Achtung: Schlechte Bildung betrifft alle – endet nämlich im Facharbeitermangel

10.12.2022 Aus Von Axel Schuller

Wenn ich bloß wüsste, wie ich Sie heute bei der Stange halte. Schreibe ich: Es geht um Bildung und Inklusion – wenden sich viele sofort ab. In Wahrheit geht es aber um unsere Zukunft. Die endet in Düsternis, wenn wir nicht mehr genügend Facharbeiter haben werden. Anders ausgedrückt: Wenn unsere Kinder in der Schule nicht endlich mehr und besser lernen können, wird Bremen bald auf dem Zahnfleisch gehen. Bitte, liebe Leser, jetzt nicht in „schönere“ Texte flüchten! Es geht um Ihre Kinder, Enkelkinder – letzten Endes – um uns alle.

Keine Bange, Sie brauchen sich keine Sorgen um meinen Kopp zu machen. Die bisherigen Zeilen haben das Ziel, Sie für ein Thema zu interessieren, mit dem Sie vordergründig – Gott sei dank – vielleicht nix mehr zu tun haben/hatten/haben werden.

Wenn Bremen (und ein Großteil Deutschlands) es nicht schafft, die Kinder besser aufs Leben vorzubereiten, dann…dann wird das auf mittlere Sicht sehr übel für unseren Arbeitsmarkt enden.

Das Bremer Bildungssystem setzt mittlerweile auf die vollständige Inklusion aller Kinder – egal ob und wie beeinträchtigt sie sind. Lehrerinnen und Lehrer ächzen insgeheim, einige zunehmend offen, über die unerträgliche Belastung.

„Pauker“ von heute müssen sich um extrem unterschiedliche junge Menschen kümmern. Am unteren Rand der Leistungsmöglichkeiten, am oberen Rand (ja, Hochbegabte wollen auch beachtet und gefördert werden) – und dazwischen die Mitte. Je nach Wohngebiet mal schmaler mal breiter.

Die stillen und unauffälligen Jungs und Mädchen (in der „Mitte“) bleiben im aktuellen Bildungssystem ein Stück weit auf der Strecke. Um die können sich Lehrer m/w zwangsläufig nicht ausreichend kümmern. Doch aus diesem Kreis der „Mittleren“ müssen unter anderem unsere künftigen Handwerker und Facharbeiter m/w „nachwachsen“. Nur mit Zuwanderung wird es nicht gelingen, unsere Gesellschaft in Deutschland am Laufen zu halten. Und erst recht nicht in Bremen – mit dem gegenwärtigen vermurksten Bildungssystem.

Nochmals meine eindringliche Bitte: Bleiben Sie am Text dran.

Die Hiobsbotschaften überschlagen sich in unserer Stadt bald täglich. Die Lehrergewerkschaft GEW hat es jüngst drastisch, wohl aber zutreffend formuliert: „Das Kartenhaus fällt zusammen.“ Im Weser-Kurier war zu lesen: Akute Krankheitswelle trifft auf Fachkräftemangel und Schul-Personal, das sich aus unterschiedlichen Gründen „am Ende“ fühlt.

Die Folge: Viele Lehrkräfte flüchten per Stundenreduzierung in die vier-, besser noch, in die drei-Tage-Woche. Viele rechnen sich vorher genau aus, was sie an Geld benötigen/haben wollen – und reduzieren entsprechend ihre Stundenzahl. So fehlt massenhaft Lehrpersonal. Und macht die Stundenplan-Planung für die Schulleitungen immer schwieriger. Erst recht das Besetzen von Klassenlehrer-Stellen.

Woran liegt das (unter anderem)? Bremen war Ende des „vorigen Jahrhunderts“ – 🙂 – stolz wie Bolle, Sonderschulen aufzulösen und beeinträchtigte Kinder in die Regelschulen zu überführen. Zunächst körperlich behinderte, dann auch geistig nicht voll Fitte. Die Vorstellung glich dem Traum von engagierten Pädagogen: Alle Kinder erhalten gleiche Entwicklungschancen. Was die Planer, Strategen, Ideologen übersahen: Die Inklusion von – wie auch immer – benachteiligten Kindern setzt mehr Personal voraus, als man beim getrennten Unterricht in Regel- und Sonderschulen benötigt.

Ja, ich weiß, das wollen einige Ewig-Bewegten nicht hören. Genauso so wenig wie Verfechter nur e i n e s Arbeitsmarktes, die den Wegfall der Behinderten-Werkstätten wie des Martinshofes fordern. Auch auf diesem Feld gibt es Träumer, die meinen, man könnte alle Martinshof-Beschäftigten in „normale“ Betriebe des „ersten Arbeitsmarktes“ integrieren. Dabei wird jedoch verkannt, dass in den „Werkstätten“ Arbeitsschritte teilweise extrem aufgeteilt sind, damit Behinderte die auch leisten können.

Zurück zu den Schulen: Lehrerinnen und Lehrer haben in der Regel nix gegen den gemeinsamen Unterricht von un-beeinträchtigten und beeinträchtigten Kindern. Das gemeinsame Lernen kann z.B. die Sozialkompetenz stärken. Voraussetzung ist aber, dass ausreichend Zusatz-Personal in der Klasse ist.

Der Hilferuf des Kollegiums aus der Tami Oelfken-Grundschule in Bremen-Lüssum ist bezeichnend. Die müssen in Regelklassen nicht nur eine große Zahl von Kindern ohne/bzw. mit mangelhaften Sprachkenntnissen „unterrichten“, sich um halbwegs normal und einzelne hochbegabte Kinder kümmern. Nein, in einigen Klassen sitzen auch sozial extrem auffällige/gestörte Kinder. Die schreien zuweilen herum, gehen über Tische und Stühle, artikulieren sich per Kratzen und Schlagen. Wie soll in einer solchen Gemengelage Wissen vermittelt werden?

Wenn man diese sehr unterschiedlichen Kinder gemeinsam unterrichten will, benötigt man locker eine Handvoll Zusatz-Personal. Sozialpädagogen, Logopäden, Assistenzen usw. – pro Klasse.

Das dafür notwendige Personal gibt es aktuell aber nicht. Wer als Lehrer auf diese Missstände hinweist, wird von der Schulaufsicht schon mal gerne in die Moralo-Ecke geschoben. „Aha, Sie haben etwas gegen die Inklusion“. Für die Normalos unter meinen Lesern m/w: Schulaufsichtsbeamte sind Vorgesetzte des gemeinen Lehrers m/w. Und Vorgesetzte haben Macht.

Was ich während meiner Recherche zu diesem niederschmetternden Text leider mehrfach zu hören bekam: „In der Bildungsbehörde sitzen zu viele Lehrer, die vor den Kindern aus den Schulen in die Behörde geflohen sind.“ Diese Menschen haben zu wenig/bis keinen Praxisbezug. Sie formulieren als Theoretiker Forderungen, die Praxis-untauglich sind.

Liebe Leserinnen und Leser, das Thema Bildung ist – speziell in Bremen – wie ein Fass ohne Boden. Ich werde Sie in Zukunft bestimmt noch häufiger belästigen.

Heute geht es mir zunächst darum, Menschen, die ihre Kinder zum Glück schon „groß haben“, dafür zu sensibilisieren, dass die Bildung von heute massive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt von morgen haben werden. Und von dem werden wir alle abhängig sein. Es sei denn, Sie sind ein „Meister-ich-kann-Alles-selber-machen“.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

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