Bislang ungestellte Frage: Frau Senatorin Schaefer, wie agieren Sie jetzt als lame Duck?

07.12.2022 Aus Von Axel Schuller

Was wäre, wenn…? Ist auch in der Politik manchmal eine interessante Fragestellung. Was wäre, wenn…Dr. Andreas Bovenschulte von der SPD mit dem einem so miserablen Votum wie die Grüne Dr. Maike Schaefer (72,9 Prozent) zum Spitzenkandidaten aufgestellt worden wäre? Meine Journalisten-Kollegen hätten Bovenschulte (der real fast schon unanständige 99,2 Prozent einsackte) – zu recht – mit Fragen traktiert. Wie wollen Sie mit einem derart schlechten Ergebnis in den Wahlkampf ziehen? Sind Sie jetzt im Senat eine „lame Duck“? Was man halt so fragt, nach solch einer Abstimmungs-Klatsche. Und bei Schaefer? Nicht eine Frage danach. Die gute, grüne Sache nicht gefährden – oder was?

Ja, ich weiß. Über Kollegen schreibt man nicht. Warum eigentlich nicht? Journalisten sind wie Politiker nicht sakrosankt. Beide Berufsgruppenstehen in der Öffentlichkeit. Die einen müssen sich „dummerweise“ auch noch wählen lassen. Unterm Strich müssten beide Gruppen von Haus aus kritikfähig sein.

Sehr geehrte Bremer Grüne. Jetzt bitte keinen pawlowschen Reflex. „Ja klar, der Schuller macht die Maike immer schlecht. Falsch. Siehe Vegan-Papier und Blog vom 11.11.22.

Nein, der Punkt ist: Warum gehen die Grünen mit „ihrer“ Maike Schaefer eigentlich so schlecht um? Ist sie Ihnen zu sehr auf Ich-Tour? Lässt sie neben sich zu wenige hochkommen? Meint man, es mangele ihr an Empathie? Ist sie zu schnodderig? Nach 72,9 Prozent (ohne Gegenkandidaten) zu sagen: „Gewonnen ist gewonnen“ – da muss du schon ganz schön abgehärtet sein.

Mein Kollege Theiner vom Weser-Kurier hat zwar keinen Kommentar zum Schaeferschen Wahl-Desaster geschrieben, aber – fast schon kommentierend – feinsinnig Nominierungs-Prozente anderer Grünen Spitzenkandidaten recherchiert. Die niedersächsische Spitzenkandidatin wurde demnach mit 91,9 Prozent ausgestattet. Die Berliner Spitzenfrau erhielt 92,5 Prozent ihrer Basis. Und die Dame in Schleswig-Holstein startete mit sagenhaften 96 Prozent Ja-Stimmen im Rücken in den Wahlkampf.

Und Maike Schaefer? Der sprachen 129 von 177 anwesenden Grünen ihr Vertrauen aus. Macht: 72,9 Prozent. Wenn man überlegt, wie die Bremer Grüne Partei funktioniert, ist diese Niederlage eigentlich noch schlimmer zu bewerten.

Bei den Grünen gibt es nämlich kein Delegiertensystem.

 

Bei den Grünen darf jedes Mitglied vorbeikommen und abstimmen. Von den 1.244 im Land Bremen hätten 1.101 stadtbremische Grünen-Mitglieder über die Bremer Bürgerschaftsliste mitbestimmen dürfen. Davon waren voriges Wochenende jedoch maximal 191 (Abstimmung über Listenplatz 9) im Raum. Der Rest, rund 900 Frauen und Männer, hatte offenbar keine Zeit, keinen Bock oder aber auch null Interesse daran, „ihre“ Spitzenfrau Schaefer mit einem fulminanten Abstimmungsergebnis auszustatten.

