Stahmann schreibt während Drogendebatte ungerührt Weihnachtskarten
Politiker sind – Menschen. Häufig genug auch in einer nahezu bemitleidenswerten Rolle. Wobei sie diese bewusst eingehen. Sie müssen sich alle vier Jahre wählen lassen. Sind gegebenenfalls Watschenmann/-frau für uns alle. Aber: Mensch zu sein, kann nicht bedeuten, dass ich als Sozialsenatorin an der Bürgerschaftsdebatte über das Drogen-Elend am Hauptbahnhof teilnehme – und lange Zeit stumpf Weihnachtskarten schreibe. Zum Wochenende, liebe Leserinnen und Leser, geht’s mal um ein Randthema, das aber durchaus Wirkung entfaltet. Frage: Wie dumm – freundlicher: unbedarft – dürfen Politiker sich verhalten?
Fangen wir mit Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) an. Danach geht’s noch um einen sozialdemokratischen Kevin.
Anja Stahmanns Ressort ist nicht nur dafür verantwortlich, dass wir über 500 unbegleitete minderjährige Ausländer oberhalb der Bremer Quote mit entsprechenden Kosten in der Stadt haben, sondern: Stahmanns Behörde hat zusammen mit den Ressorts für Gesundheit, Inneres und Bau die per Senatsbeschluss festgelegte Aufgabe übernommen, das Drogenelend am Hauptbahnhof zu beenden, mindestens zu lindern.
Die CDU-Opposition hatte das brisante Thema jüngst für die Landtagssitzung in einer Aktuellen Stunde aufgerufen. Über die Debatten-Inhalte konnten Sie sich in den Medien informieren.
Das Radio-Bremen-Regionalmagazin „butenunbinnen“ hat Stahmanns-Kartenorgie erfreulicherweise filmisch für die Nachwelt festgehalten. Klicken Sie mal den folgenden Link an und gehen auf 2:13 Min/Sek der Sendung.
https://www.butenunbinnen.de/videos/butenunbinnen-5708.html
Dort können Sie Frau Stahmann beim Kartenschreiben zuschauen, während sie an der Senatsbank im Plenarsaal sitzt. Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) schaut – neutral formuliert – schon etwas verwundert zu ihrer Kollegin herüber.
Wie gesagt: Zu diesem Zeitpunkt wurde über das die Bevölkerung und die Drogen-Süchtigen bedrängende Thema Rauschgift am Hauptbahnhof debattiert.
Sehr geehrte Frau Stahmann, ich halte Ihnen zugute, dass Sie in Ihrem extrem beanspruchenden Job wenig Zeit haben. Aber, wenn Sie schon im Dienst Weihnachts-Karten schreiben wollen/müssen, dann setzen Sie sich doch um Himmels Willen nicht ins Parlament, sondern gehen Sie raus.
Ach so: Sie waren geistig anwesend, sind multitasking-fähig und jederzeit ansprechbar? Mag sogar sein, aber: Während der Sitzung drehte Radio Bremen. Und Bilder sagen bekanntlich erschreckend mehr als Worte.
Frau Stahmann, so leid es mir tut, mit ihrer (hoffentlich) unbedachten Art haben Sie ungewollt und indirekt, aber eben doch dem üblen Spruch (von Kaiser Wilhelm II., später von den Nazis benutzt) Vorschub geleistet, wonach das Parlament eine „Quasselbude“ sei. Weihnachtskarten schreiben, während die Abgeordneten engagiert debattieren, wirken zumindest der Politikverdrossenheit nicht entgegen.
Frau Stahmann, fragen Sie mal Ihre Senatskollegin Claudia Bernhard.
So etwas macht man nicht! Und Frauen auch nicht.
In die Reihe von Unbedachtsamkeit, Dummheit und/oder Tollpatischigkeit passt ein weiterer Vorgang aus der Bürgerschaft. Als ich den Tweet eines Abgeordneten aus der Landtagssitzung bei Twitter sah, habe ich zunächst überlegt: Ist das eine Fälschung, oder wahr? Ist leider echt.
Ein Bremerhavener SPD-Politiker namens Kevin Lenkeit (37) verbreitete via Twitter folgende Zeilen:
ZITAT:
„Hallo Polizei, ich möchte eine Straftat melden.“
„Was ist geschehen?“
„Die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion verprügelt grad die CDU-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft.“
Lenkeit schrieb dies über die Debatte zum Thema „Bürgergeld“. By the way: Über das Bürgergeld wird von Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat, und jetzt vom Vermittlungsausschuss entschieden. Vermutlich aus dieser Sicht heraus haben bremische Medien dieser Bürgerschaftsdebatte keine Beachtung geschenkt.
Jedenfalls, dieser Herr Lenkeit, der dem Bremerhavener SPD-Bundestagsabgeordneten Uwe Schmidt als „wissenschaftlicher Mitarbeiter“ dient, hatte (mal wieder) eine so lose Zunge, dass er prompt Widerspruch erntete. Interessanterweise von einem eigenen Genossen.
Thorsten Lieder, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bremen-Osterholz, ehrenamtlicher Geschäftsführer der Bremer-Gastro-Gemeinschaft, jüngst in den Medien, nachdem er in der Straßenbahn von einem andersdenkenden Jugendlichen aus einem anderen Kulturkreis angegriffen worden war. Lieder schrieb seinem Genossen:
„Während ich auch in der dritten Woche nach der Prügelattacke auf mich darauf warte, dass Polizei und Staatsanwaltschaft ihren Job erledigen, ist es ausgerechnet mein Parteifreund und Innenpolitiker Kevin Lenkeit, der sich über Prügel im politischen Kontext lustig macht – und die Polizei ruft. Hinweis: Sie wird nicht kommen Kevin, wenn, dann viel zu spät und ohne nachhaltige Wirkung. DARUM solltest du dich kümmern!“
Wo er Recht hat, hat er Recht.
Munter bleiben
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
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