Mit Leckerli zum absoluten Gehorsam erziehen?
Oh weia, ich hätte es wissen müssen. Schon während meiner Ausbildung war mir eingetrichtert worden: Schreibe über Tiere, kleine Kinder und Müll – und dir werden die Leser und Leserinnen in Scharen folgen. Und wehe, es geht auch nur ansatzweise – beispielsweise – um Vierbeiner.
Also, die Reaktionen auf mein voriges Blog-Stück “Tierschutz mit gewaltiger Durchschlagskraft im Senat” über den plötzlichen Ausfall der Schutz-Hundestaffel bei der Polizei war – eigentlich – vorhersehbar. Hunde-, ja Tierfreunde aller Art, meldeten sich, um mitzuteilen, dass die Erziehung von Polizeihunden mit Stachelhalsbändern ja nun ganz schlimm sei und aus ganz bösen Zeiten stamme. Gleichwohl wurde auch Unverständnis über Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) geäußert, gegen eine Sondergenehmigung für Polizeihunde einzutreten. Immerhin hat das Verbot des Stachelhalsbandes die Schutz-Hundestaffel der Bremer Ordnungshüter (und aller anderen Polizeien) von jetzt auf sofort lahmgelegt.
Einzig die Gewerkschaft der Polizei ist eindeutig für die Ausnahmegenehmigung eingetreten. Und das, wie ich finde, aus nachvollziehbaren Gründen.
Ich sage vorab: Ich habe keinerlei Ahnung von Hundehaltung oder erst recht nicht von Hundeerziehung. Weiß aber aus eigenem Erleben, dass unglaublich viele der süßen, netten zuweilen auch ein klitzeklein wenig Furcht einflößenden Vierbeiner im Ernstfall eben nicht auf Frauchen oder Herrchen hören. Viele der treuen Begleiter – und wie ich kürzlich von einer älteren Dame lernen durfte: “Der letzte Enkel hat ein Fell” – werden mit dem Belohnungsprinzip erzogen. Machst du, was ich will, gibt’s ein Leckerli, ein Extra-Streicheln oder oder.
Polizeihunde, so habe ich gelernt, werden nach folgendem System ausgesucht: Hundeführer schauen als Erstes nach dem dominantesten Hund eines Wurfes. Dann testen sie das Tier mehrmals, ob es sich durch lautes Rufen oder heftige Bewegungen des Menschen verschrecken lässt.
Wenn nicht, kommt das Tier in die Ausbildung. Die Hunde leben in den Familien der Polizei-Hundeführer. Dabei nehmen sie teil am zivilisierten Umgang der Menschen untereinander. Gleichwohl müssen die Tiere lernen, absolut gehorsam zu sein. Werden sie bei einer Demo eingesetzt, dürfen sie Demonstranten, die sich ordentlich verhalten, nicht einmal heftig anbellen, geschweige denn, nach ihnen schnappen. Müssen sie einen Gangster verfolgen, sind also von der Leine los, und sollen den Flüchtigen notfalls durch einen Biss ins Bein zu Fall bringen und ihn nach Eintreffen des Hundeführers und dessen Befehl umgehend wieder loslassen, ist 100-prozentiger Gehorsam des Tieres notwendig.
Und wie wird einem dominanten und furchtlosen Tier dieses Verhalten beigebracht? Glauben die mitfühlenden Tierfreunde unter meinen Leserinnen und Lesern ernsthaft, dies funktioniere per Belohnungsprinzip? Rex, du hast den Demonstranten aber gaaaanz fein nicht angegriffen. Dafür gibt’s jetzt ein Frolic (oder wie die Teile heißen mögen). Noch eindrucksvoller die Vorstellung: Rex, Balu oder Foxi, beiß’ den Flüchtigen und lass von ihm auf Befehl ab – du kriegst dafür einen Spritzer Leberpastete ins Maul (gibt es wirklich als Leckerli). Glauben Sie wirklich, dass Sie einen Hund auf diese Weise zu einem – man muss es so deutlich sagen – 100-prozentig funktionierenden – Einsatz-“Gerät” erziehen können?
Polizei, Bundeswehr und Zoll greifen zum Stachelhalsband, um den rund 3.000 Schutzhunden sehr schnell und wirksam klar machen, dass sie ohne wenn und aber gehorchen müssen. Das nun verbotene Halsband löst nach Darstellung von Experten einen kurzen Schmerz wie ein Zwicken der Haut aus.
Dass diese Halsbänder verboten worden sind, ist nach meiner absoluten Laien-Meinung 100pro richtig. Aber dass es für Ordnungsbehörden keine Ausnahmeregelung gibt, begreife ich weiterhin nicht. Nicht einmal eine Übergangsregelung wurde beschlossen – bis neue Hunde per Leberpastete oder welcher Wundermittel auch immer erzogen und ausbildet und schlussendlich zum Dienst bereit stehen werden. Die MinisterInnen denken hoffentlich nicht insgeheim an den Einsatz von Elektro-Schock-Halsbändern…
Der Bundesrat hat (übrigens auf Antrag Bayerns) mit seiner Abstimmung erreicht, dass die Polizei von jetzt auf sofort ohne Hunde dastehen. Die GdP beschreibt die Auswirkung eindrucksvoll. Was wiegt mehr? “Ein reizauslösendes Halsband oder ein Pflasterstein am Kopf eines Polizisten, einer Polizistin.”