Der traurigste WK-Podcast des Jahres – Geplapper und Gestammel

09.01.2023 Aus Von Axel Schuller

Politiker können einem zuweilen fast leidtun. Sie müssen sich von Wählern, Bürgern und Journalisten m/w stets kritisieren lassen. Journalisten agieren hingegen im fast kritiklosen Raum. Das ist für diese Berufsgruppe, die sich ja gerne als „vierte Gewalt“ im Staat versteht, äußerst problematisch. Ihr fehlt meist das gedankliche Korrektiv. Deshalb heute eine kritische Betrachtung des Weser-Kurier-Podcasts „Hinten links im Kaiser Friedrich“.

Ich könnte es mir jetzt einfach machen und die beiden jüngsten Folgen des Podcasts niedermachen als: „Unfassbar“. „Unsäglich“. „Unterirdisch“. Insgesamt: „Nett gedacht, aber schlecht gemacht.“

Gleich drei Autoren – inklusive der Chefredakteurin – unterhalten sich in Folge 153 (vom 31.12.2022) über die „größten Aufreger des Jahres 2022“ – und es fällt ihnen so gut wie nix dazu ein.

Folge 154 (vom 7.1.2023) war überschrieben mit „Spezial, Teil II“. Wer will und es bei wk-online findet, kann es sich im Netz selbst anhören. Allerdings: Dafür benötigen Sie wirklich nervliche Widerstandskraft und einen ausgeprägten Hang zum Vergeben.

 

Für alle, die sich dies nicht antun wollen, nachfolgend der Versuch, die teils wirr wirkenden Wort-Kaskaden der beiden Podcast-Beiträge zusammenzufassen.

Übrigens, falls Sie jetzt denken sollten: Ja, weshalb schreibt der Herr Blogger überhaupt über diesen Mist? Nun, der Weser-Kurier ist mittlerweile die einzige Tageszeitung, die sich selbst nicht nur als ein Premium-, sondern auch als Leitmedium versteht. Der Verlag weist zuweilen sogar darauf hin, wie wichtig diese Zeitung für eine funktionierende Demokratie sei.

Ich finde: Wer sich selbst auf diese Art definiert, muss sich auch mal vor den Spiegel schieben lassen.

Ich bemühe mich zunächst um eine sachliche Grob-Zusammenfassung der beiden Podcast-Folgen. Die Beiträge waren schlecht vorbereitet, so dass sich Silke Hellwig (Chefredakteurin) mehrfach bei ihren Kollegen Jürgen Theiner – berichtet im WK über die Landespolitik – und Wigbert Gerling (71) – früher landespolitischer Berichterstatter – erkundigte, wann sich was ereignet habe. Bald noch schlimmer, dass die Ober-Redakteurin über die Wahl von 2019 schwadronierte, ohne die Ergebnisse auch nur ansatzweise drauf zu haben. (Ein Zettel mit Zahlen wäre bestimmt hilfreich gewesen!).

Der Titel von Teil I „Was waren 2022 die größten Aufreger?“ wurde kaum mit Inhalt gefüllt. Als erstes fiel Kollege Theiner ein, dass die Brebau (angeblich) missliebige Miet-Bewerber aussortiert habe. Hellwig wies korrigierend auf den Bericht des Sonderermittlers mit anderem Ergebnis hin. „Ich habe gehört“, dass es sich anders verhalten habe. Na, immerhin. Dann fiel den Drei aus der Plauder-Stube als Aufreger noch die „Situation vorm Bahnhof“, das mögliche Schwimmbecken vor dem Übersee-Museum und das Scheitern des Innenstadtplans von Kurt Zech ein.

So einen riesigen „Aufreger“ wie die Schwarze Kasse des Bildungsressorts (2021, insgesamt zehn außerhalb der Bildungsbehörde „geparkteMillionen Euro) hieß es fast bedauernd – tja, so etwas habe es 2022 nicht gegeben.

Wie wäre es mit einem Blick ins eigene Archiv gewesen? Die Bremische Bürgerschaft hat am 7.7.2022 – damals erfreulicherweise vom WK selbst als skandalös beschrieben – die eigene Aufblähung um drei Sitze beschlossen.

