Heute ein Blick in die Welt: Verzweifelte Gedanken zur Ukraine
bremensogesehen.com ist ein Bremer Blog. Klar. Gleichwohl habe ich einen Kopf zum Denken – und ich halte es bald nicht mehr aus, was aus und über die Ukraine ständig auf mich einströmt. Vielleicht, liebe Leserinnen und Leser, geht’s Ihnen ähnlich. Wollen wir heute mal schauen, was uns womöglich gemeinsam durch den Kopf geht? Was zunehmend unfassbar erscheint. Das reicht von Kriegsverbrechen – ich fürchte – auf beiden Seiten. Hin zu immer neuen Waffen-Forderungen. Hin zu einer Außenministerin, die zwar extrem beliebt ist, aber in ihren Äußerungen gleichwohl zuweilen außer Rand und Band ist. Bis hin zu einer Bundeswehr, die offenbar ein völlig desolater Haufen ist, wie Sie einem ZDF-Bericht entnehmen können, dessen Link ich Ihnen im Blog zum Anklicken anbieten werde.
Aus der Resonanz weiß ich, dass meine „Kundschaft“ am liebsten über Bremer Unverständlichkeiten liest. Dennoch: Russlands Krieg gegen die Ukraine betrifft uns mehr, als viele von uns wahrhaben wollen. Deshalb heute der Bremen-Blog zum Krieg und was aus meiner Sicht dazugehört.
Auf die Gefahr hin, dass Sie mich für einen Naivling halten könnten. Ich kriege es gedanklich nicht auf die Reihe, wie Putin und sein Machtapparat es noch immer schaffen, dass das russische Volk angeblich noch immer meint, man führe eine gezielte, militärische Aktion in der Ukraine durch – und eben keinen dreckigen Krieg mit gezielten Angriffen auf die Zivilbevölkerung inklusive Vergewaltigungen.
Ist es wirklich nicht möglich, die Radio- und TV-Geräte der russischen Bevölkerung (per Satelliten) permanent über den wahren Krieg zu speisen? Es muss doch möglich sein, den Russen klarzumachen, was ihre Führer in der Welt anrichten.
Ist es deutschen Medien wirklich nicht möglich, umfassend und ausgewogen über den Krieg in der Ukraine zu berichten? Verüben tatsächlich ausschließlich Russen – Soldaten und Söldner – Gräueltaten? Oder bringen auch ukrainische Uniformträger russische Soldaten auf widerwärtige Weise um – auf jeden Fall wider die Genfer Kriegskonvention?
Weshalb spricht Kanzler Olaf Scholz stets mit Bedacht davon, dass wir nicht aktiver Teil des Krieges werden dürfen, während Außenministerin Annalena Baerbock meint, wir seien im Krieg?
Nach der Zusage „Leos“ (klingt verdammt niedlich) in die Ukraine zu schicken, kam prompt der ukrainische Reflex, sie bräuchten natürlich auch Kampfflugzeuge und alles, was zur erfolgreichen Kriegführung dazu gehört. Kann ich aus der Not der Ukrainer sogar verstehen. Bloß, wo soll das enden?
Wann unternimmt unser Land, gerne im Verbund mit vielen anderen, endlich den Versuch, die Kriegführenden an den Verhandlungstisch zu holen/zwingen? Unsere wirtschaftliche Power müsste dazu (noch) ausreichen. Ständig wird bloß von Waffen, nicht vom Verhandeln gesprochen…
Angeblich hatte (der von mir sonst nicht gepriesene) Türkei-Chef Erdogan einen denkbaren Kompromiss für Russland und Ukraine aufgeschrieben (so höre ich aus informierten Kreisen), den dann angeblich Großbritannien (und die USA?) brüsk zurückgewiesen haben sollen. Warum werden wir über so etwas nicht unterrichtet? Machen die beteiligten Rüstungsfirmen mit diesem Krieg so viel Geld, dass sie kein Interesse an einem raschen Kriegsende haben?
Weshalb findet man in deutschen Medien bloß vereinzelte und zaghaft zurückhaltende Hinweise auf die amerikanische Methode, Waffen für Milliarden-Summen angeblich als der gute Onkel Sam (also vermeintlich kostenlos) zu liefern, in Wahrheit sich aber einen großen Teil dieser Lieferungen langfristig bezahlen zu lassen? Per lend-lease-Vertrag, den der Kongress zuletzt für die Ukraine revitalisiert hat.