An Maike Schaefers Nominierung auf Platz 1 der Liste beteiligten sich 177 Grüne. Fraktionschef Björn Fecker erhielt 155 von 179 abgegebenen Stimmen (84,2 Prozent). Sozialsenatorin Anja Stahmann bekam 167 von 184 Stimmen (90,8 Prozent). Wenn’s nach diesen Prozenten ginge, müsste Stahmann Spitzenkandidatin sein. Um so Kleinigkeiten wie Geldverschwendung in zweistelliger Millionenhöhe für in Bremen zu viel aufgenommene unbegleitete minderjährige Ausländer macht man sich in diesen Kreisen offenbar keinen Kopp.

Weiter geht’s mit Platz 4. Philipp Bruck – das ist der mit der Flughafen-Schließungsidee – erhielt 149 von 182 Stimmen (81,9 Prozent). Ich will jetzt nicht die komplette Liste runterbeten. Finden Sie alles auf der Grünen Website.

Jetzt noch ein paar unschickliche(?) Hinweise auf den „Heimatsender“. Liebe Leserinnen und Leser, machen Sie mal die Probe: Geben Sie bei Google „Kommentare Radio Bremen“ ein. Das Ergebnis: Sie werden eine einzige Meinungsäußerung zum teilweise nun wirklich sehr strittigen Agieren der Grünen in Bremen finden. Eine. Dass es nicht genug Fördergelder für Lastenräder gäbe.

Wie kann das sein? Die Partei von Frau Schaefer, die Grünen, bringen uns Bürgerinnen und Bürger nicht selten mit strittigen Themen in Wallung – und der öffentlich-rechtliche Sender berichtet darüber, hat aber keine Meinung dazu?

Für den Fall, dass Sie in dem Wust den Überblick verloren haben:

Frau Schaefer verdanken wir u.a. die Teilnahme von Bediensteten ihres Ressorts an einer vormittäglichen Demo von Fridays-for-future. Weitere Themen:

Der Wall als Zwitter aus Autofahrspur und „Premium-Radweg“. Damit wird nach Grünen-Lesart CO2 eingespart. Haha.

Das gleiche Grüne „Trauerspiel“ ist in der Martinistraße zu studieren. Der Ein-Fahrbahn-Betrieb je Richtung mit seitwärts abgetrennten Radwegen produziert lange Staus – inklusive BSAG-Bussen. Erfreuen sich die Radfahrer eigentlich an den zusätzlichen Stau-Abgasen? Oder meiden die Radler diese Strecke inzwischen?

Gleichzeitig vergammeln die vor Jahrzehnten in vielen Stadtteilen vorbildlich angelegten Radwege. Ist man im Scheaefer-Ressort möglicherweise vor der Wirklichkeit gefeit?

Stichwort vergammeln. Die drei wichtigsten innerstädtischen Brücken – Erdbeer-, Kaisen- und Smidt-Brücke – sind marode, müssen alle drei für Lastwagen, teilweise schon ab 12 Tonnen, gesperrt werden. Nur mal ganz sachte erinnert: Bremen ist eine Logistikstadt!

Übrigens: Für die Verkehrspolitik in Bremen sind die Grünen nicht erst seit Schaefers Wahl im Jahr 2019 zuständig. Dr. Reinhard Loske (2007-2011), Dr. Joachim Lohse (2011-2019) – erinnern Sie sich? Beide Grüne.

Und „unser“ Heimatsender? Hält all diese Themen und viele weitere aus dem Reich der Grünen für nicht kommentarwürdig. Ehrlich, jetzt? Wer weist diese offenbar grün-minded Redaktionsleitung einmal darauf hin, dass alle Gebührenzahler für den Sender blechen? Und eben nicht nur die Grüne-Minderheit der in diesen Kreisen so gern zitierte „Stadtgesellschaft“?

Ja, ich habe in meinen Journalistenjob stets so gut es ging für die redaktionelle „Unabhängigkeit“ gefochten. Aber dafür muss sich eine Redaktion erst einmal „unabhängig“ verhalten.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

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