CDU vor Scheideweg – Meyer-Heder kann es nicht

01.02.2022 Aus Von ED-as_Blog-17

Liebe Leserinnen und Leser, heute pirsche ich mich mal langsam ran. Der Grund: Es wird vermutlich ziemlich weh tun. Also einigen, um die es in diesem Blog geht. Das Schwierige an meinem heutigen Text ist: Es geht um Menschen, die man mehrheitlich gemeinhin als nette Männer und Frauen bezeichnen muss. Und, ich warne Sie vor: Der Text ist viel zu lang! Wobei: In Wochen- oder großen Tageszeitungen drücken sich einige von Ihnen ja auch so Mega-Teile rein.

Mein Thema heute: Die Bremer CDU, deren Spitzenpersonal, der Zustand der Partei und was aus alldem wird, nachdem Carsten Meyer-Heder erklärt hat, er trete 2023 nicht erneut als Spitzenkandidat an. Er benötige mehr Zeit für seine Firma „team neusta“. Gleichzeitig will er aber Landesvorsitzender der Bremer Union bleiben. Aus meiner Sicht ein Widerspruch in sich.

Meine Analyse weicht von Meyer-Heders Eigensicht bestimmt erheblich ab. Der erfolgreiche Unternehmer hat 2019 ein tolles Wahlergebnis geschafft: Die Union (26,7 Prozent) hat die Bremer SPD (24,9 Prozent) erstmals als stärkste Partei überflügelt. Der Einzug ins Rathaus blieb ihr freilich verwehrt, weil insbesondere die in der Wolle eher rot gestrickte Basis der Grünen viel lieber mit SPD und Linken regieren wollte. Was ihnen ja auch gelungen ist. Also, der Einzug in den Senat. Ob das Regieren so gut funktioniert, daran habe ich Zweifel. Aber urteilen Sie bitte selbst.

Zur CDU: Meyer-Heder hatte der Union einen glanzvollen Sieg (plus 4,3%) beschert. Gleichwohl ist sie in der Opposition gelandet. Und diese Rolle füllt sie leider nicht in dem Maße aus, um 2023 erneut stärkste Fraktion zu werden. Darauf nehme ich Wetten an. Wir müssen uns bloß auf den Einsatz verständigen. Schließlich will ich ja noch genügend Mittel für diesen Blog übrig haben.

Meyer-Heder hat nach seinem Wahlsieg Kardinalfehler Nummer eins eines Seiteneinsteigers gemacht: Er hat nicht den Anspruch auf den Fraktionsvorsitz angemeldet. Ehrlicherweise muss man sagen, ja jetzt tut’s leider weh: Er hätte diese Rolle auch nicht ansatzweise ausfüllen können. Der gewiefte und – notfalls auch gnadenlose – Machtpolitiker Thomas Röwekamp hat sich diesen feinen Posten nicht nehmen lassen. Der heutige Bundestagsabgeordnete hatte es sich schön eingerichtet: Eine eigene Rechtsanwalts-KanzleiNotariatFraktionschef – hat er wundersam alles zusammen in einem Job vereint. Fraktionsvorsitzender, zumal einer Oppositionsfraktion, ist an sich ein Knochenjob. Man muss alle Senatsressorts im Blick haben, notfalls politisch reingrätschen und zur Überzeugung der eigenen Wähler Alternativen entwickeln. Das ist bei Röwekamps Dreifach-Job unschaffbar. So zog es ihn voriges Jahr in den Bundestag.

Dazu kam, dass Meyer-Heder ein offenbar erfolgreicher IT-Unternehmer ist, aber leider kein Politiker. Er ist in Wahrheit bei Reden vor vielen Menschen rhetorisch ein Ausfall, er denkt nicht politisch, er kann nicht spontan politisch parieren, und – am schlimmsten – er kann nicht offen auf Menschen zugehen und diese für sich einnehmen. Das hört sich grausam an, aber so sehe ich das. In kleinen Runden kommt Meyer-Heder deutlich besser an. Obwohl: Über CDU-Landesvorstandssitzungen ist zu hören, die seien seit seinem Amtsantritt meist kurz. Freilich nicht, weil der Vorsitzende so effektiv arbeite, sondern weil er so wenig zu sagen habe.

