Müllgebühren-Anpassung – überwiegend gibt’s Verlierer

30.12.2021 Aus Von ED-as_Blog-17

Vorwarnung: Heute wird’s etwas umfangreicher. Es geht um LoserKuschel-Opposition und Zahlen-Erotiker. Also, Power-Müsli-Riegel her und etwas zum Trinken bereit stellen.

Thema: Die „Anpassung“ der Abfallgebühren, zum 1. Januar 2022.

 

Hätte der Weser Report nicht am 28. Dezember 2021 darüber informiert, wäre die Änderung medial vermutlich gar nicht mehr aufgefallen. Der Weser Kurier und Radio Bremen waren Mitte Juli zur Stelle, um kommentarlos zu berichten, was der Verwaltungsrat der „Die Bremer Stadtreinigung“ (DBS) beschlossen hatte. Als die CDU im November – intern war längst alles gelaufen – an ersten Oppositions-Zuckungen litt, war das noch mal eine überschaubare Meldung wert. 

Die Tatsache, dass die Stadtbürgerschaft Anfang Dezember den entscheidenden Beschluss gefasst hat, von dem 80 Prozent aller Bremer Haushalte negativ betroffen sein werden, findet man nach längerem Stöbern auf den Seiten der Bremischen Bürgerschaft.

Bei der DBS müssen sie besoffen vor Glück sein. Mein Urteil über die „engagierte“ Berichterstattung in den Medien – behalte ich jetzt einfach mal für mich.

Aber die Opposition von CDU und FDP haben sich bei diesem Thema nicht einmal Fleißkärtchen verdient. Nichts. Ich habe in meinen 40 Bremer Jahren keine so schlechte Oppositionsarbeit erlebt. Die CDU, die sich gern Oppositionsführung nennt, wird aktuell diesem Anspruch nicht ansatzweise gerecht. Im Verwaltungsrat, dem zentralen Kontrollgremium der Anstalt öffentlichen Rechts, volkstümlich Müllabfuhr, schwiegen die Oppositionellen oder stimmten sogar zu. In der Deputation war die CDU dann dagegen und forderte plötzlich Fakten für die „Gebühren-Anpassung“ ein. Im November! Die FDP enthielt sich der Stimme. Welch ein Jammerspiel für die beiden Oppositions-Parteien. Statt die Hintergründe für die „Anpassung“ im Vorfeld der parlamentarischen Beschlüsse knallhart zu hinterfragenkuschelten sich die CDU- und FDP-Vertreter neben dem warmen Oppositions-Diäten-Herd des Parlaments. Mann oh Mann! 

Zahlen und Fakten nenne ich am Ende.

Zur Geschichte der Müllabfuhr: Jahrzehntelang kümmerte sich die Firma Nehlsen um das Leeren der Mülltonnen. Pünktlich, sauber, die Tarife stabil.

CDU und FDP warnten deshalb 2014 berechtigt und lautstark vor der von Linken und SPD vorangetriebenen „Rekommunalisierung“ der Müllabfuhr. Ihre Argumente: Die Tarife würden garantiert steigen. Stimmt! CDU und FDP haben aber offenbar vergessen, was sie damals vorausgesagt hatten. Oder, sie wollen es sich mit Gewerkschaftern und Mitarbeitern der Stadtreinigung nicht verderben.

Einige Gründe für steigende Kosten der Müllabfuhr:

Die Löhne und Gehälter der Müllwerker wurden auf das im Öffentlichen-Dienst übliche Niveau angehoben. Diesel wurde teurer, die Stadt hat zugleich ihre Forderungen an die DBS hochgeschraubt: Statt 2.160 öffentliche „Papierkörbe“ müssen nun 3.765  geleert werden. Viele dafür mehrfach pro Tag statt einmal die Woche. Die Umweltbehördenleitung, praktischerweise an der Verwaltungsratsspitze vertreten, verlangte neue, moderne, umweltfreundlichere Fahrzeuge

Einschub: Auf diesem Feld werden die Kosten demnächst vermutlich regelrecht explodieren. Der Grund: Alle Fahrzeuge sollen auf E- und/oder  Wasserstoffantrieb umgestellt werden.

Ja, und die Recyclinghöfe – so wollte es die Politik – müssen in ihrer Dichte erhalten bleiben, neu, modern oder zumindest ´nen büschen schick werden. Das treibt natürlich die Kosten.

Und die – Sie haben es als versierte StaatsbürgerInnen längst erraten – tragen wir. Wer sonst? Über die Gebührenanpassungen. 

Anders ausgedrückt: Politiker treffen Entscheidungen, beispielsweise über den teuren Müllwagen-Fuhrpark, wir dürfen alle vier Jahre einmal wählen – aber stets zahlenGerechterweise sei angefügt: Teile der Bevölkerung müllen die Papierkörbe immer mehr zu, lassen ihren Mist einfach fallen und liegen, und die wilden Müllablagerungen asozialer Mitmenschen nehmen überhand.

