Stern-/Nannen-Preis für RB-Brebau-Berichterstattung – wirklich ein Grund zur Freude?
Bravo, Tusch, Gratulation: „butenunbinnen“, Regionalmagazin von Radio Bremen, hat in dieser Woche den Stern-Preis (bis vorige Woche noch nach dem Ex-Chef Henry Nannen benannt) „Lokales“ erhalten. Fanfaren empor.
Wirklich?
Hej, liebe Leserrinnen und Leser, wenn ich ehrlich bin, schlagen da zwei Herzen in meiner Journalisten-Brust: Lokaler Stolz, dass RB den doch sehr renommierten Preis ergattert hat – aber auch ungläubiges Staunen. Das stellt sich nämlich ein, wenn man sich mit dem „Fall“ intensiver befasst.
Also, Positiv-Denker, ab hier: bloß nicht weiterlesen!
Umfassend-Interessierten verspreche ich: Es wird spannend.
Das Gute vorweg. Radio Bremen waren im vorigen Jahr Unterlagen zugespielt worden, die den Kollegen vermutlich den Mund vor lauter Überraschung haben offenstehen lassen. Was für eine Hammer–Geschichte. Da behauptet eine (vermutlich) ehemalige Brebau-Mitarbeiterin, die städtische Wohnungsgesellschaft schließe Schwarze, Ausländer, Kopftuchträgerinnen usw. von der Vermietung aus. Und, unbestritten: Brebau-Mitarbeiter mussten verdeckt für jeden potenziellen Mieter ein Profil anlegen, in dem unter anderem Hautfarbe, sozialer Status, Kopftuch-Trägerin etc. vermerkt wurde.
Die RB–Kollegen haben sich einen tollen Weg ausgedacht, die Brebau zu „überführen“. Sie schickten vier junge Männer (Frage an das RB-Genderbeauftragte: Warum nicht auch Frauen?) los, die bei der Brebau mieten wollten. Zwei weiße Deutsche, einen Farbigen und einen mit ausländischem Namen. Respekt: Toller Versuchsaufbau. Das Ergebnis: Zwei Deutsche erhielten umgehend Zusagen, die beiden anderen laut RB nicht. Der Dunkelhäutige und der „Ausländer“ sprachen nacheinander mit Dackel-treuem Blick in die Kamera: „Die anderen kriegen eine Wohnung, ich aber nicht.“
Boah ej, das ist der Stoff, aus dem man Empörungs-Geschichten stricken kann.
Radio Bremen veröffentlichte die Story in „butenunbinnen“, brachte sie bei „Panorama“ unter. Brebau-Aufsichtsratschef, Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne), ließ sich – noch vor der Prüfung der Fakten – zu der Formulierung hinreißen: „Eine unsäglich beschämende Geschichte“. CDU und FDP witterten d i e Chance und versuchten, die vier AR-Senatsmitglieder Strehl, Bovenschulte, Vogt und Schaefer als Aufsichtsversager zu brandmarken.
Jedoch, und jetzt wendet sich das Blatt, der von Strehl eingesetzte Gutachter Prof. Matthias Stauch, kam zu einem erstaunlich anderen Ergebnis als die Radio-Bremen-Kollegen.
Der RB-Aussage („Die Brebau schließt Schwarze und Kopftuchträgerinnen gezielt von der Wohnungsvergabe aus“) stellte sich Stauch gleich mehrfach entgegen. Und schrieb Fakten in seinen Abschlussbericht, über die – meines Wissens – bis heute nicht berichtet wurde.
Der Jurist besorgte sich alle Unterlagen. Danach haben alle 232 Bewerber, die Stauch in den Unterlagen mit dem Profil Schwarz (E40 genannt) oder Kopftuch fand, von der Brebau Wohnungen erhalten!
Stauch ermittelte ferner, dass mittlerweile 46,1 Prozent der aktuell 5.775 Brebau-Mieter und Mieterinnen Ausländer oder Personen mit migrantischem Namen sind.
Stauch in seinem Gutachten: „Ein Anhalt auf eine darauf bezogene Diskriminierung ergibt sich aus diesen Zahlen nicht. Ganz im Gegenteil.“
Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) hat Stauch auf Anfrage mitgeteilt, die Zusammenarbeit mit der Brebau sei „besonders positiv“, auch von der AWO betreute Schwarze hätten allesamt Wohnungen erhalten.
Matthias Stauch, gewissenhafter Jurist, wollte schließlich noch erfahren, was es mit den vier Test–Mietern von „butenunbinnen“ auf sich hatte – also mit den zwei nicht-berücksichtigten Ausländern.
Und, wenn Sie diese Passage lesen, liebe Leserinnen und Leser, bleibt Ihnen jetzt womöglich der Mund ob des großen Erstaunens offenstehen. Versprochen!
Kandidat 1, „mit ausländisch klingendem Namen“. Erstes online-Gesuch, 8. April 2021,… Interessent fragt am 26.4. nach. Und jetzt kommt’s: „Angebot Manteuffelstraße am 26.4.2021, 12.00 Uhr per mail versandt, k e i n e Nachfrage bei Hauswart zur Besichtigung.“ Die Brebau laut Stauch in ihren Unterlagen: „Es gibt keinen Grund, einem guten Interessenten – wie diesem – diese Wohnung vorzuenthalten.“ Nur, leider leider, er hat sich nicht beim Hauswart gemeldet…
Kandidat 2. Ich zitiere ausführlich, damit Sie, geneigte Leserschaft, sich ein eigenes Bild machen können. Brebau: „Erstes (Miet-)Gesuch am 12.4.2021 (per) Homepage: 3 Zimmer in Borgfeld; kein Angebot, da kein Bestand. Zweites Gesuch am 14.4.2021 Homepage: Aumund (Nord), Findorff, Neustadt (Mitte) Oslebshausen (West), Sebaldsbrück (Süd). Wo will der Herr wohnen? Sehr unausgegorenes Gesuch, Angebot ergibt nur nach Rücksprache einen Sinn. Aufgrund der Miethöhe eher in einem teureren Stadtteil ein Angebot (Findorff), hier sehr kleines Angebot, ca. 370 WE. Kein telefonischer Kontakt von uns oder ihm zur Konkretisierung des Wunsches.“
Dieses lange Zitat stammt aus den Akten der Brebau. Es beweist: Die Brebau hat sich bei dem Test-Mieter nicht gemeldet, weil seine Wünsche offenbar völlig unbestimmt waren. Mehr aber nicht. Und es beweist: Der Test-Mieter hat nicht nachgehakt, geschweige denn, sich bei der Brebau-Beschwerdestelle gemeldet.
Prof. Matthias Stauch hat dann noch etwas gemacht, wovon Sie liebe Leserinnen und Leser, nach meinem Kenntnisstand bis heute nichts erfahren haben. Er hat in seinem Gutachten auf das „Wohnraumförderungsgesetz“, § 6, hingewiesen. Und wissen Sie, was darin steht?
Ich zitiere Stauch: „Ziele sind „die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstruktur; die Schaffung und Erhaltung ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse…“
Diese Ziele dürfen ungeachtet des „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) angewandt werden, wenn „ein Konzept für die weitere Entwicklung der Bewohner- und Siedlungsstruktur des jeweiligen Stadtteils erfolgen…
Erinnern Sie sich noch an Osterholz Tenever, dessen miese Zustände (jeder gegen jeden, zerstörte Briefkästen, defekte Fahrstühle, Dauer-Randale) vor Jahren mit Millionen-Summen zum Guten gewendet wurden, indem nach der General-Brutal-Sanierung u.a. bei der Neu-Vermietung auf die passende soziale Mischung geachtet wurde?
Zum Schluß: Die Brebau hat unter dem Strich einen fatalen Fehler begangen. Sie hat die Profile (Aussehen, Kopftuch, sozial-auffällig etc) festgehalten, ohne die Bewerber darauf hinzuweisen. Auf diesen Fehler – und nur darauf – hat sich die Datenschutzbeauftragte des Landes Bremen gestürzt und der Brebau ein Bußgeld in Höhe von 1,9 Millionen Euro übergebraten. Ob diese Summe irgendwann auf die Mieten umgelegt wird – mal schauen. Die Datenschützerin wird das Geld übrigens nicht in ihr Amts-Budget kriegen. Sondern es wird – Ironie des Schicksals – in der Staatskasse (von Finanzsenator und Dietmar Strehl) landen. Bin mal gespannt, ob irgendwann irgendwer doch mal der Frage nachgeht, ob dies eine „verdeckte Gewinnausschüttung“ zugunsten des Landes ist.
Die Radio Bremen Kollegen sind auf ihre Erfolge verständlicherweise stolz. ARD-Fernsehpreis, Stern-Preis, empörte Politiker, empörte Öffentlichkeit – schafft man als Journalist nicht alle Tage.
In ihrem ersten Beitrag zu dem Thema texteten die RB-Kollegen: „Da (bei der Brebau; Anm. von mir) herrscht keinerlei Unrechtsbewusstsein vor.“
Frage: Gibt es bei Radio Bremen inzwischen vielleicht ein klitzekleines schlechtes Gewissen wegen der – aus meiner Sicht – völlig überdrehten Story? Oder deckt der Stern-Preis alles zu?
Liebe Leserinnen und Leser, die Sie jetzt so tapfer durchgehalten haben: Ich hoffe, dass ich Ihren Blick auf diese „Geschichte“ ein bisschen weiten konnte.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr as
Axel Schuller