Röwekamp hatte 2019 leichtes Spiel, den prächtig bezahlten Fraktionsvorsitz (monatlich: 12.886,05 Euro brutto plus 822,53 Euro Zuschuss der Bürgerschaft zur Altersversorgung) zu behalten. Abgesichert hatte er das Manöver bei der Aufstellung der Bürgerschaftsliste. Die Mehrheit der Bürgerschaftsfraktion sind Röwekampianer. Für Meyer-Heder blieb in der Fraktion der Posten des wirtschaftspolitischen Sprechers. Die Bevölkerung hat davon freilich kaum etwas mitbekommen. Dem eigentlichen  Wirtschaftspolitiker, Ex-Handelskammer-Präses Christoph Weiss, wurde das Amt verwehrt. Schließlich konnte man Meyer-Heder als Wahlsieger ja nicht in der Kulisse verschwinden lassen. Für Weiss dachte man sich den wunderbaren (ehrenamtlichen) Posten des „Fraktionssprecher für Controlling und Beteiligungsmanagement“ aus. Geile Aktion, muss ich schon sagen. Weiss ist Chef und Hauptgesellschafter der BEGO, ein großer Mittelständler, der u.a. weltweit Materialien und Geräte an Zahnärzte liefert. Ich vermute, dass Weiss 2023 seinen vierjährigen Ausflug in die Landespolitik beenden wird. Der Mann ist zu schlau, um sich das Polit-Geschäft noch länger anzutun. Außerdem ist sein englischer Humor nicht unbedingt massen-kompatibel.

Andere Röwekampianer wie CDU-Landesgeschäftsführer Heiko Strohmann (53), inzwischen CDU-Fraktionschef, und der Landwirt Frank Imhoff wurden 2019 in Stellung gebracht. Bevor ich weitermache: Beide Politiker, das sage ich aus eigenem Erleben, sind zwei wirklich nette Menschen. Strohmann hat nach seiner Flucht aus der DDR eine beachtliche Karriere als Unternehmer (Schausteller u.a. mit mehreren Brezel-Backstuben) gemacht, sich etwas aufgebaut. Und Frank Imhoff (53) wurde nach der Bürgerschaftswahl 2019 Präsident der Bremischen Bürgerschaft (Gehalt ebenfalls 12.886,05 Euro plus Altersversorgung). Immerhin dort schlug sich der größte CDU-Stimmenanteil nieder. 

Imhoff füllt die Rolle als Repräsentant des Landtages wirklich prima aus. Durch seine Milch-Landwirtschaft in Strom ist der Mann so geerdet wie kaum ein anderer Abgeordneter. Mit ihm kann man gut schnacken, er ist jovial, er ist der Inbegriff eines „feinen Kerls“.

Aber, und jetzt kommen zwei Abers: Sowohl Strohmann als auch Imhoff fehlt – neudeutsch ausgedrückt – das Bürgermeister-Gen. Der Job ist für beide, tut mir wirklich leid, eine Nummer zu groß. Einige (parteiische) Leser und Leserinnen werden mich jetzt als besserwisserisch, von mir aus auch als Klugscheißer, geißeln. Ja, dann ist es so. Aber: Ich bleibe trotzdem bei meiner Einschätzung.

Aus dieser Analyse erwächst eine große, schwierige Frage: Wer soll denn dann gegen Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) antreten? Der Mann ist intellektuell auf Zack und laviert sich dank der Vordergrund-Aufgabe Corona gut durch die Regierung. Ich finde zwar, dass er es sich im Senat manchmal zu einfach macht, die Senatsmitglieder zu wenig führt, aber in der Bevölkerung kommt er gut an. Und wenn gar nix mehr geht, tritt er mal kurz mit Gitarre auf – und alle sind hin und weg. Damit hat er schon als AstA-Vorsitzender die Mensa gerockt, erkennen noch heute damalige Mit-Studenten neidlos an.