Zur Erinnerung: Die USA hatten Großbritannien im Zweiten Weltkrieg mit Waffen ausgeholfen – für die England laut Gabor Steingart („Pioneer Briefing“) bis in die 2000er Jahre Raten bezahlen musste. Die USA hatte seinerzeit mit GB erstmals einen lend-lease-Vertrag geschlossen.
Nochmal USA: Ja, sie sind unsere wichtigsten Verbündeten. Das entbindet aber doch nicht davon, deren wirtschaftliche und deren Eigeninteressen aus dem Blick zu verlieren.
Zur Erinnerung: Die Ukraine wollte sich 2013 der EU anschließen. Dies unterband Putin. Es folgten die Maidan–Unruhen, die Flucht des Ukraine-Regenten Wiktor Janukowitsch. Putin ließ die Krim besetzen. In der Ukraine formierte sich der Widerstand gegen Russland. Im Hintergrund unterstützten die USA die Anti-Russland-Kräfte. Ziel: Die Ukraine endgültig aus dem Rest-Ostblock herauszubrechen. Geblieben ist bis heute in der Ukraine – beispielsweise – eine ausgeprägte Korruption (siehe jüngste Entlassungen aus der Regierung).
Ich will hier niemanden schlecht machen, aber auch diese Fakten gehören zum Gesamtbild.
Es hat für mich stark den Anschein, als wollten die USA den Kreis der Supermächte (USA, China, Russland) auf zwei reduzieren. Der jetzige „Abnutzungskrieg“ Russland-Ukraine blutet nicht nur die Ukraine aus, sondern schwächt Russland massiv. Europa und Deutschland leiden übrigens durch das Zudrehen des russischen Gashahns deutlich mehr als etwa die USA. Die werden – ketzerisch? – endlich ihr Fracking–Gas los.
Apropos Russland: Ex-KGB-Chef Wladimir Putin wurde noch 2001 im Bundestag als Kenner von Goethe und Schiller bejubelt. Er stand damals noch für das (davor von Gorbatschow gelenkte) gute Russland, das uns – ohne Not – die Wiedervereinigung regelrecht „geschenkt“ hatte. Russland ist heute ein anderes. Gleichwohl bleibt es ja wahr, dass dieses heute so schlecht beleumundete Land in der Vergangenheit auch für Gutes gestanden hat.
Seinerzeit hat Deutschland die Weichen gründlich falsch gestellt. Unter dem schneidigen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wurde die Wehrpflicht abgeschafft und der Etat der Bundeswehr dramatisch abgeschmolzen. Die Damen Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) setzten die brutale Schwächung unserer „Parlamentsarmee“ fort. Christine Lambrecht (SPD) – die Erinnerungen an diese Dame sind noch frisch.
Und Boris Pistorius? Er muss mit einer völlig ausgelaugten Bundeswehr klarkommen. Mit einem Beschaffungswesen, das an der eigenen Bürokratie erstickt. Mit einer BuWe, die laut „ZDF Frontal“ über eine Munitionsreserve von zwei Tagen verfügt. Die Nato verlangt einen – von Deutschland mit unterzeichneten – Mindestvorrat von 30 Tagen!
Liebe ausdauernde, tapfere, unverzagte Leserinnen und Leser, verzeihen Sie mir meinen Ausflug in die weite Welt von Krieg, Staatsinteressen und Bundeswehr. Damit Sie sich ein eigenes Bild vom Zustand unserer Bundeswehr (die unser Land notfalls verteidigen können muss!) machen können, füge ich einen Link zu einem – eigentlich unfassbaren –
Beitrag zur ZDF-frontal-Sendung vom 17.Januar 2023 bei.
Nach diesem Ausflug ins Große verspreche ich Ihnen bereits heute, der nächste Schuller-Blog-Eintrag wird sich – so wie Sie es gewohnt sind – mit einem Bremer Thema beschäftigen. Das Schlimme vorab: Es gibt unglaubliche viele Themen, die nach Kommentierung und Einordnung schier schreien.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
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