Ausbildungsabgabe mit falschen Zahlen? / Weiß der Bremer Senat wirklich, was er tut?

02.02.2023 Aus Von Axel Schuller

Heute, geneigte Leserschaft, präsentiere ich „dank“ der Ausbildungs-Zwangsabgabe der Landesregierung eine neue sprachliche Steigerungsform: „verblendet, verbohrt, Bremer Senat“. Sie merken: Hier flackert – leider erneut – das blanke Entsetzen auf. Der Ober-Hammer: Das (Grüne) Finanzressort teilte auf meine Anfrage mit, dass wesentliche Zahlen im entscheidenden Senatsbeschluss „sich noch ändern könnten“. Aus den feuchten Träumen eines manchen Senatsmitgliedes, das Land Bremen könne als Ausbilder selbst einen Gewinn aus dem Fonds einstreichen, könnte also etwas Anderes herauskommen. Die Zahlen der Senatsvorlage sind offenbar überholt, weil nunmehr die Lehrer m/w in den Berechnungen berücksichtigt werden. Die Folge: „Bremen müsste in diesem Fall voraussichtlich mit Nettokosten zwischen 300.000 und 1,8 Millionen Euro rechnen.“ Ist dieses sprunghafte Vorgehen einer Landesregierung würdig? Zwei Tage nach dem Senatsbeschluss schon mit neuen Zahlen hantieren?

Urheber der Senatsvorlage ist das Wirtschaftsressort der Linken Kristina Vogt.

 

Mit Zahlen hat es dieser Senat gerade im Zusammenhang mit dem „Ausbildungsunterstützungsfonds“ (so der offizielle Name des Teils) ohnehin nicht. Da erzählte Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) mit ernster Stimme in die butenunbinnen-Kamera: In Bremen gäbe „es mehr unversorgte Jugendliche als unbesetzte Plätze“.

Die Fakten laut der bundesweiten Übersicht der Bundesanstalt für Arbeit (9/22): 4.709 Bremer Jugendliche hatten sich auf einen der 5.689 bei der Agentur gemeldeten Bremer Ausbildungsplätze beworben.

Seltsam, dass Bovenschulte bei diesem Lehrstellen-Überschuss von 980 Stellen plötzlich einen Negativ-Saldo beklagt.

Mir kommt bloß eine denkbare, gleichwohl schräge, Erklärung in den Sinn. Über den dicken Daumen besetzen Bremer Lehrherren rund ein Drittel der Ausbildungsplätze mit Jungen und Mädchen aus dem niedersächsischen Umland. Die bringen einfach mehr Wissen mit. Subtrahiert man diese Gruppe (33 Prozent) von den 5.689 freien Plätzen, dann kommt man – aus rein bremischer Sicht – auf einen Minus-Saldo. Dann stehen den 4.709 suchenden Bremern m/w bloß noch 3.812 Plätze gegenüber.

Als die rot-grün-rote Koalition 2019 die Ausbildungsabgabe in ihren Vertrag schrieb, mochte in der bremischen Wirtschaft kaum jemand glauben, dass sich der Senat später einmal für solch einen groben  Unfug hergeben würde. Tut er aber. Und jetzt muss alles auch noch ruckzuck gehen, um das neue, bundesweit einmalige Gesetz ( DGB-Bundeschefin Yasmin Fahimi muss „trunken“ vor Glück sein) partout vor der Wahl am 14. Mai umzusetzen. Zum Glück verfügen die Handels- und Handwerkskammern in Bremen über ein Organ-Klagerecht, können vorab den Staatsgerichtshof anrufen – anders als einzelne Ausbildungsbetriebe.

Die nahezu irrlichternden Bremer Regenten verkennen mehrere Punkte:

Der Markt hat sich gedreht. Arbeitgeber rollen für fähige, willige Azubis schier den roten Teppich aus. Die Arbeitgeber wissen um den akuten und künftigen Fachkräftemangel. Ohne fähige Mitarbeiter, kein Umsatz, ergo auch kein Gewinn.

N i c h t geändert hat sich das Leistungsniveau Bremer Schulabgänger. Das ist eher sogar schlechter geworden.

Und nicht geändert hat sich die brutal eindeutige Ablehnung des Fonds durch die Wirtschaft.

In diese Situation hat der Senat am vorigen Dienstag die Einführung der Ausbildungsabgabe beschlossen. Alle Betriebe ab fünf Mitarbeiter m/w sollen 0,3 Prozent ihrer Bruttolohnsumme an den Zwangs-Beglückungs-Fonds des Landes abführen. Je nach Rechenart setzt man im Senat auf jährliche Einnahmen zwischen 30 und 40 Millionen Euro. „Mindestens 7 Millionen Euro“ sollen für den „Maßnahmenteil“ ausgegeben werden. Der Löwenanteil ist für Betriebe vorgesehen, die Lehrstellen bereitstellen. Außerdem muss ja auch die neue Verwaltung fürs Geld-Einziehen und -Verteilen bezahlt werden.

Und was verstehen RGR-Politiker unter „Maßnahmen“?

 

Zunächst Lauteres, wie die Unterstützung von Arbeitgebern, Auszubildenden und Ausbildungsplatzsuchenden. Okay. Dafür soll ein Arsenal an Helfern von Sozialpädagogen, Psychologen etc. angeheuert werden.

Dann geht’s aber in Paragraph 4 Schlag auf Schlag weiter. „Unterstützung von Arbeitgebern bei…der Betriebs- und Unternehmensführung in Bezug auf Ausbildungserfordernisse“.

„…Sicherstellung der Ausbildungsqualität und der Ausbildungsberechtigung von Arbeitgebern.“

Auf die gendergerechte Besetzung von Lehrstellen soll ebenfalls geachtet werden. 

Wenn Sie mich fragen: An diesen Stellen riecht der senatorische Gesetzentwurf verdächtig toxisch – nämlich nach Sozialismus-Phantasien.

Zum großen Glück, als Mini-Ehrenrettung, heißt es schließlich unter Siebtens: „Prüfungsvorbereitung von Auszubildenden im Bereich der praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten.“ Halleluja!

Die Einschränkung folgt jedoch auf dem Fuße: „Durch die Maßnahmen darf die Erfüllung staatlicher Aufgaben, insbesondere im Bereich der allgemeinen schulischen Bildung, der Berufsschulen…nicht ersetzt werden.“

Logo: Die bremische Bildung ist so verdammt erfolgreich, dass die neuen Azubis bereits alles können: Rechnen, Schreiben, Lesen, Ordnung halten, morgens pünktlich zum Dienst erscheinen, gewissenhaft arbeiten – Stopp, soll jetzt ja kein Witz-Blog werden…

Zum Schluss noch ein paar – wie ich finde – beeindruckende Zahlen: Bremen rechnet – bei rund 1.000 eigenen Auszubildenden der Stadt und des Landes Bremen – mit einer eigenen Einzahlung in den Fonds von etwa 4,2 Millionen Euro. Dies entspricht – umgerechnet – einer Jahres-Lohnsumme von 1,4 Milliarden Euro für den Öffentlichen Dienst.

Im Gegenzug rechnet das Land – je nachdem, ob der Fonds später 1.500 oder 2.500 Euro pro Azubi ausschüttet – mit Einahmen in Höhe von 2,4 bis 3,9 Millionen Euro. Unter dem Strich bleibt aber laut Schätzung des Finanzressorts jeweils ein Minus. Und wer darf das bezahlen? Wir, die Steuerzahler. Wenn die Wirtschaft Pech hat, gleicht Bremen das Defizit aus der Gewerbesteuer aus…

Noch eine Petitesse am Rande: Der Senat will alle Betriebe, Firmen und – wie gesagt – sich selbst (also Stadt- und Landesbehörden) zur Kasse bitten. In dem „Club der zu Melkenden“ fehlen indes alle in Bremen ansässigen Bundesverwaltungen: Bundeswehr, Bundesschifffahrtsbehörde, Bundesagentur für Arbeit.

Haben die Senatsjuristen und -Politiker etwa Schiss vor der Anwalts-Armada der Bundesregierung?

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Vorschlag: Man könnte den Verwaltungsaufwand für den neuen Fonds minimieren. Bremen müsste bloß die Umsiedlung von Handwerks- und anderen Betrieben ins niedersächsische Umland fördern. Diese Unternehmen zahlen dann nix in den Bremer Fonds ein. Das würde Bremen im Gegenzug unnütze Verwaltungsarbeit ersparen…

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