Stadt drängt Martinshof-Chef unnötig aus dem Amt
Meine Güte, wie geht Bremen mit städtischem Führungspersonal um. In einem Wort zusammengefasst: Schlecht. Da hat die Sozialbehörde nach mehreren Jahren – endlich – einen fähigen Leiter für die Werkstatt Bremen (vulgo: Martinshof) gefunden. Und der wirft bereits nach zwei Jahren entnervt das Handtuch. Wie kann das bloß angehen? Nicht unwichtig: Die Sozialbehörde hat den Mann offenbar schofelig behandelt. Die vorgesetzte Behörde nahm es sogar in Kauf, dass ihr wichtigster Werkstatt-Mann zum Arbeitsamt gehen muss.
Die heilige Anja, den Bremern besser bekannt als die Grüne Sozialsenatorin Anja Stahmann, hat das Weiterbeschäftigungs-Verfahren des Martinshof-Chefs Hans Horn solange treiben lassen, bis der bundesweit anerkannte Mann jetzt mitteilte, er wünsche keine Verlängerung seines Arbeitsvertrages. Sein Beschäftigungsverhältnis in der Werkstatt endet am 30. September.
Hans Horn war erst am 1. Oktober 2020 von Regensburg nach Bremen gekommen. Er sollte den Martinshof aus den roten Zahlen holen und gleichzeitig dafür sorgen, dass möglichst viele behinderte Mitarbeiter irgendwann doch in normalen Jobs (genannt: erster Arbeitsmarkt) landen. Horn war wirtschaftlich erfolgreich. Dies attestiert ihm Stahmanns Stellvertreter, Staatsrat Jan Fries, ausdrücklich. Fries ist im Ressort zuständig für die Werkstatt.
Horn nannte in einer gemeinsamen Presseerklärung mit dem Ressort auch inhaltliche Differenzen mit seiner vorgesetzten Dienststelle. Die Gesellschaftsform als öffentlicher Eigenbetrieb schränke den Geschäftsführer zu sehr ein, um sich für die Weiterentwicklung der Einrichtung ins Zeug legen zu können.
Zum besseren Verständnis: Die Werkstatt Bremen mit rund 2.000 Beschäftigten (Behinderten und Personal) wird von der Behörde im Grunde weiter wie ein Amt mit kaufmännischer Buchführung behandelt. Unterm Strich ist der Werkstatt-Geschäftsführer aber ein Amtsleiter.
Über wichtige Entscheidungen befindet der Betriebsausschuss. Auch über Arbeitsverträge. Dem Gremium sitzt die Sozialsenatorin Anja Stahmann vor. Ihm gehören an: Drei SPD-Bürgerschaftsabgeordnete, drei CDU-Politiker, zwei weitere Grüne sowie je ein Politiker von den Linken und der FDP. Fazit: Der Werkstatt-Leiter steht unter politischem Kuratel.
Dazu kommt die Art, wie Bremens öffentlichen Dienst/Betriebe so „ticken“. Jeder kennt jeden, viele laufen sich täglich bei Veranstaltungen oder auf dem Marktplatz über den Weg – manche Dinge werden „im Vorbeigehen“ besprochen und später formal beschlossen.
Diese Welt war Hans Horn offenbar fremd. Er kam von der Caritas in Regensburg, ist ein geachteter Experte für Behinderten-Werkstätten. Aber eben ein Fremder, kein Mitglied dieses speziellen Netzwerkes. Zusätzlich dürfte ihn das Bremische Personalvertretungsgesetz – sagen wir mal – „überrascht“ haben. Dieses Gesetz gesteht den öffentlichen Betriebsräten Rechte zu, die bundesweit einmalig sind.
Und nebenbei noch ne Bemerkung zum „Klima“:
Der jeweils amtierende Bremer Bürgermeister lädt jährlich Personal- und Betriebsräte von Behörden und öffentlichen Einrichtungen wie Eigenbetrieben, Anstalten öffentlichen Rechts etc. ein. Jedoch: Einen Empfang für die Leiter und die Geschäftsführer, Vorstände etc. öffentlicher „Unternehmen“ gibt’s nicht. Den Gewerkschaftern wird mehr Wertschätzung zuteil als denen, die an der Spitze die Pufferfunktion zwischen Personal und politischer Führung bilden.
Und noch eine Besonderheit der Werkstatt Bremen. Nach der Pensionierung des Martinshof-Urgesteins Wilfried Hautop hatte die Politik – sagen wir mal – keine glückliche Hand bei der Auswahl des Nachfolgers. Der bekam einen Zwei-Jahres-Vertrag. Den entfristete Sozialsenatorin Stahmann und entließ den Leiter nach insgesamt fünf Jahren, weil’s einfach nicht ging. Der Mann galt als überfordert. Die ganze Nummer hat Bremen viel Geld gekostet.
Mit Hans Horn kam ein anderes Kaliber an die Weser. Jedoch: Auch er bekam die zwei-jährige Probezeit. Für jemanden, der anderenorts seine Zelte abgebrochen hat, ist ein Zwei-Jahres-Vertrag als Chef an sich schon eine Zumutung. Und dann – wie bei Geschäftsführern üblich – dem Amtsinhaber ein halbes Jahr vor Vertrags-Ablauf den neuen Kontrakt nicht auszuhändigen, ist dämlich. Einer ordentlichen Verwaltung unwürdig.
Ach ja, und die Zukunftsaussichten für die Werkstatt Bremen sind neuerdings auch nicht gerade rosig.
Linke, SPD und Grüne verlangen allen Ernstes vom Senat, sich im Bund für eine Gesetzesänderung einzusetzen. Demnach soll es Unternehmen verboten werden, ihre Ausgleichsabgabe (für von ihnen nicht-eingestellte Behinderte) mit etwaigen Aufträgen an Behinderten-Werkstätten zu verrechnen.
Das Schlimmste für die 2.000 Werkstatt-Beschäftigten aktuell ist jedoch: Nach dem Handtuch-Wurf des bundesweit in der Branche geachteten Horn stellt sich jetzt die Frage: Welcher ernstzunehmende, potenzielle Leiter m/w/d in der Republik wird bereit sein, sich um das offensichtliche Himmelfahrtskommando in Bremen zu bewerben.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller