilometer – möglicherweise 100 Kilometer – weit auseinander liegen, kriege ich Blutdruck. Sie verstehen…

So viel vorab: Umwelt- und Mobilitätssenatorin Dr. Maike Schaefer (Grüne) muss sich in den kommenden Monaten warm anziehen. Selbst, wenn der Sommer an der Weser Einzug halten wird. Die von ihr, ihren grünen und linken Unterstützern und mittlerweile auch von der Enquetekommission Klima betriebene Hatz auf Autofahrer trägt langsam, aber sicher Früchte. Aber anders, als die Grüne sich das vermutlich vorstellt. 

Aktuell gründen sich mehrere Bürgerinitiativen gegen die „kalte Enteignung“, offiziell Anwohnerparken genannt. Deren Initiatoren haben die Faxen dicke, wollen sich nicht länger von einer Senatorin drangsalieren lassen, deren Behörde keineswegs als leuchtendes Vorbild voran marschiert. 

Im Gegenteil: Das grüne Umweltressort ist unter anderem dafür verantwortlich, dass jährlich über 1.000 schwer beladene Sattelzüge zwischen Bremen und Osnabrück hin- und herkutschen. Darauf komme ich – versprochen – zurück.

Betrachten wir zunächst uns selbst. Nicht wenige vernünftige Bremerinnen und Bremer sagen zwar: „Ja, es gibt aber auch wirklich viel zu viele Autos in der Stadt. Und zu groß, ja, sind die Dinger auch.“ Doch die Entscheidung, eines oder mehrere Fahrzeuge aus dem eigenen „Fuhrpark“ zu entfernen, scheitert fast immer an sehr, sehr wichtigen Notwendigkeiten… 

Hier, liebe Leserinnen und Leser, ist jetzt Raum – nicht für Notizen, sondern – zur Selbst-Reflektion……………………………………………..

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So, Selbstgeißelung einstellen, schafft in Wahrheit ja kein einziges Auto von der Straße, macht bloß den Rücken kaputt.

Die Klima-Enquetekommission, übrigens unter Vorsitz eines Christdemokraten, hat sich viel vorgenommen. Sind aktuell in Bremen 437 Autos pro 1.000 Einwohner angemeldet, sollen es 2030 noch 300  sein, für 2038 lautet die staatliche Vorgabe: 150 Autos pro 1.000 Einwohner. So wollen die Umweltpolitiker die Luft sauberer kriegen. Die ist zwar heute schon besser als in vielen deutschen Großstädten. Aber: Bremen will ums Verplatzen endlich mal wieder ganz oben auf dem Treppchen stehen. Wenn schon nicht bei Pisatests, Durchschnittseinkommen und niedriger Staats-Schuldenlast, so doch wenigstens beim Erreichen von Klimazielen.

Bewohnern der östlichen Vorstadt, Findorffs, der Neustadt schwant überwiegend Schlimmes. Zeitgleich mit dem gebührenpflichtigen Anwohnerparken (ohne Parkplatz-Garantie, versteht sich) soll das aufgesetzte, und damit meist beidseitige, Parken verboten werden. Mehr Fahrradbügel und Ladestationen für E-Autos werden in den Stadtvierteln tausende Parkplätze kosten. Dass die Stadt in den Vierteln bezahlbare Quartiersgaragen für die vielen überzähligen Autos baut, sehen die Pläne nicht vor. Bin mal gespannt, was die Stadtteil-Bürgerinitiativen so bewirken werden.

Neugierig, wie Sie (zum Glück!) sind, wollen Sie neben dieser „Prophezeiung“ bestimmt noch erfahren, inwiefern das grüne Umweltressort für eine unnötige Verpestung der Luft verantwortlich ist.

2017 hatte die Behörde die Verarbeitung der Bremer Bioabfälle ausgeschrieben. Immerhin geht es um etwa 25.000 Tonnen pro Jahr. Bei der Ausschreibung wurde peinlichst genau auf die Einhaltung der europäischen Richtlinien geachtet. Und auf den Preis. Dass die ollen Kartoffelschalen, angeschimmelten Äpfel, Eierschalen usw. möglichst in Bremen oder Umzu zu Kompost oder thermischer Energie verarbeitet werden sollen – hatte man beim Texten der Ausschreibung aus lauter Angst von den EU-Richtlinien offenbar aus dem Blick verloren.

Die Folge: Der Entsorgungsriese Remondis ergatterte den Auftrag, die Bioabfälle bis 2030 zu verarbeiten. Dummerweise ist die Firmen-Anlage  nicht bei uns in der Nähe, sondern in Bohmte nahe Osnabrück. Bedeutet: Der BIOabfall wird rund 100 Kilometer dorthin gekarrt und landet in einer Biogasanlage. Möglicherweise erhält Remondis Zuschüsse aus der (von uns Doofen entrichteten) EEG-Umlage, weil er so nett ist, Biogas zu produzieren. Würde mich nicht wundern. 

Klingelt’s bei Ihnen, oder kriecht bereits die kleine Wut für Zwischendurch langsam in Ihnen hoch? Wir Bürger sollen möglichst wenig, am besten kein Auto, mehr fahren, aber die Behörde lässt den BIO-Kram mit großen Lastern durch die Lande fahren.

