Egal ob swb, Bäume oder Jugendverhalten – wie der WK versagt

09.01.2022 Aus Von ED-as_Blog-17

Meine Forderung zum Sonntag: swb, Finger weg von den Tarifen der Stammkundschaft. Es kann nicht sein, dass der Energieversorger auch nur ansatzweise mit dem Gedanken spielt, die Rechnungen von Stammkunden in die Höhe zu treiben, weil die swb aktuell rund 10.000 neue Zwangskunden versorgen muss; und wegen dieser Gruppe extrem teures Gas und teueren  Strom an der Börse dazu kaufen muss. Als Stammkunde würde ich es als dreist empfinden, wenn das Unternehmen die Preise für alle erhöhen würde, um den Mehraufwand für die neuen Zwangskunden reinzuholen.

Den Gedanken hat der Vertriebs-Geschäftsführer dem Weser-Kurier (Ausgabe 6. Januar) gegenüber geäußert. Und die Zeitung? Hatte keine Meinung dazu; keine (gedruckte) kritische Nachfrage. Nix. Bloß Nachrichten-Entgegennahme und Wiedergabe. Angst vor dem Anzeigenkunden? 

Sollten Sie Interesse an den Gründen der Zunahme von Zwangskunden haben, lesen bitte gaaanz unten weiter.

Die von mir kritisierte Art der Berichterstattung des WK führt zur Qualitätsfrage des Weser-Kurier. Ich weiß, man muss sich nicht äußern, kann als Leserin und Leser einfach alles schlucken – bis man irgendwann das Abo aus purer Verzweiflung kündigt. Glauben Sie mir bitte, es tut mir in der Tiefe meiner Journalisten-Seele weh, so über die Arbeit von Kollegen zu schreiben, aber: Ich halte es kaum aus, eine derart schwache und unengagierte Berichterstattung zu erleben.

Bereits vor den aus meiner Sicht zu unreflektierten Zeilen über die swb-Gedankenspiele berichtete das Blatt über zwei gravierende Themen, die eine beachtliche Zahl von Leserinnen und Leser umtreiben dürfte, freundlich ausgedrückt: mangelhaft.

Für den Bau einer neuen, zweifelhaften Straßenbahnverbindung werden im Osten 180 Bäume, unter anderem in der Stresemannstraße, gefällt. Die Redaktion ist offenbar derart um die Koalition von SPD, Grünen und Linken besorgt (Sie erinnern die Frage an eine Senatorin: „Muss man sich grundsätzlich Sorgen um die Koalition machen“?“), dass darüber im Hauptteil klein und nur im Stadtteil-Kurier größer berichtet wurde. Selbst die Äußerung des grünen verkehrspolitischen Sprechers Ralph Saxe („Das tut schon weh, wenn man da lang fährt.“) hat die Redaktion nicht veranlasst, das Thema kritisch aufzubereiten. Einzige für mich plausible Erklärung: Die Pläne der rot-grün-roten Koalition, den ÖPNV auszubauen, sind ja irgendwie gut. Da will man offenbar nicht stören. Dass gerade die Grünen ständig nach Klimaschutz schreien, nicht müde werden, die Klimaqualität von Bäumen zu rühmen usw. wird nicht in Beziehung zu der Massen-Fällaktion in Hastedt gesetzt. Das müssen dann Leserinnen und Leser in Leserzuschriften tun. Ein Armutszeugnis für eine Redaktion.

Gleiche Systematik bei einem verwandten Thema: Die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ förderte fast unglaubliche Ergebnisse zutage. Zwar sagten 56 Prozent der 14- bis 29-Jährigen, der Klimawandel treibe sie um. Aber: 80 Prozent der repräsentativ Befragten können sich nicht vorstellen, ohne ein privates Auto zu leben. Nur 27 Prozent wollen aus Klimagründen nicht mehr fliegen. Lediglich 26 Prozent verzichten auf Fleisch, bloß 36 Prozent sind für den Kauf fairer Produkte.

