Unglaublich: Bürgermeister Bovenschulte kuscht vor Bremens DGB-Chef Harder / Neues P.S.!

22.03.2023 Aus Von Axel Schuller

Der Mann ist stattliche zwei Meter lang, von stabilem Körperbau, promovierter Jurist, kennt sich seit Jahrzehnten im Politik-Geschäft bestens aus: Dr. Andreas Bovenschulte (57). Kann es wirklich sein, dass sich dieser bislang populäre Mann zur Marionette machen lässt? Und das auch noch von Bremens DGB-Chef Dr. Ernesto Harder (45)? Man mag es nicht glauben, aber Bovenschulte kuscht regelrecht vor dem neuen Chef des Bremer Gewerkschaftsbundes. Und riskiert gleichzeitig schlimmen Ärger und mögliche Nachwirkungen mit dem Großteil der Bremer Arbeitgeber. Was hat Harder, was über 30 Kammern und Arbeitgeberverbände nicht haben?

Bevor wird uns über unterschiedliche Charaktere unterhalten, noch ein wichtiger Hinweis zur Ausbildungsabgabe. Um die dreht sich nämlich aktuell der Streit – fast bis aufs Messer. Dabei schafft die Abgabe bloß: Verdruss, neue Bürokratie – aber keine zusätzlichen Lehrstellen.

Kristina Vogt, Linke Bremer Wirtschaftssenatorin, ist gerade extrem genervt. Das seit Wochen dauernde Gerangel um die Abgabe (alle Betriebe sollen 0,3 Prozent ihrer Lohnsumme an einen Fonds überweisen) lasten ihr und ihrem Ressort zunehmend „rot-grüne“ Kreise als Manko an.

Vogt jedenfalls tat etwas, was sie sehr selten tut. Sie kommentierte das Thema Ausbildungsfonds und das Verhalten ihrer Mit-Koalitionäre auf Twitter: „1. war es der Wunsch eines grünen Ressorts, die Verwaltungskosten aus dem Fonds zu zahlen. 2. waren es Jusos, Arbeitnehmerkammer und DGB, die seit Jahren den Fonds gefordert hatten. Bitte keine kalten Füße jetzt.“

Diese Worte in Klar-Deutsch übersetzt könnte man auch sagen: Lasst mich mit eurem Mist in Ruhe. Vogts Pech: Ihre Linke will die Abgabe ebenfalls partout haben.

Was treibt diesen Senat von SPD, Grünen und Linken bloß, die Ausbildungsabgabe am morgigen Donnerstag, 23.3.23, endgültig zu beschließen?

Ich befürchte, Bovenschulte spielt dabei eine herausragende Rolle. Er hat – mal einfach ausgedrückt – Schiss vor Ernesto Harder. Aber warum bloß? Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat in Bremen zwar rund 88.000 Mitglieder. Aber: Bremens Betriebe bieten zusammen sage und schreibe 433.000 Arbeitsplätze. 433.000mal die Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen. Dagegen ist die DGB-Kennziffer eher „pupsi“.

Dann ist da die von Kristina Vogt ins Feld geführte Arbeitnehmerkammer. Watt fürn Ding? Diesem Gebilde – so etwas gibt es nur in Bremen und im Saarland – gehören in Bremen und Bremerhaven zwar über 400.000 Menschen an. Aber keineswegs freiwillig. Jeder Mensch, der in Firmen im Land Bremen arbeitet, muss monatlich 0,14 Prozent des Bruttolohns (Untergrenze: 520 Euro) für die Kammer abdrücken. Außer einer besonderen Spezies Mensch: Beamte genannt. Die sind von der Abgabe befreit. Unter den über 400.000 Zwangsmitgliedern befinden sich übrigens auch die rund 120.000 Männer und Frauen, die täglich aus Niedersachsen einpendeln. Auch wer hier nicht wohnt, muss zahlen.

Beherrscht wird die Arbeitnehmerkammer von DGB-Gewerkschaftern. Präsident: ist bei Verdi organisiert. Vizepräsidenten m/w: IG Metall und Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG); Beisitzer m/w: 2x Verdi, GEW, und IG Metall.

Man könnte auch sagen: Da hat der Bremer Staat bereits 1921 den späteren DGB-Gewerkschaften eine hübsche Außenstelle eingerichtet.

Über die Jusos, laut Vogt, dritte treibende Kraft, muss man in Bremen nicht soviel sagen. Das sind jene Strategen, die ernsthaft einen männerfreien Tag auf Freimarkt und Osterwiese vorgeschlagen haben.