Bremen wäre nicht Bremen, gäbe es nicht noch ein Schmankerl obendrauf: Die Firma Abfall Logistik Bremen (ein gemeinsames Unternehmen der teil-kommunalen „Die Stadtreinigung Bremen“-DBS und Nehlsen) leeren die braunen Tonnen und kippen den Inhalt auf der alten Kompostierungsanlage neben der Blocklanddeponie in einer riesigen Halle ab. Dort fahren dann die Osnabrücker Sattelschlepper vor, laden jeweils rund 25 Tonnen von dem Schmodder auf – und kutschen damit rund 100 Kilometer über die A 1. Im Schnitt säuft ein Sattelzug dieser Größe rund 35 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Einfach gerechnet: Bei 1.000 Touren – nur eine Richtung gerechnet – und rund 100.000 Lkw-Kilometern rauschen 35.000 Liter Diesel durch die Einspritzdüsen. Eine umweltpolitisch heroische Tat des Umweltressorts und seines Staatsrates Ronny Meyer. Ach ja. Der Auftrag ist bis 2030 vergeben – ungewöhnlich lang, über zwölf Jahre. Richtig: Dann haben wir – so der Plan – ja auch bloß noch 300 Privatautos pro 1.000 Einwohner. Sie sehen: Die Welt kommt doch noch in Ordnung.

Hätte man übrigens 2017 in der Ausschreibung festgelegt, der Bioabfall müsse – aus ökologisch nachvollziehbarem Grund – innerhalb von 50 Kilometern verarbeitet werden, wäre der gesamte Prozess möglicherweise im Bremer Blockland geblieben. Vielleicht hätte der Betreiber ja auch eine Biogas- oder – boah ey – sogar eine Wasserstoffanlage dazu gebaut. Dann könnten heute beispielsweise  BSAG- und Hafenstrom in Bremen erzeugt werden.

Ich vermute, eine solche BIOlösung war den Bremer Planern einfach zu simpel. So leidet die Umwelt still unter den Abgasen der Lkw-Karawane. Aber: Die Bremer Grünen (seit 2007 fürs Umweltressort verantwortlich) können trotzdem frei von Gewissensbissen schlafen: Die meisten Abgase treten ja gar nicht in Bremen, sondern auf niedersächsischen Gebiet aus. Puh, doch noch Glück gehabt… 

Viel besser, wenn auch nicht optimal, sieht die Öko-Bilanz übrigens bei der Abfuhr des Gelben Sackes aus. Vielleicht, weil Bremen darauf keinerlei Einfluss hatte. :-)) Ich weiß: Das war jetzt gemein. 

Die Fakten: In Bremen fallen jährlich – jetzt heißt es mal wieder: anschnallen und festhalten! – 16 Millionen Kilogramm Umverpackungs-Material an, die über das Duale System, Vulgo: den Gelben Sack, entsorgt werden. Die Profis unter Ihnen haben natürlich bereits das Komma verschoben und sagen abgebrüht: 16.000 Tonnen. Richtig: Aber mit der Kilogrammzahl wollte ich Ihre Phantasie anregen. Überlegen Sie mal, 16 Millionen Kilogramm gedanklich In Relation dazu: Joghurt-Plastikbecher, die Plastik-Ummantelung von sechs 1,5-Liter-Wasserflaschen, leere Dosen von der leckeren Fertigsuppe… Hammer, oder? 

Lassen Sie uns mal wieder ein bisschen rechnen; bin ja der selbsternannte MINT-Beauftragte – Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Höre ich da gerade ein paar Freunde wiehern? 🙂

Der durchschnittliche Gelbe Sack wiegt in Bremen rund 2 Kilogramm. 16.000 Tonnen, gleich 16 Millionen Kilogramm, dividiert durch 2 Kilogramm, bedeutet: Nur wir Bremer pflastern die Straßenränder jährlich mit sage und schreibe 8 Millionen Gelben Säcken. Wahnsinn!

Von diesen 16.000 Tonnen Verpackungs-Wertstoffen werden 13.000 Tonnen in einer hochmodernen Bremer Anlage verarbeitet. Am Rande angemerkt: Die wird von einer Gemeinschaftsfirma (Nehlsen und Prezero, einer Tochter des Lidl-Besitzers Schwartz-Gruppe)  betrieben.

Unter dem Strich werden 3.000 Tonnen Gelbe Säcke ebenfalls über die Autobahn gekarrt. Lastwagen mit riesigen Aufliegern (jeweils 92 Kubikmeter große Raumwunder) schaffen 15 Tonnen Gelbe Säcke auf einen Schlag weg. Zu einer Sortieranlage nahe Braunschweig.

Zum Glück gilt auch da: Die Abgase von 200 Lastern pro Jahr belasten die Bremer-Luft nur unwesentlich. Das meiste pusten die Fahrzeuge  auf niedersächsischem Gebiet aus dem Auspuff. Sie sehen: Manchmal ist es doch von Vorteil, so klein zu sein, dass man von einem großen Flächenland wie Niedersachsen umfangen ist.

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Nachtrag zum Bio-Abfall: Die Umweltbehörde hat die Verarbeitung der 25.000 Tonnen – wie dargestellt – nach Osnabrück vergeben. Die Bremer Kompostierungsanlage war dadurch plötzlich bis auf die „Umschlaghalle“ praktisch funktionslos. Mittlerweile ist sie nach meinen Informationen wieder ausgelastet: mit Bioabfällen aus Niedersachsen. Da freut sich die Umwelt. Wüsste Greta Thunberg davon, würde sie die Bremer Umweltbehörde – könnt ich mir jedenfalls gut vorstellen – vermutlich anklagen: How dare you? Wie könnt ihr es wagen – solch einen Bockmist zu verzapfen.

Tja, nützt ja nix: Munter bleiben!
Herzlichst
ihr as
Axel Schuller