Bahnwerkstatt und ArcelorMittal – das passt schlecht miteinander / FDP bohrt nach

24.10.2024 7 Von Axel Schuller

Das Fazit vorweg: Ich bezweifle inzwischen, dass die Alstom-Bahnwerkstatt in den Bremer Industriehäfen gebaut wird. Worüber bislang nicht gesprochen wurde: In der Ausschreibung für die Werkstatt wird ein „doppelgleisiger“ Bahnanschluss als unabdingbare Voraussetzung genannt. Bloß: Den gibt es dort nicht. Die Bremer FDP macht jetzt Druck mit einer Anfrage, in der viele Knack-Punkte der Ansiedlung problematisiert werden. Übrigens: Hat eigentlich mal jemand die Bundeswehr gefragt, was die von einer weiteren Belastung des Bahnknotens Bremen hält?

Denn: Die Bundeswehr und US-Army sind für Auslandseinsätze auf Deutschlands zweitgrößten SeehafenBremerhaven – angewiesen. Über diese Drehscheibe wurden beispielsweise Panzer für die Ukraine aus den Staaten nach Europa geschafft.

Die Interessengemeinschaft der stadtbremischen Häfen (ISH), deren große Mitgliedsfirmen wie Vollers, Rolandmühle und J. Müller am einzigen verbliebenen Bahngleis im Industriehafen hängen, sind inzwischen aufgewacht. Nachdem vor einem Monat die Erörterung von über 200 Einwendungen zum Planfeststellungsverfahren stattgefunden hat, treffen sich die ISH-Mitglieder nächste Woche, um endlich eine mögliche eigene Betroffenheit zu klaren.

By the way: Eine derart lahme Verbandspolitik hat Seltenheitswert.

Zurück zum „Lastenheft“ der Werkstatt-Ausschreibung:

Dort heißt es wörtlich: „Der Anschlussbahnhof muss mit dem Eisenbahn-Linienknoten (Hauptbahnhof Bremen; Anm. d. Red.) über eine durchgängig zweigleisig elektrisch befahrbare Strecke verbunden sein.“

Wow. Die Realität sieht anders aus: An dem drei Kilometer langen, einspurigen Gleis, das die Alstom-Werkstatt mit der DB-Strecke Bremen-Bremerhaven verbinden soll, hängt neben den genannten großen Firmen auch ArcelorMittal. Die Stahlwerke wollen nach ihrer (von allen Bremer Seiten erhofften) Transformation jährlich 1,4 Millionen Tonnen Eisenschwamm ins Werk nach Eisenhüttenstadt transportieren – in Eisenbahnwaggons!

Den Anschluss der Gleisanlagen von der Stadtseite aus hat man – warum auch immer – entfernt. Details dazu finden Sie im Fragenkatalog der FDP (siehe Doku vom heutigen Tag).

Weitere Info: Bahnchef Richard Lutz hat kürzlich im Interview mit der FAZ eingestanden, dass die Strecken und Knoten der DB „bis zu 125% von der Bahn überlastet werden müssen, da das „System“ es so vorsehe. Lutz wörtlich: „Die DB InfraGo hat wenig Instrumente, um die Auslastung so zu reduzieren, dass Stabilität und Qualität sichergestellt werden.“

Dies merkt man in Bremen häufig. Der Bahnknoten der Hansestadt ist chronisch überlastet, Störungen und Verspätungen gehören zum „DB-Dauerprogramm“.

Ach ja, DB-CEO Lutz hat in der FAZ außerdem die Abkehr von den geplanten digitalen Stellwerken verkündet. Die galten bislang als „Retter in der Zukunft“, sind nun aber offenbar aus Kostengründen gecancelt. Statt dessen setzt die Bahn auf „solide elektronische Stellwerke“ (waren in den 90er Jahren state of the art)…

Nebeneffekt dieses Strategie-Wechsels der obersten Bahnleitung: Ein bislang in der Oldenburger Kurve für ein künftiges Digital-Stellwerk reserviertes Gelände wird nicht mehr benötigt.

Dieses Grundstück für sich genommen, wäre zwar zu klein als Alternative zu der für Alstom in Oslebshausen vorgesehenen Fläche. Aber: Zusammen mit einem (privaten) Grundstück an der Oldenburger Kurve würden beide für die Werkstatt ausreichen.

Ganz seltsam: Die zwei „Testate“ einer DB-Generalbevollmächtigten, in denen die Kapazität der eingleisigen Zufahrt zu Alstom als ausreichend bewertet wird, beziehen sich auf das Bahnaufkommen des Fahrplanes von 2024.

Nicht eingeflossen sind offenbar die Prognosen des Bundesverkehrsministeriums zur Verkehrszunahme im Güter- und Personenverkehr bis 2051.

Wer sich intensiv mit dem Thema Ansiedlung der Bahnwerkstatt beschäftigt – wie zum Beispiel die Bürgerinitiative Oslebshausen – lässt kein gutes Haar an dem Plan.

 

Für Kritiker steht fest: Das einspurige Zubringergleis 1422 sei ungeeignet, die zusätzlichen Werkstattverkehre aufzunehmen. Die Möglichkeit einer Überlastung, von Staus oder von Sperrungen wegen Wartung sowie das Risiko anderer Betriebsstörungen im eingleisigen Abschnitt erhöhe sich durch weitere Verkehre dramatisch und hätte unkalkulierbare Folgen für die Stadtbremischen Häfen und die Stahlwerke.

Die Bremer FDP bündelt jetzt viele Kritikpunkte in einer Großen Anfrage an den Senat. Dabei geht es um die Stabilität des Bremer Bahnknotens, die dauerhafte Anbindung der Industriehäfen, die Lärmbelästigung der Anwohner und auch um einen Wortbruch der ehemaligen Bausenatorin Dr. Maike Schaefer (Grüne). Diese hatte noch Anfang 2023 zugesichert, dass die Belastbarkeit der Gleisanbindung zum Industriehafen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens untersucht werden würde. Ist aber nicht geschehen.

Schleierhaft ist mir die völlige Zurückhaltung von SPD, LINKEN, Grünen und CDU bei dem Thema – im Beirat Gröpelingen kämpfen die Parteien inklusive Bündnis Deutschland vereint, auf Stadt- und Landesebene fallen sie jedoch seltsamerweise in den Zustand komatöser Sprachlosigkeit.

Fazit: Bremens neue Bausenatorin (seit 7/23) Özlem Ünsal (SPD) hat von Maike Schaefer nicht nur marode Weser-Brücken, eine finanziell desolate BSAG und viel zu teure und gleichzeitig wenig effektive Baustandards übernommen, sondern auch unausgegorene Pläne für die Ansiedlung einer Bahnwerkstatt an der Reitbrake am Industriehafen.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Bitte unbedingt die Doku mit der FDP-Anfrage vom heutigen Tag beachten.