Stets volle Bezüge und nie vom Kurzarbeitergeld betroffen – der Öffentliche Dienst ist maßlos

03.03.2023 Aus Von Axel Schuller

Journalisten, die irgendwann mal wieder selbst streiken wollen, halten sich zurück. Wollen sich nicht die Finger verbrennen. Also schreib ich es auf: Woher nimmt ausgerechnet der bremische öffentliche Dienst das (moralische) Recht zu streiken? Müssen Mütter an diesem Freitag ihre jungen  Fridays-for-future-„Aktivisten“ mit dem Auto (womöglich noch mit ’nem SUV) zur Demo karren? Schließlich schickt Verdi die Bus- und Bahnfahrer ausgerechnet jetzt – direkt zu Beginn ordentlicher Verhandlungen – in den Warnstreik. Und noch eins: Mit welchem Recht haut der Beamtenbund aktuell so dreist auf den Tarif-Putz?

Ich weiß, bei dem Thema Streik des öffentlichen Dienstes scheiden sich die Geister. Ich hoffe, dass möglichst viele Leserinnen und Leser Scheuklappen-frei bereit sind, auch andere als die gebetsmühlenartig veröffentlichten Gedanken auf sich wirken zu lassen.

Der öffentliche Dienst verlangt 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro mehr. Bei der BSAG verlangen sie sogar mindesten 600 Euro. Mehr haben zu wollen, kann ich – natürlich – nachvollziehen.

Jedoch: Hat auch nur ein öffentlich Bediensteter während der drei Corona-Jahre an einem einzigen Tag Kurzarbeitergeld bezogen, weil nicht genug zu arbeiten war? Die Pandemie hat auch den Öffentlichen Dienst (ÖD) auf vielen Arbeitsfeldern ausgebremst. Kindergärten dicht. Direkter Kundenkontakt – nein. Betriebsbegehungen, Betriebsprüfungen, Beratungsgespräche… alles nein. Weniger Gehalt? Nein. Vater Staat hat stets regelmäßig das volle Gehalt (aus dem Topf unserer Steuergelder) überwiesen.

Zur Erinnerung für alle Mitarbeiter des ÖD m/w: Kurzarbeitergeld beträgt in Deutschland 60 Prozent des letzten Netto-Gehaltes. Mit einem Kind: 67 Prozent vom Netto. Nur, dass Sie schon einmal davon gehört haben.

Jetzt kann man argumentieren, im ÖD werde ja so schlecht bezahlt, dass die Leute mit ihrem Geld nicht klarkommen, wegen der Inflation einfach mehr benötigten.

Kann sein. Das gilt aber auch – beispielsweise – für 21 Millionen normale Rentner.

Zu den Beamten komme ich noch. 

Verdi fordert mindeste 500 Euro mehr. Dies entspricht bei einem Brutto-Gehalt von 2.500 Euro fröhliche 20 Prozent.

Hört sich vielleicht überraschend an. Aber: Wer meint, im öffentlichen Dienst zu wenig Geld zu kriegen, kann doch in die sogenannte freie Wirtschaft wechseln. Dort gibt es aktuell viele freie Jobs. Da kann der eine oder andere möglicherweise etwas mehr Geld verdienen. Aber zu welchen Rahmenbedingungen?

Dort gibt es weder die Arbeitsplatzsicherheit wie im ÖD. Noch gibt es Besonderheiten des ÖD, dass man innerhalb einer Stadt nicht von einer in die andere Betriebsstätte versetzt werden kann.

In Bremen verfügt der ÖD mit 44,5 öffentlich Bediensteten pro 1.000 Einwohner über die meisten Mitarbeiter aller Bundesländer, auch der drei Stadtstaaten. Dennoch gibt es mehrere Verwaltungsbereiche, die extrem schlecht funktionieren. Hilfsgelder, Ausweispapiere, viel zu lange Bauplan-Prüfungen, immer noch ausgedünnter BSAG-Fahrplan, usw. Nicht zu vergessen: Soziales. Da tauchen mal eben 4.000 unbearbeitete Akten auf. Ich befürchte, davon wird’s noch mehr geben. Oder: Bauressort. Eine Behörde, die einen (überflüssigen) Radweg gleich zweimal zur Bundesförderung anmeldet. Gaga ist zu harmlos für solch ein Verwaltungs-Unfug.

Vor diesem Hintergrund per Warn– und demnächst vielleicht auch noch „ordentlichem“ Streik so viel mehr Geld zu verlangen, ist schon ein starkes Stück. Zumal in Kurzarbeiterzeiten der „freien Wirtschaft“ keinerlei Einbußen hingenommen werden mussten.

Und dann die Beamten. Die kriegen kein Gehalt, sondern werden alimentiert. Bedeutet: Der Staat kommt bis an deren Lebensende für sie auf. Beamte zahlen weder in einer Pensionskasse ein, noch entrichten sie wie Otto Normal Beiträge in die Arbeitslosenversicherung. Bedeutet: Beamte haben einen deutlich höheren Netto-Anteil vom Brutto als die anderen. Deshalb dürfen sie auch nicht streiken.

Der Beamtenbund fabuliert nun auf seiner Website ernsthaft herum: „Das Steikverbot betrifft nicht die Teilnahme von Beamtinnen und Beamten an Demonstrationen während eines Arbeitskampfes. Sie streiken in diesem Fall nicht selbst, sondern solidarisieren sich in ihrer Freizeit mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.“ A ja.

Beamte erzählen gern, sie würden ja schlechter als in der Wirtschaft bezahlt. In einigen Fällen mag das zutreffen. Aber die Arbeitsplatzsicherheit auf Lebenszeit dürfte auch einen materiellen Wert haben.

Und erst die Pensionen: Nie etwas einzuzahlen, aber am Ende im Höchstfall 71,75 Prozent von dem Gehalt zu erhalten, das man in den letzten zwei Jahren vor der Pensionierung bezogen hat. Ist schon mal ne andere Hausnummer als die Rente der Normalos. Die höchst-denkbare Rente der normalen Arbeitnehmer beträgt aktuell brutto 3.141.82 Euro – sofern man 45 Jahre lang stets ein Gehalt in Höhe der Bemessungsgrenze (aktuell 5.550 Euro) hatte. Ein sehr theoretischer Fall. Denn, welcher Berufsanfänger erhält ein Gehalt in Höhe der Bemessungsgrenze? Die durchschnittliche Rente eines Mannes in Deutschland beträgt deshalb auch bloß 1.218 Euro. Frauen kriegen im Schnitt 809 Euro.

Zum Vergleich: Ein A 13-Beamter, also Amtsrat, Studienrat, Polizeihauptkommissar etc. erhält (am Ende der 40-jährigen Dienstzeit) ein monatlich Gehalt von 5.731 Euro brutto. Davon 71,75 Prozent – macht eine Pension von 4.111 Euro.

Noch eine Besonderheit: Beamte im Ruhestand erhalten stets die gleiche prozentuale Erhöhung ihrer Pension wie aktive Beamte.

Ich finde, diese Fakten und Zahlen sollte man im Kopf haben, wenn man über den angeblich notleidenden Öffentlichen Dienst spricht/berichtet.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

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