WK-Chefredakteurin – von der Fragestellerin zur Stichwortgeberin der Grünen Schaefer

17.03.2022 Aus Von ED-as_Blog-17

Ui, ui, ui, liebe Leserinnen und Leser, es ist mal wieder soweit. Heute brauch’ ich Ihre Hilfe. Ich begebe mich in vermeintlich vermintes Gelände. Muss aber sein. Die einen werden sagen: Muss er denn wirklich über seinen eigenen Berufsstand schreiben? Das macht man doch nicht. Andere denken hingegen möglicherweise: Endlich schreibt’s mal einer!

Zur Sache: Ostersonnabend las ich ein Interview im Weser-Kurier, das dessen Chefredakteurin mit Mobilitätssenatorin Dr. Maike Schaefer (Grüne) geführt hatte. Was soll ich sagen? Einfühlsam war’s, die Chefredakteurin Silke Hellwig trat fast schon wie eine Stichwortgeberin auf. Pointierte NachfragenFehlanzeige. Und das vor dem Hintergrund, dass die Kollegin 13 Tage zuvor, derselben Senatorin zurecht ins Stammbuch geschrieben hatte: „Ein Königreich namens SKUMS“. Haaaaallooooo, wie kann so etwas sein? 

Bevor jetzt jemand versucht, mich in die Motzer-Ecke wahlweise in die des „Nestbeschmutzers“ zu schieben, will ich meine Kritik begründen. Außerdem: Kritik an Zeitungen ist in unserem Land zum Glück möglich. Schließlich verstehen sich Medien ja auch gerne – selbsternannt – als „vierte Gewalt“ im Staat. Das Problem: Sie werden dieser grandios wichtigen Rolle – vornehm ausgedrückt – nicht immer gerecht.

Nun zum „seichten“ (wie jemand auf Facebook schrieb) WK-Interview: Einfühlsam pirscht sich Kollegin Hellwig an die in letzter Zeit heftig unter Beschuss geratene Schaefer heran: „Fühlen Sie sich ungerecht behandelt?“, „Sind Sie womöglich zu ungeduldig?“…

Schaefers Antworten auf WK-Fragen nach dem Programm auf der Martinistraße, nach dem Radweg auf dem Wall, nach ihrer Aufforderung an Mitarbeiter, an der Klima-Demo teilzunehmen – sie alle bleiben ohne Nachfragen der Redaktion einfach im Raum stehen.

Da kann die Grüne dann – Tschuldigung – munter losplappern. Und von Hellwig kommt keine Reaktion. Einfach zum Fremdschämen. Ehrlich!

Ein paar Kostproben des Elends: Schaefer behauptet allen Ernstes, die „Surfwelle“ im Rahmenprogramm der Martinistraße „hat junge Menschen…gezogen, sie wurde sehr gut angenommen, und war durchgängig ausgebucht“. In Facebook-Kommentaren fiel in diesem Zusammenhang das hässliche Wort, das mit „Lü“ anfängt und „ge” aufhört. Geäußert von Leuten, die in dieser Zeit immer wieder ihre Mittagspause nahe der Surfanlage verbracht hatten.

Richtig heavy eine Hellwig-„Frage“: „Sowohl mit der Lösung am Wall als auch mit der zweispurigen Martinistraße können sich inzwischen offenbar alle anfreunden.“ Punkt. Kein Fragezeichen! Da zieht’s mir dann endgültig die Schuhe aus. Die sonst auf ihre kritische Distanz bedachte Chefredakteurin als Stichwortgeberin.

Liebe Leserinnen und Leser, insbesondere die Umlandbewohner, die sich hin und wieder doch noch in der City verlieren: Sind Sie wirklich alle mit der zwei- statt vierspurigen Martinistraße einverstanden, mit dem Einbahn-Wall und dem künftig draufgepinselten Radweg? Hat Sie jemals jemand auf seriöse Art danach gefragt?

Auch so ein Punkt. Hellwig nagelt mit dem Interview in Zeiten der Papiernot eine komplette Seite mit dem Schaefer-Interview zu, stellt aber keine Frage – z.B. – danach, ob die Online-Befragung zu den „Erfolgen“ der Martini-Bespaßung durch dieselbe Agentur, welche die Straße bespielt hat, denn angemessen sei. Keine Frage nach dem Vergabeverfahren an die Agentur „Sternkultur“, keine Frage nach möglichen Verquickungen dieser Agentur mit dem Grünen Bürgerschaftsabgeordneten Ralph Saxe. Nix. Nullum. Peinlich.

Geradezu geschichtsklitternd wird’s, wenn Hellwig die Senatorin zu deren Mail an die eigene Behörde „befragt“, doch bitte an der Klima-Demo von FFF teilzunehmen. Da darf Schaefer wieder – noch mal sorry – losplappern: Ihre Mail sei ja gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen (Na sowas aber auch). Ja, das würde sie künftig anders regeln. Dann Schaefer O-Ton „Aber ich stehe weiterhin dazu, dass ich unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermögliche, an einer Klimaschutz- und Friedensdemo teilzunehmen…“ Frau Hellwig, aufgewachtVierte Gewalt im Staat, hallo! 

Schaefer hatte in ihrer Mitarbeiter-Mail nicht geschrieben, sie wolle die Demo-Teilnahme ermöglichen, sondern laut Weser-Kurier: „Deshalb würde ich mich freuen, wenn möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ressorts sowie zugehöriger Dienststellen an der Demonstration am Freitag teilnehmen würden.

Gibt es nach Lesart Grüner Sprachdrechseler keinen Unterschied mehr zwischen „ermöglichen“ und „Teilnahme wünschen“. Leute, geht’s noch? Ist ein solches Interview – auch an dieser Stelle erneut ohne Nachfrage – einer Lokal-Zeitung würdig? Muss man dafür wirklich Geld ausgeben?

Und Hellwigs Unterstellung (leider eben auch keine Frage), mit dem Fahrradweg auf dem Wall und der Einengung der Martinistraße könnten sich „offenbar alle anfreunden“ – Haaalloooo, Frau Kollegin: Arbeiten Sie noch im Pressehaus an der Martinistraße? Schauen Sie vielleicht mal während der Rushhour aus dem Fenster? Habe Sie dabei wenigstens einmal wahrgenommen, dass sich dort durch die zweispurige Führung  teilweise elend lange Staus bilden? Haben Sie… ach, ne, ich hab jetzt keinen Bock mehr, einer gestandenen Kollegin Recherche-Tipps aus dem Bereich „Basics“ zu geben.

Übrigens: Fragen an Maike Schaefer nach – zum Beispiel – der ungeheuerlichen Ausbaggerung eines Biotops an der Lesum als Ausgleich für die Versiegelung des Überseehafens vor über 20 Jahren und der anschließenden Verhohnepiepelung dieser Aktion im Satire-Magazin extra3 – wieder: nix. Oder zum Fällen von an die 200 Bäume zugunsten einer umstrittenen Straßenbahn-Querverbindung im Osten – bloß nicht. Der Platz einer kompletten Seite war ja auch wirklich zu knapp bemessen. Auweia, armes Bremchen.

Wissen Sie was? Versuchen Sie bitte, trotzdem munter zu bleiben. Irgendwann wird auch in Bremen einiges wieder besser.

Herzlichst

Ihr as

Axel Schuller