Absturz der BILD-Auflage / Weser- Kurier kämpft auch

26.01.2022 Aus Von ED-as_Blog-17

Zeitungsmacher können uns – solange wir ihr Treiben als Leserinnen und Leser verfolgen – so allerlei unterjubeln. Inklusive subkutaner Infiltration mit ihrer eigenen Meinung. Und zwar subtil in Texten, Bebilderung und Gewichtung. Kommentare, Meinungen mit offenem Visier präsentiert, finde ich dagegen gut. Besonders, wenn’s richtig deutlich ist.

Aber: Zeitungsmenschen sind mittlerweile auch zu bemitleiden. Manchmal, jedenfalls.

Die machen jeden Tag ihren Job. Und alle Vierteljahr (ich erkläre gleich den Zeitraum) müssen sie sich den Katzenjammer im Verlag anhören. Wirklich nicht schön.

Ich will Ihnen heute den allmählichen Niedergang gedruckter Zeitungen darlegen. Und zwar auf Grundlage von Zahlen, welche die Verlage selbst zusammenstellen und einer unabhängigen Stelle zur Prüfung vorlegen.

Zwei Kennzahlen aus Bremen, mit denen Sie vermutlich selten bis nie zu tun haben. Die aber das ganze Elend aufzeigen: 

Der Weser-Kurier ist aktuell bei einer verkauften Auflage von 117.078 Exemplaren angekommen; inklusive 17.015 ePaper. Und BILD Bremen, von Politik und Wirtschaft der Hansestadt häufig als gewichtig erachtet, verkauft aktuell 29.045 Exemplare (inkl. ePaper). Wobei die Bremen-Ausgabe des Boulevard-Blattes keineswegs nur an Bremer Kiosken ausliegt. 

Sollten Sie sich mit diesen dürren Zahlen zufriedengeben – wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag! Verspreche Ihnen aber zugleich, dass Sie höchst interessante Fakten verpassen werden. Zum Beispiel, wieviele Weser-Kurier-Exemplare gar nicht in der Hansestadt verkauft werden. Und: Wo BILD überall als Bremen-Ausgabe vertickt wird. Ich verspreche Ihnen: Sie werden Augen machen.

Grundlage meiner Ist-Beschreibung sind die Auflagenzahlen fürs vierte Quartal (4.Q) 2021. Die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (ivw) veröffentlicht alle Vierteljahr aktuelle Druck-, Verkaufs- und Verbreitungszahlen. Die Verkaufszahlen sind die harte Währung beim Vermarkten von Anzeigen und Beilagen.

Schauen wir uns Bremens größte Tageszeitung, den Weser-Kurier, an.

Im vierten Quartal 2021verkaufte der Verlag 117.078 Exemplare, inklusive 17.015 ePaper, inkl. Bremer Nachrichten. Und alle Abos sind auch schon drin.

ePaper haben für Verlage den Charme, dass für sie weder Papier noch Träger bezahlt werden müssen. Der Nachteil: In elektronischen Zeitungen lassen sich leider so schlecht gedruckte Beilagen vermarkten.

 In Bremen und Bremen-Nord wohnen 566.600 Menschen. Die Zahlenrelation  Auflage/Einwohner lässt bereits nichts Gutes ahnen. Schaut man, wie viele WK-Ausgaben ins Umland gehen, tränen einem die Augen. Die Addition der niedersächsischen Weser-Kuriere ergibt rund 39.000 Exemplare. Der Umkehrschluss tut richtig weh: Von den 117.000 verkauften WK-Zeitungen bleiben nach Adam Riese bloß etwa 78.000 in Bremen. Zur Erinnerung: bei über einer halben Million Einwohner in der Hansestadt.

Wenn ich von niedersächsischen Weser-Kurieren sprechen, sind dies: Osterholzer Kreisblatt (Auflage: rund 8.600), Wümme Zeitung (rd. 9.000), Achime Kurier/Verdener Nachrichten (rd. 6.900), Regionale Rundschau/Syker Kurier (rd. 8.100) und Delmenhorster Kurier (rd. 3.950). Allesamt als Beilagen in WK oder BN verteilt. Anmerkung: ePaper und Aktionsverkäufe habe ich großzügig geschätzt.

Für Bremen entscheidend ist: Etwa ein Drittel der 117.078 Weser Kurier erscheint nicht in Bremen, sondern im Umland.

Schauen wir auf BILD – und bekommen ein bisschen Mitleid mit den Kollegen. BILD Bremen verkauft täglich gerade noch 29.045 Exemplare. Ein Blick in die Mediadaten ergibt: Diese Ausgabe wird – natürlich – in Bremen feilgeboten. Sie wird aber auch verkauft bis in den Landkreis Diepholz, Verden, Rotenburg/Wümme, Oldenburg, Osterholz-Scharmbeck, Bremervörde, Bremerhaven, Cuxhaven. Und ich meine mich zu erinnern, auch auf Helgoland. Wie gesagt, in Bremen und Bremen-Nord leben geringfügig mehr Menschen.

Bei BILD Bremen tröstet man sich damit, dass man „209.000 LeserInnen“ erreiche. Wollen Sie noch ein büschen weiter rechnen? Teilen Sie mal 209.000 (Leser) durch 29.045 (Exemplare). Macht aufgerundet: 7,2. Mehr als sieben Menschen nehmen nach dieser Erhebung nacheinander, gleichzeitig oder wie auch immer, ein und dieselbe Zeitung in die Hand. Vor ein paar Jahren, als auf der Website „Medienmeile Bremen“ für BILD Bremen noch eine verkaufte Auflage von 78.000 Exemplare genannt wurde, hieß es, man habe knapp 300.000 Leser. Wollen Sie noch mal rechnen? 300.000 dividiert durch 78.000 gleich: 3,8.

Wir lernen: Die Zahl der verkauften Zeitungen sinkt, doch die Zahl der Leser und Leserinnen pro Exemplar steigt sprunghaft an. Bis wir irgendwann bei „Mannschaftsstärke“ landen.

Schauen die Bremer BILD-Mitarbeiter nach Berlin, wo die Zentrale des Springer-Konzerns sitzt und wo die Bundeszahlen erhoben werden, muss ihnen eigentlich ein bisschen bange werden: BILD, das Flaggschiff aller deutschen Tageszeitungen, segelte beipielsweise 1985 laut Deutschlandfunk noch machtvoll mit rund 5,6 Millionen Knoten, äh Exemplaren, über das Nachrichten- und Meinungs-Meer. Im vierten Quartal 2021 betrug die verkaufte Auflage aller deutschen BILD-Ausgaben laut Fachportal media.de – Achtung: festhalten – 970.948 Exemplare (Abo und Einzelverkauf).

Halten Sie meine Eingangsbemerkung vom „Niedergang gedruckter Zeitungen“ immer noch für übertrieben?

Dennoch mein Vorschlag: Munter bleiben!

Herzlichst

ihr as

Axel Schuller