Gerichts-Klatsche für Bürgerschafts-Mehrheit

12.01.2022 Aus Von ED-as_Blog-17

Rummms! Dem Senat, den ihn tragenden Parteien, Alt-Bürgermeister Jens Böhrnsen, vielen Journalisten, einer Heerschar von Juristen – ihnen allesamt muss heute der Schädel brummen. Ich weiß nicht, ob sie wirklich alle ihren Kummer hochprozentig ertränkt haben und sie deshalb eine kleine sprudelnde Tablette benötigen. 

Fest steht: Das Bundesverfassungsgericht hat SPD, Linken, Grünen und vielen Gutmeinenden, Ideologen, aber auch juristisch teilweise leider Unterentwickelten eine Kollektiv-Klatsche verpasst: Das Verbot von 2012, „Atomtransporte“ über die Bremischen Häfen abzuwickeln, hat das höchste deutsche Gericht kassiert und für verfassungswidrig erklärt. Nebenbei bemerkt: zehn Jahre nach dem Mehrheits-Beschluss der Bremischen Bürgerschaft.

Namhafte Wirtschaftschafts-Vertreter, CDU, FDP und andere denkende Menschen hatten die rot-grüne Koalition im Vorfeld der Gesetzesänderung immer wieder gewarnt, die Transporte von Kernbrennstoffen aus Bremen zu verbannen. Nicht etwa, weil diese Leute Atommüll und aufbereitete Brennstäbe so erregend fanden, sondern von einer rechtlichen Warte aus: Über Zulassung und Nutzung von Kernenergie entscheidet der Bund; und damit auch über den Transport.

Einer, der dies wissen musste, war Jens Böhrnsen. Der damalige Bürgermeister hatte sich bereits 2009 ein Verbot dieses Umschlags in Bremischen Häfen gewünscht. Zur Erinnerung: Der Mann war vor seiner Wahl in die Bürgerschaft (Fraktionschef) und später ins Rathaus (Präsident des Senats) – Richter. Sogar Verwaltungsrichter. Später hat das Bremer Verwaltungsgericht Klagen von drei Firmen gegen das Atomtransport-Verbot dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Während Böhrnsen also früh für das Verbot war, kam die SPD erst 2010 auf den Dreh, das Gesetz ändern zu wollen. Treiber waren die Linken (damals Opposition). Die drohten öffentlich mit einem Volksbegehren. Das beförderte den vorauseilenden Gehorsam der Sozialdemokraten turbomäßig. Die Grünen waren natürlich sofort Feuer und Flamme (Anti-Atom war damals wie heute ihr Markenkern), die SPD lenkte als Getriebene ein.

So wurde Anfang 2012 das Hafenbetriebsgesetz geändert.

Glühender Verfechter und SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft war ein gewisser Björn Tschöpe. Der Mann hat es nie in ein Senatorenamt geschafft. Heute füllt er den vermutlich aufreibenden Job des Staatsrates im Justizressort aus. Ironie seines Schicksals: Er muss jetzt die juristischen Vorbereitungen treffen, damit die Bürgerschaft  das Hafenbetriebsgesetz wieder in verfassungsrechtlich einwandfreie Form bringt. 

Frage am Rande: Wer kommt eigentlich für die horrenden Kosten auf, die 2011 für ein über hundert-seitiges Gutachten von Juristen entstanden sind? Für die Verfahrens- und Anwaltskosten vor dem Verwaltungs- und vor dem Bundesverfassungsgericht? Ich fürchte, Sie kennen die Antwort: Die Steuerzahlerinnen und -zahler. Darf man nicht länger drüber nachdenken. Noch schlimmer: Ist ja kein Einzelfall, passiert immer wieder. Der Senat hat ein Ziel und „befragt“ hochdotierte Juristen, ob das denn so funktioniert, was  sich die hohe Politik da so ausgedacht hat. Manchmal habe ich den Verdacht, dass zumindest die per Auftrag befragten Juristen – sagen wir mal – nicht gänzlich unbefangen begutachten.

 

Liebe Leserinnen und Leser, Sie müssen jetzt nicht ertragen, dass ich mich schon wieder zum Weser-Kurier äußere. Also zu einer in Bremen erscheinenden Tageszeitung, die sich als Leitmedium versteht. Nein, das tue ich nicht. Allgemein möchte ich aber anmerken: Ich stehe – wie Sie bestimmt schon gemerkt haben – auf eindeutigen Kommentaren. Die müssen nach meiner Ansicht deutlich aussagen, was der Autor, die Autorin denkt. Wenn ich diesen Maßstab an einen Kommentar von heute anlege, komme ich leider zu dem Urteil: Was für eine Platzverschwendung.  

Da wird nicht gesagt, welchen Unfug die Politik seinerzeit verzapft hat und welche (treibende) Rolle einige Medien im Zusammenspiel mit der Linken gespielt haben. Nein, es wird nahezu nüchtern referiert und heißt lapidar, das Gericht habe gar nicht anders urteilen können, weil die Gesetzesänderung so was von eindeutig verfassungswidrig gewesen sei. Diese Sicht hätte man gern vor zehn bis elf Jahren gelesen. Weiter in einem Kommentar von heute: Bremens Politiker-Mehrheit sei seinerzeit offenbar ideologisch vorgegangen. Dass einige „Leit“-Journalisten durchaus treibende Kraft waren, wird in der Rückbetrachtung komplett  „vergessen“

Trotz alledem: Noch will ich den Glauben an die Medien als „vierte Gewalt“ nicht aufgeben. Fällt aber zunehmend schwer.