Zehntausende beschäftigen sich mit dem Klima, aber im Ahrtal stockt’s noch immer

24.11.2022 Aus Von Axel Schuller

Ich rufe Ihnen heute ein Wort zu: KLIMA. Was macht das mit Ihnen? Liebe Leserinnen und Leser, jetzt möchte ich zusammen mit Ihnen das schöne Bremen verlassen. Ausnahmsweise, und solange es die Grünen noch nicht verboten haben, sinnbildlich per Flugzeug. Nach Ägypten. Um dort mal zu schauen, was wir Deutschen uns so alles einbilden. Außerdem möchte ich mit Ihnen einen Blick ins Katastrophengebiet an der Ahr werfen. Ja, das gibt es leider immer noch!

Man mag es nicht glauben: Alljährlich fliegen Politiker, Fachbeamte und Klima-Lobbyisten (aller denkbaren Geschlechter) an einen Ort auf der Welt, um in stattlicher Anzahl (bis zu 30.000 Menschen!) über das Klima zu sprechen, zu klagen, zu streiten und und und. In Ägypten ist nun so wenig herausgekommen, dass man sich das Kerosin hätte sparen können.

Also Schirm el Scheich. Da wurde selbst in der Konferenz-Verlängerung erfolglos an einer „gemeinsamen“ Erklärung herumgeschraubt. Eine Erklärung, mit deren Hilfe ausgerechnet Deutschland „Gott und die Welt“ wortreich auffordern wollte, endlich CO2 zu reduzieren. Selbst nimmt unser Land jedoch gerade alte stinkende Braunkohle-Dreckschleuder-Kraftwerke wieder in Betrieb. Ziel: Den drohenden Strom-Blackout vermeiden. Und gleichzeitig Atommeiler (im Betrieb CO2-frei) vom Netz zu nehmen. Im Ausland denkt man vermutlich: Die Germanen sind endgültig durchgeknallt.

Noch so’n Ding: Deutschland (also, Annalena Baerbock) sei sehr enttäuscht, dass die Arabischen Emirate eine Formulierung blockiert hätten, wonach die Öl– und Gasförderung zugunsten des Weltklimas gedrosselt werden müsse.

Könnte es sein, dass die Araber verinnerlicht haben, worauf ihr Reichtum gründet? Eben auf Öl- und Gasquellen.

Deutschland wird klimapolitisch offenbar nicht mehr so richtig ernst genommen. Kein Wunder, unterstützen wir doch gerade den Senegal dabei, Gas zu fördern. Zur Erinnerung: Gas ist eine fossile Energie. Also bäh.

Ungeachtet des deutschen Doppelzungen-Syndroms wollen wir zugleich aber auch zu den Guten gehören. Unser Land will einen dreistelligen Millionen-Betrag zur Verfügung stellen, damit Länder und Regionen in der Welt die Folgen des Klimawandels bekämpfen können. Nur mal am Rande: Experten haben errechnet, dass die weltweit „20 verwundbarsten Staaten der Erde (V20)“ 2,4 Billionen (also: 2.400 Milliarden) Dollar benötigen, um sich gegen die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu wappnen – jährlich. Und das bis 2030.

Da wollte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) mit der deutschen „Starthilfe“ von 170 Millionen Euro die anderen zum Zahlen bewegen. Operation nicht so recht gelungen…

Wenn aus dem internationalen Topf nix wird, könnte man das Geld auch in Deutschland bestimmt gut brauchen. Mir kam spontan das Ahrtal in den Sinn. Dort hat die Flut vom 14. Juli 2021 das Leben brutal verändert. Die Folge: Selbst ein Jahr und vier Monate danach wissen viele Überlebende nicht, wohin sie künftig gehören.

Kurzer Zwischenbericht:

Hunderte Menschen, deren Häuser in „gelben Zonen“ direkt am Fluss vom Hochwasser komplett weggerissen wurden, warten noch immer auf Flächen, wo sie neu bauen dürfen. Die noch immer häufigste Brückenart dort unten ist die „THW-Behelfsbrücke“. Und wissen Sie warum? Bei jedem Brückenabriss und Brückenneubau äußern neunmal kluge Denkmalschützer Bedenken, erheben Einsprüche. Sie wollen erreichen, dass die vielen, hübschen Bogenbrücken in der alten Form aufgebaut werden.

Erinnern Sie, wer insbesondere an den schlimmen Hochwasserfolgen beteiligt war? Bogenbrücken. An denen hat sich alles gestaut: Erst Unrat, dann Bäume, Autos, halbe Häuser. Die im Ahrtal Verantwortlichen wollen keine Bogenbrücken mehr, sondern ganz normale Brücken, mit einfachen Pfeilern und ausreichend breiten Durchlässen.

Nach meinen Telefonaten in der Region war ich entsetzt, wie viele Menschen aktuell immer noch mit der Not kämpfen. Tausende leben irgendwo, aber nicht in ihrem Zuhause. Mehrere hundert sind in170 Tiny Häusern untergekommen. Aber nicht aus Gründen des besseren Lebensgefühls, sondern aus nackter Überlebens-Notwendigkeit.

Zum Schluss ein aktuell sehr drängendes Problem in der deutschen Katastrophenregion: Der Bund besteht darauf, dass alle Anträge auf materielle Unterstützung bis zum 30. Juni 2023 eingereicht werden. Wer später kommt, wird nix aus dem Bundestopf kriegen.

Vor dem Hintergrund, dass man in der Region Altenahr aufgrund der massiven Zerstörungen mit einem Wiederaufbau-Zeitraum von zehn Jahrenrechnet – eine unglaubliche Unbedachtheit des Bundes. Oder ist es doch blanke Ahnungslosigkeit?

Wenn man erfährt, dass die Deutsche Bahn für die Wiederherstellung der Ahrtal-Bahn (es muss noch eine Strecke von 18 Kilometern Gleisen mit allem drum und dran komplett neu gebaut werden) einen Zeitraum bis mindestens 2025 kalkuliert – entspringt da die Terminkeule des Bundes einer Unbedachtheit oder eher doch einer bürokratischen Realitätsferne?

Liebe Leserinnen und Leser, Sie kennen und schätzen (überwiegend) diesen Blog als Ort, an dem meist zugespitzt Bremer Themen eingeordnet und kommentiert werden. Ich hoffe jedoch, dass ich mit den vorigen Zeilen Ihr Interesse wecken konnte. Die Infos aus dem Ahrtal empfand ich schon als sehr bedrückend.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

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