Der Union stehen quälende Zeiten bevor. Der politisch Talentierteste für die Nachfolge als Landesvorsitzender und Spitzenkandidat ist einer, an dem sich in der Bevölkerung freilich die Geister scheiden:  Jens Eckhoff. Während ihn die einen für den Mann mit dem größten politischen Potenzial halten, lehnen ihn andere rundweg ab. Und  Eckhoff hat seit Jahrzehnten – ich weiß, man darf das nicht mehr sagen; es ist aber so – einen körperlichen Nachteil. Politiker mit ausladender Figur haben bei Wählerinnen und Wählern schnell ein negatives Image: Wer sich auf diesem Feld nicht im Griff hat, wie verhält er sich dann erst bei brenzligen politischen Entscheidungen? Darüber wird auch immer wieder in der Bremer CDU geratscht.

Und die CDU-Frauen? Ehrlich, der 26jährigen gescheiterten Bundestagskandidatin Wiebke Winter, die von Kollegen der Tagesmedien gerne spekulativ genannt wird, sollte man bitte noch viel Zeit lassen. Und andere Christdemokratinnen, die genannt werden, dürften gegen Bovenschulte keinen Stich machen. Ich bitte Sie, jetzt nicht reflexartig zu urteilen: Klar, dass ein alter, weißer Mann immer gegen Frauen ist. Nein, stimmt nicht! Aber nur Frau sein, ist für sich allein keine Qualifikation. Auch, wenn das altmodisch sein mag.

Der CDU stehen mithin schwierige Entscheidungen bevor. Carsten Meyer-Heder täte gut daran, sich im Mai nicht erneut als CDU-Landesvorsitzender zur Wahl zu stellen. Es ist nicht bös gemeint, aber um es klar zu sagen: Er kann es nicht. Politik bereitet ihm körperliches Unbehagen. Das kann man sehen. Außerdem merkt man bei ihm einen deutlichen Unterschied zwischen wie er privat spricht, und wie er sich verstellen muss, wenn er Parteireden hält. Politik ist einfach nicht das Feld, auf dem er glänzen kann. Wer sagt ihm das endlich offen und ehrlich?  

Der SPD kann kann sich aktuell relativ entspannt zurücklehnen und den Wahltermin in 2023 abwarten. Vorausgesetzt, die Partei hält sich an die – von mir vermutete – intern ausgegebene Losung: Es glänzt nur einer, und der sitzt im Rathaus.

Den Sozialdemokraten können eher die Linken gefährlich werden. Die Arbeit von Partei und Fraktion halte ich zwar für inakzeptabel, aber: Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt und Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard erarbeiten sich Stück für Stück Anerkennung. Anders als Umweltsenatorin Maike Schaefer. Und als Sozialsenatorin Anja Stahmann (ebenfalls Grüne), die vorrangig am Image als Landesmutti zu arbeiten scheint. Keine Ahnung, ob das verfängt. Der Bremer Partei der Grünen merkt man weiter an, dass sie dem linken Teil der Bremer SPD entstammt.

Angesichts dieser Gemengelage wäre die CDU – aus meiner Sicht – gut beraten, vor personellen Entscheidungen ihre strategische Ausrichtung zu überdenken. Aktuell läuft die Union offensichtlich Grün-Wählern, bzw. dem vermuteten Zeitgeist hinterher. Belege findet man zuhauf in dem Bericht der Klima-Enquetekommission – die ein Christdemokrat geleitet hat. Dem Rückbau der Martinistraße, der Straßenbahn-Querspange mit Massen-Abholzung von Bäumen (alles im Verkehrsentwicklungsplan festgehalten) hatte die Union bereits in der Vergangenheit zugestimmt

Die mögliche Überlegung, doch eher mit der SPD als mit den Grünen eine Koalition anzustreben, bietet sich nicht nur zahlenmäßig, sondern durchaus auch inhaltlich an. Aber: Für Jens Eckhoff wäre dies schwer zu verdauen. Er arbeitet – gefühlt – seit Urzeiten an der Grünen-Annäherung. Insofern könnte er doch der falsche Mann an der Spitze sein.

Und dennoch: Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr as

Axel Schuller