Bonus-Material zum neuen “Bremer Bau-Standard” / Eine Analyse durch die ARGE

15.12.2022 Aus Von Axel Schuller

Am „Bremer Standard“ für Neubauvorhaben scheiden sich – wie berichtet – die Geister. Nach dem Blog „Neuer Standard würgt laut Unternehmen nahezu jeden Neubau ab“ vom 2.12.2022 haben sich Unternehmer gemeldet, um Seltsames zu berichten. Beispielsweise, dass in Bremen das Bohren von Erdwärmepumpen deutlich teurer sei als im niedersächsischen Umland. Außerdem flog mir ein Dokument zu, in dem sich ein betroffener Unternehmer mit dem Bremer Standard im Detail auseinander setzt. Prädikat: Lesenswert; auch für nicht-Direktbetroffene. Fazit. Der Wohnungs-Neubau wird demnach in Bremen eingestellt.

Liebe Leserinnen und Leser, heute biete ich Ihnen – als Bonus-Material – die Möglichkeit, sich an der Quelle zu informieren. Ein wortgewandtes Mitglied der ARGE – das ist der Bremer Verband der privaten Wohnungsbauunternehmen – hat die Presseerklärung von Bau- und Umweltsenatorin Dr. Maike Schaefer (Grüne) Passage für Passage kommentiert.

Los geht’s.

Dr. Maike Schaefer sagte demnach in ihrer Presseerklärung (Pe) zum Bremer Standard vom 22. November 2022:

Schaefer-Pe: “Rohstoffknappheit, Lieferkettenprobleme, Inflation und andere Kostensteigerungen sowie deutlich ansteigende Bauzinsen führen zu Unsicherheiten im Neubaubereich.“

Antwort eines ARGE-Mitglieds:„Der erste Teil dieser Beobachtung der Senatorin ist grundsätzlich zutreffend. Die Feststellung, wonach es in der Folge zu „Unsicherheiten“ kommt, ist hingegen falsch: Tatsächlich ist der Verkauf von neu errichtetem Wohneigentum in Bremen bereits seit Mitte des Jahres zusammengebrochen. Selbst die städtischen Bauträger wie Brebau und Gewoba haben bereits signalisiert, auf dem gegenwärtigen Zins- und Kostenniveau auch zukünftig keinenNeubau im Wohneigentums-Segment mehr anbieten zu können. Diese Erkenntnisse und Konsequenzen sind – entgegen der Wahrnehmung der Senatorin – zu 100% gesichert.“

Schaefer-Pe: „Der ‘BremerStandard‘ wirkt dem entgegen, indem die formulierten energetischen Standards und der Fokus auf eine erneuerbare Strom- und Wärmeversorgung langfristig mehr Unabhängigkeit und Sicherheit in der Energieversorgung sowie dauerhaft niedrigeNebenkosten durch erhöhte Energieeffizienz sicherstellen.“

ARGE-Mann: „Der „Bremer Standard“ meint tatsächlich die zusätzliche Erhöhung der ohnehin schon geltenden hohen Bundesstandards zur Energieffizienz. Die weitere Erhöhung der Energieeffizenz wird – so wie auch alle bisherigen Standarderhöhungen in der Vergangenheit – unzweifelhaft zu einer Erhöhung der Bau- und Herstellungskosten im Wohnungsbau führen. Die Feststellung der Senatorin, wonach diese erhöhtenStandards den erwähnten bereits vorhandenen Kostensteigerungen entgegenwirken sollen, stellt folglich im besten Falle eine ‘dreiste Lüge’ (so der ARGE-Mann; Anm. von as) dar, im schlechtesten Fall ist die Aussage Ausdruck fehlender kognitiver Fähigkeiten.“

Schaefer-Pe: „Der ‘Bremer Standard‘ wird zudem die Voraussetzungen schaffen, dass Klimaneutralität sozial gerecht ist. Dabei werden künftig hohe qualitative Standards in Bezug auf die Klimaneutralität der Gebäude eingehalten.“