So, die nackten Fakten zur Abfallgebühren-„Anpassung“ sollen Sie an dieser Stelle – natürlich – auch erfahren

Die Grundgebühr steigt für alle Tonnennutzer von 43,26 Euro auf 51,00 Euro. Die „Leistungsgebühr“, also für das Leeren der Tonnen, steigt – in wenigen Fällen fällt sie sogar. 

Beispiele: ein Ein-Personen-Haushalt mit der 60-Liter-Resttonne zahlt 62,91 statt 69,16 Euro für die Leistung. Damit steigt die Gesamtgebühr von 112,42 auf 113,91 Euro. Ist ja läppisch, denken Sie jetzt. Der Haken an der Sache: Zu dem neuen Tarif wird die 60-Liter-Tonne der Ein-Personen-Haushalte 9- statt 13mal geleert – pro Jahr!!! Zählt man vier zusätzliche Leerungen á 6,99 Euro hinzu, landen die Ein-Personen-Haushalte bei 141,87 Euro – bis Ende 2021 waren es 112,42 Euro.

Die Zwei-Personen-Haushalte, 60-Liter Tonne, werden vom 1. Januar an mit 176,82 Euro zur Kasse gebeten. Bislang waren es 149,66 Euro. Auch hier wird die Zahl der Regelleerung reduziert. Von 20 auf 18 im Jahr.

Drei-Personen-Haushalte, 90-Liter-Tonne, zahlen künftig 188,52 statt 190,66 Euro. Aber auch hier reduziert die DBS die jährliche Leerungsfrequenz von 20 auf 18.

Vier-Personen-Haushalte, 120-Liter-Tonne, werden mit 207,42 Euro statt bislang mit 225,46 Euro zur Kasse gebeten. Aber auch hier gilt: Im Preis sind 18 statt zuvor 20 Leerungen enthalten. Im Lebensmittelhandel spricht man in solchen Fällen von Mogelpackungen.

Wer seine Tonnen so häufig wie früher an den Straßenrand stellt, zahlt für jede zusätzliche Leerung der 60-Liter-Tonne  6,99 Euro. Für 90 Liter werden 7,64 Euro fällig, 8,69 Euro für120 Liter und 13 Euro für 240 Liter.

Die Müll-Politiker setzen offenbar auf ein doofes Volk, das nicht rechnen kann.

Nicht nur Zahlen-Erotiker stolpern beim Nachrechnen über „den“ Zwei-Personen-Haushalt, man kann ihn getrost Loser-Haushalt nennen: Zu den 176,82 Euro für 18 (statt vorher 20) Leerungen muss man für einen realistischen Preis-Vergleich zweimal 6,99 Euro hinzurechnen (zwei Extra-Leerungen), und schwupp landen wir bei fröhlichen 190,80 Euro. Zur Erinnerung: Bislang zahlen Zwei-Personen-Haushalte 149,66 Euro. Bedeutet eine Steigerung von, Achtung festhalten, 27,5 Prozent. Wie nannte Umweltstaatsrat Ronny Meyer die Gebührenanpassung? „Sozial ausgewogen“. Gilt aber nur für größere Familien. Davon gibt’s in Bremen ja bestimmt gaaanz viele.

Oder doch nicht?

Weitere Zahlen, damit Sie Ihr eigenes Urteil bilden können: 2019 gab es in der Stadt Bremen 310.000 Haushalte. In 159.000 davon lebte jeweils  eine Person. In 91.000 wohnten je zwei Personen. Macht zusammen: 341.000 Bremerinnen und Bremer. Zahl der Drei-Personen-Haushalte = 29.000vier und mehr = 30.000 Haushalte. Gesamtbevölkerung in der Stadt Bremen: 568.000 Menschen

Ergo: Die neue Müllgebühr trifft massiv über 80 Prozent der Bremer Haushalte, in denen 60 Prozent aller Bremer (Alleinstehende oder Paare ohne Anhang) wohnen.

Diese Gruppe ist der bremischen Opposition augenscheinlich zu klein, um sich für sie ordentlich ins Zeug zu legen.

Im vorliegenden Fall lautet daher mein Fazit leider: Müllpolitik!  

     

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Liebe Leserinnen und Leser, heute mussten Sie ausdauernd, tapfer und wirklich interessiert sein. Schreiben Sie mir doch bitte im Kommentarfeld bei „Kontakt“, ob ich Sie weiterhin mit so vielen Fakten und Daten auf einen Schlag malträtieren soll, oder ob Sie’s lieber kurz und zackig hätten.

Ich freue mich auf Ihre Rückmeldungen. Ehrlich 🙂