Aus meiner Sicht: Ein „Aufreger“ erster Güte.

Noch ein – wie ich finde – „Aufreger“: Die Grüne Sozialsenatorin Anja Stahmann ist für Mehrausgaben in Höhe von mindestens 20 Millionen Euro verantwortlich. Auf Betreiben der Linken und Grünen im Koalitionsausschuss hat sie entschieden, unbegleitete minderjährige Ausländer (UmA) über etwa zwei Jahre nicht an andere Bundesländer zu verteilen.

Weiterer Skandal/„Aufreger“: Der Senat hat erst Anfang Dezember 2022 beschlossen, mehr Personal in der „Zentralen Aufnahmestelle“ und im Migrationsamt einzustellen. Ziel: 2023 über 65 Millionen Euro einzusparen, indem dadurch mehrere tausend Flüchtlinge schneller als bislang an andere Bundesländer weitergeleitet werden könnten. Dies erspart – so der Senat – hohe Ausgaben für Unterbringung, Verpflegung und Betreuung von Flüchtlingen.

Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch: Hätte der Senat diesen Beschluss bereits früher im Jahr 2022 gefasst, dann hätte Bremen bereits in `22 mehrere Millionen sparen können.

Kein „Aufreger“?

Im zweiten Teil des Podcasts sollte es um 2023 und die anstehenden Bürgerschaftswahlen gehen. O ja, beim Thema Wahlen wurde mit vielen (falschen) Zahlen, Spekulationen und Begriffen hantiert. Mehrfach ging es darum, dass die „SPD-Basis“ vermutlich eine Koalition mit der CDU ablehnen werde.

Aber: Wer ist die Basis? Auch hier hätte ein Blick ins eigene WK-Archiv Wunder wirken können. Es trug sich im Jahre 1995 in Bremen zu, dass die SPD-Mitglieder (und nicht bloß Parteifunktionäre) über zwei Fragen zu entscheiden hatten: Wer soll Bürgermeister werden – Henning Scherf oder Hans-Helmut Euler? Und: Soll es eine Koalition aus SPD und CDU (wollte Euler) oder SPD und Grünen (dafür plädierte Scherf) geben?

Und siehe da, die SPD-Mitglieder sprachen sich für rot-schwarz unter Scherf aus… So viel zu echten Basis-Entscheidungen.

Falls die SPD am 14.Mai (nach den Nicht-Wählern) stärkste Partei werden sollte, plädiere ich schon jetzt dafür, die SPD-Mitglieder (und nicht Funktionäre) über die Koalition entscheiden zu lassen. Das ist vermutlich die einzige Chance, die Stadt vom Grünen Joch zu befreien. Ich weiß: nicht nett, aber ehrlich.

Zurück zum traurigsten Podcast des Jahres. Bremer Zukunftsthemen in 2022 haben kaum eine Rolle gespielt. Wasserstoff für die Stahlerzeugung, Rettung der Innenstadt, ausreichend Parkplätze, radikales Umsteuern der Bildungspolitik, Sauberkeit und Sicherheit, Sicherung von Arbeitsplätzen, endlich bürgerfreundlicher Service des Öffentlichen Dienstes… – sorry alles im teils ahnungslosen, teils zusammenhanglos Daher-Geplapperten nicht berücksichtigt.

Ein Podcast ist ein journalistisch anspruchsvolles Format wie eine Zeitung, ein Film, eine Sendung oder auch ein Blog. So etwas will vorbereitet sein und mit Umsicht umgesetzt werden. Und den Teilnehmern sollte stets bewusst sein, was sie eigentlich sagen wollen – bevor sie den Mund zum Sprechen öffnen. Und auch: wann welche Bemerkung gerade passt.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Gerne hätte ich einen Link zu einem wunderbar grässlichen Liedchen über Podcasts hinterlassen, weiß aber nicht, ob ich dies wegen des Urheberrechts darf. Deshalb, geben Sie einfach ein:

Von Wegen Lisbeth – Podcast Offizielles Musikvideo youtube

Viel schauerliches Vergnügen dabei.

PP.S.: Liebe Leserinnen und Leser, halten Sie mir gerne den Spiegel vor, schreiben Sie mir Ihre Meinung!

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