Wann gibt’s Diamorphin endlich auch für Bremer Crack-Süchtige?

16.11.2022 Aus Von Axel Schuller

Geschätzt 30 bis 40 Extrem-Süchtige bestimmen aktuell die öffentliche Debatte. Den Crack-Süchtigen am Bahnhof sieht man ihr ganzes Elend zwischen Leben und Tod an. Zu ihrem Selbstschutz sollte man die Leute am besten in einen Zwangs-Entzug einliefern. Geht in unserem Rechtssystem aber nicht. Und bringt auch nix, wenn der Betroffene nicht einwilligt. Aber Achtung: Es gibt einen Ersatzstoff für die heftigst Abhängigen. Jedoch: Das Diamorphin wird in 13 Städten an Extrem-Süchtige staatlich lizensiert ausgegeben. In Bremen aber nicht.

Jeder, der die Straßenbahn am Hauptbahnhof verlässt oder in eine einsteigt, muss sich durch das Elend der „Cracker“ schlängeln. Häufig wird man angebettelt, zuweilen auch aggressiv und manchmal auch mit rüdesten Formulierungen. Der Grund: Wer Crack raucht, dessen Hirn und Körper braucht innerhalb kürzester Zeit den nächsten Zug aus der Crack-Pfeife. Einmal ziehen und schon fühlt man sich besser.

Experten beschreiben die Wirkung von Crack so: Die Nutzer fühlen sich unfassbar gut. Das „Kokain für Arme“ erzeugt eine „sofortige Selbstaufwertung“. „Cracker“ empfinden sich als stark, potent, dauer-wach. Doch wehe, die Wirkung lässt nach nur wenigen Minuten nach. Dann geht’s von vorne los. Nach einer Wach-Phase von drei, manchmal vier Tagen sind die Süchtigen so erschöpft, dass auch sie schlafen müssen.

Wenn sie danach aufwachen, sind sie nach Meinung von Experten am ehesten „erreichbar“. Ansprechbar etwa auf mögliche Hilfsangebote. Die beschriebene „Ruhephase“ finden die „Cracker“ am Bahnhof extrem selten. Und erst recht nicht, wenn die Polizei mal wieder „nach dem Rechten“ schaut. Was die Bevölkerung von der Innenbehörde aber zunehmend deutlicher einfordert.

Drogenhelfer wünschen sich, dass die Polizei die Szene in Ruhe lässt. Was natürlich nicht geht. Denn eine Minderheit darf die Mehrheit – besonders durch rabiates Bettel-Verhalten – nicht bedrängen oder gar terrorisieren (wie das Betroffene zuweilen empfinden).

Es ist schon merkwürdig. Ein Experte und Professor in Frankfurt/Main gilt als einer der Wegbereiter der Diamorphin-Anwendung bei Drogen-Abhängigen. Der Mann ist, Achtung: Bremer. Aber in unserer Stadt spielt der Ersatz-/Substitutionsstoff bislang keine Rolle.

Ganz anders in: Berlin, Bonn, Dortmund/Unna, Düsseldorf, Frankfurt/M., Hamburg, Hannover, Iserlohn, Karlsruhe, Köln, München, Stuttgart, Wuppertal. Dort verabreichen Krankenhäuser und Praxen den Ersatzstoff.

Und an der Weser? Da überlegt man „bereits seit längerem“, ob und wie man die Diamorphin-Anwendung realisieren kann/will. Bei uns wird nachgedacht, andere handeln.

Besonders bemerkenswert: Die Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezahlt mittlerweile Diamorphin für Extrem-Süchtige. Die Motivation: Wer lange Crack raucht, geht allmählich zu Grunde. Es gibt die Crack-Lunge, Herzschäden – und: nicht Sache der GKV, aber gesellschaftlich wichtig – auch Kriminalität.

Nochmal zum Experten-Urteil: Crack sorgt für eine „extrem seelische Abhängigkeit“ der Süchtigen. Auffallend ist, dass die Substitution mit Diamorphin überraschend häufig dazu führt, dass Ex-„Cracker“ ruhiger werden, nicht mehr wie gehetzt durch die Stadt rennen, permanent auf Nachschub-Suche sind.

Der morgige Donnerstag (17.11.22) könnte einen Umschwung der Bremer Politik auf diesem Feld einläuten. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) sind gefordert, wenn eine von der CDU-Opposition beantragte Aktuelle Stunde im Landtag aufgerufen wird. Mäurer dürfte sich dabei als Diamorphin-Befürworter outen. Seine Kollegin wird vermutlich auf die Probleme hinweisen. Derer gibt es genug. Beispielsweise muss das künstlich hergestellte Heroin (Diamorphin) in einer Art Hochsicherheitsraum gelagert werden. Die Vergabe muss an sieben Tagen in der Woche mindestens an jeweils zwölf Stunden sichergestellt sein. Und: Während der intravenösen Vergabe müssen Ärzte/Sozialbetreuer/Psychiater anwesend sein. Ziel ist ja nicht nur das Ruhigstellen der Super-Süchtigen, sondern sie sollen in hellen Momenten für Hilfsangebote gewonnen und zu einem geregelten Tagesablauf animiert, im besten Fall für eine Arbeit begeistert werden. Also, für ein normales Leben.

Ein solch besonderer Ort darf auf keinen Fall am Bremer Hauptbahnhof (auch nicht nahe den anderen Drogensüchtigen in der Friedrich-Rauers-Straße) angesiedelt werden. Am Besten übernimmt eine Klinik oder eine Suchtpraxis fernab des heutigen Crack-Zentrums die Diamorphin-Vergabe. Wobei man sich nix vormachen darf: Crack wird in Bremen schwerpunktmäßig auch geraucht: an der Piepe in der Neustadt, am Drogentreff in Vegesack, am Gröpelinger Depot, am Bahnhof Burg, an bestimmten Ecken im Viertel.

Diese Konzentration rührt unter anderem daher, dass ein Mensch Stoff für eine Pfeife beim Dealer kauft. An der herumgereichten Pfeife dürfen dann Süchtige für drei bis fünf Euro je einmal ziehen. Wie ich hörte, können sich so bis zu fünf „Cracker“ kurzzeitig „glücklich“ machen.

Fazit: Bremen sollte die Vergabe dieses Ersatzstoffes an die „Cracker“ zumindest erproben. Die Situation am Bahnhof könnte sich so im besten Fall soweit entspannen, dass Normalbürger m/w/d nicht mehr mit Unwohlsein oder gar mit Angst dorthin gehen. Dafür würde sich eine letzten Endes überschaubare Summe mehr lohnen als…

…na, Ihnen fallen jetzt bestimmt (wie auch mir) einige unnütze, überflüssige Maßnahmen in der Stadt ein, die eher der Verblendung einzelner Politiker/Parteien entspringen als einer Notwendigkeit.

 

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Damit Sie, liebe Normal-Leserinnen und Leser sich jetzt nicht zu gut fühlen, noch ein Hinweis: Seit Jahren belegen Untersuchungen, dass neun von zehn untersuchten Euro-Geldscheinen (gilt auch für Dollar-Noten) mit Rauschgift kontaminiert sind…

Zum Seitenanfang