ARGE-Mann: „Weshalb die zusätzliche Erhöhung anspruchsvoller energetischer Standards dazu führt, Klimaneutralität sozial gerecht zu gestalten, bleibt ebenfalls das Geheimnis der Senatorin. Die zusätzlichen Kosten werden von den zukünftigen Nutzern zu tragen sein – unabhängig davon, ob Miet- oder Eigentumswohnungen erstellt werden. Die Mieter und Eigentümer der in energetischer Hinsicht teilweise tatsächlich äußerst ineffizienten Bestandsgebäude („energetische Dreckschleudern“) bleiben hier komplett außen vor. Das Verständnis der Senatorin vom Begriff der sozialen Gerechtigkeit ist zumindest bedenklich.“

Schaefer-Pe: „Gleichzeitig soll berücksichtigt werden, auch für einkommensschwächere Haushalte, die Voraussetzungen zu schaffen, dass diejenigen unterstützt werden, die aufgrund ihrer finanziellen Situation und des vorhandenen Angebots nicht in der Lage sind, diese Standards selbstständig zu erreichen. Um diese Ziele zu erreichen, wurden in der Wohnraumförderung bereits eine verbindliche Sozialwohnungsquote von 30 Prozent in der Neubauförderung festgelegt.“

ARGE-Mann: „Neben dem bedenklichen Begriffsverständnis der Senatorin im Bereich sozialer Gerechtigkeit offenbaren sich hier weitere, eklatante Wissenslücken: Die Sozialwohnungsquote von 30 % wird – wie alle am Bau und in der Immobilienwirtschaft Tätigen bestätigen – durch den zu 70% frei-finanzierten Anteil „quersubventioniert“. Im Ergebnis tragen also solche Nutzer, die keinen Zugang zu Förderungen haben – egal ob im Miet- oder im Eigentumsbereich – die fehlenden Deckungsbeiträge aus der Förderquote. Gleichzeitig werden – bspw. aus der Einkommenssteuer der Krankenschwester oder des Pflegers – die sog. Förderprogramme der Sozialwohnungsquote öffentlich und somit aus Steuermitteln finanziert. Den vorgenannten Berufsgruppen aber bleibt das von ihnen mitfinanzierte Wohnungsneubausegment regelmäßig verschlossen, da für sie einerseits das Preisniveau im frei-finanzierten Teil zu hoch ist, ihnen aber anderseits keinFörderanspruch zusteht. Auch an dieser Stelle offenbart sich das zynischeVerständnis der Senatorin zur sozialen Gerechtigkeit.“

Schaefer-Pe: „Schaefer betonte zudem, dass im BremerStandard bewusst auch die Punkte sparsamer und effizienterFlächenverbrauch, gemischte Flächenfunktionen, Mobilitätsmanagement, Solarbestückung und Klimaanpassung integriert sind. Damit wird dieser neue Standard in der Bremer Stadtentwicklung einen Meilenstein für die Klimaanpassung darstellen.“

ARGE-Mann: „Dass der Senatorin das Ressort Umwelt näher ist, als das Bauressort, ist in dieser Stadt ein offenesGeheimnis. Dass die Bremer Standards hinsichtlich der „Klimaanpassung“ einen meßbaren Beitrag leisten, kann – wie gezeigt – praktisch ausgeschlossen werden. Insofern beschränkt sich der Beitrag der Klimaschutzsenatorin an dieser Stelle ausschließlich auf sinnfreieKlima-Symbolpolitik, die allerdings umfangreiche Kollateralschäden im Bereich Wohnungsbau und Stadtentwicklung billigend in Kauf nimmt.“

Soweit, liebe Leserinnen und Leser, das heutige Bonus-Angebot.

Dieses „Material“ bewerbe ich nicht eigens per Newsletter. Über den Kanal Nl erhalten Sie einen Hinweis, wenn ich ein neues Stück im Blog veröffentlichen werde. Das nächste wird sich – in Kürze – wohl mit dem Thema „Grohner Düne/Gewoba“ beschäftigen. Ein sehr spannendes Thema!

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

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