In anderen Worten: Fridays-for-Future-Demos (FFF) locken zigtausende Jugendliche an. Im wirklichen Leben treibt der Klimawandel indes nur eine knappe Mehrheit von 56 Prozent um – und nur wenige wollen freiwillig verzichten, um das Klima voranzubringen.

 

Und wie wertet die Weser-Kurier-Redaktion die Ergebnisse? Ich habe keinen Kommentar gesehen, kein Interview mit den örtlichen FFF-Vertretern. Nix. Null.

Einfach nur furchtbar. 

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  Hier noch die versprochenen Erläuterungen zum Thema „swb muss Zwangs-Kunden aufnehmen“. Falls Sie noch Lust und Zeit haben.

Die unglaublich erfolgreiche Kampagne „Geiz ist geil“ verfolgt die Deutschen wie ein Fluch. Sie hat sich derart tief in den Köpfen großer Bevölkerungsgruppen eingenistet, dass sie auch lange nach ihrem Ablauf wirkt.

Dieses Geiz ist geil und – ja selbstverständlich auch – die latent drohende Ebbe auf dem Konto führt dazu, da viele Menschen stets auf der Jagd nach den niedrigsten Preisen sind. 

Das kann man überall beobachten. Davon lebt der Onlinehandel. Bekleidung, Versicherungen, Krankenkassen-Mitgliedschaften, Gas, Strom und und und.

Bei Gas und Strom wird’s zuweilen haarig. Da nehmen nämlich Online-Anbieter manchmal den Mund so voll, dass sie am Ende daran ersticken. Sie locken Kunden mit Niedrig-Preisen, liefern auch die versprochene Ware – bis die Preise am Weltmarkt steigen. Dann stößt das Geschäftsmodell an seine Grenzen. Die Firmen ziehen die Reißleine, beantragen Insolvenz und machen sich vom Acker. In der Folge, könnte man meinen, seien deren Kunden die Doofen. Das trifft nicht ganz zu. Also Pech haben sie schon. Aber sie fallen nicht ins Bodenlose.

Am Ende, liebe Leserinnen und Leser, sind jedoch möglicherweise wir alle die Dummen.

Das Energiewirtschaftsgesetz schreibt nämlich vor, dass der jeweils größte Energielieferant in einer Stadt als „Grundversorger“ wirken muss. Für Bremen bedeutet dies: Die swb m u s s alle Verbraucher auffangen, die plötzlich ohne Energie dastehen.

Wir mit unserer (in Bremen besonders) ausgeprägten sozialen Haltung sagen mitfühlend: Ja, muss ja sein. Soweit, so gut. Die swb haben diese Woche – schon mal präventiv – angekündigt, tausende – ungewollter – Neukunden trieben nicht nur die Verwaltungskosten in die Höhe. Nein, auch die Energiepreise.

Die swb kauft für ihre Stammkunden stets vorausschauend etwa soviel Strom, Gas und Wärme ein, dass es (aufgrund ihrer Erfahrungswerte) reicht. Bei 10.000 (und vermutlich künftig noch) mehr Kunden reicht die Menge nicht. Also muss swb am aktuell überhitzten Markt kurzfristig teuer dazukaufen.

Und jetzt kommt der Hammer: Der swb-Vertriebschef gab jüngst im Weser-Kurier zu verstehen, diese höheren Kosten könnten zu insgesamt höheren Kosten für alle Kunden führen.

Geht’s noch? Wer jahrelang durch den Energiebezug bei Billiganbietern hunderte Euro gespart und Mitmenschen für blöd erklärt hat, weil sie für Strom und Gas mehr bezahlt haben, der sorgt jetzt dafür, dass alle (also auch wir angeblich Dummen) mehr bezahlen sollen.

Das kann ja wohl nicht angehen.

Wie wäre es mit einem neuen swb-Tarif – für die neuen Zwangskunden. Die haben in der Vergangenheit doch so viel gespart, dass sie die durch sie aktuell verursachten Kosten jetzt auch alleine tragen können – ohne uns vermeintlich Blöden