Kommen wir zu Bovenschultes Angst vor dem DGB-Chef Harder zurück. Ernesto klingt ein bisschen nach Kuba oder ähnlichem. Tatsächlich wurde der Mann am 27. Dezember 1977 in Aurich geboren. Erste Muttersprache: Deutsch, 2. Muttersprache Spanisch, heißt es im Lebenslauf. Möglicherweise lässt sich die frühere politische Ausrichtung des amtierenden Bremer DGB-Chefs am Titel seiner Magisterarbeit ablesen: „Vom Internationalen Jugendbund zum Internationalen Sozialistischen Kampfbund“. Harder war schon damals ehrgeizig. Note: 1,1.

Dieser Ehrgeiz wurde 2015 jäh ausgebremst. Da entschieden die Bonner SPD-Mitglieder, dass Harder nicht als Oberbürgermeister-Kandidat antreten dürfe. Der damalige SPD-Partei- und Fraktionschef im Bonner Rat warf alles hin und zog seiner Frau Claudia Bogedan (damals SPD-Bildungssenatorin) nach.

Nun ist er DGB-Chef in der Hansestadt.

Der Mann kennt die Politik und die Gewerkschaftswelt. Er vermag auf den entsprechenden Klaviaturen zu spielen. Sein Ehrgeiz ist legendär. Sollte Harder es schaffen, dass die Ausbildungsabgabe in Bremen als erstem Bundesland eingeführt wird, dann könnte er sich im deutschen DGB-Universum sonnen. Dann würden andere DGB-Landesverbände mit dem Bremer „Vorbild“ Druck machen.

Vielleicht fürchtet Bovenschulte, dass da sein späterer Nachfolger heranwächst. Möglicherweise will er ihn lieber zum Freund als zum hartnäckigen Konkurrenten haben. Wobei der Bürgermeister selbst ein linker Sozi ist. Zugleich ist er aber ein Mensch, der vermeidbarem Ärger aus dem Weg geht. Kann man auch an seltsamen Senatsentscheidungen ablesen. Als Zwei-Meter-Mann hat er früh gelernt, dass Wegducken zuweilen hilfreich sein kann.

Auffällig ist jedenfalls, dass der Bürgermeister vor dem „Arbeiterführer“ regelrecht kuscht. Und dies, obwohl die Bedeutung des DGB seit Jahren abnimmt. Und dies, obwohl Bremens Arbeitgeber nicht nur Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, sondern vielfach und intensiv als Sponsoren zugunsten der Stadt auftreten.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

 

P.S.: Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Nach dem Grünen Urgestein Robert Bücking (am gestrigen Nachmittag in der Bürgerschaft) hat sich gestern abend auch Sparkassen-Vorstandschef Dr. Tim Nesemann gegen die Ausbildungsabgabe positioniert. Der Banker stellte sich während der  Sparkassen-Mitgliederversammlung eindeutig auf die Seite der Gegner. “Ich mache das normalerweise nicht, im aktuellen Fall möchte ich heute aber ein politisches Statement abgeben. Ich sage Ja zur Bildung, Nein zur Ausbildungsabgabe.” Diese sei “ausschließlich ideologisch motiviert, sachlich nicht gerechtfertigt – und sie wird keine neuen Ausbildungsplätze schaffen.” Die Schulen, so Nesemann, müssten die Kinder und Jugendlichen während der Schulzeit besser auf die spätere Ausbildung fürs Berufsleben vorbereiten. “Dies bedeutet für mich Bildungsgerechtigkeit“, erklärte er unter dem Beifall von Mitgliedern der Sparkasse Bremen. 

Ebenfalls sehr klare Worte hatte bereits am Nachmittag der Ur-Grüne Robert Bücking für den heute zur Abstimmung stehenden Fonds gefunden: “Die Abgabe haben wir nicht genug überlegt. Da haben wir uns wohl verbastelt.” Wenige Wochen vor seinem Ausscheiden aus der Bürgerschafts (er stellt sich nicht mehr zur Wahl) erklärte er im Landtag: Statt die Unternehmer zu fragen, wie können wir euch unterstützen, mehr Auszubildende zu finden, setze die Koalition auf den Ausbildungsfonds. “Wir wollen unbedingt, dass die Zahl der Ausbildungsplätze steigt. Wir wollen unbedingt, dass der Übergang von Schule in Betrieb gelingt. Wir wollen unbedingt, dass die Zahl der Leute, die sich für eine duale Ausbildung interessieren, steigt. Und dann sind wir auf die verzwickte Idee der Ausbildungsabgabe gekommen, und ich glaube, unterm Strich werden wir unser Ziel damit nicht erreichen. Das wird jetzt trotzdem so gemacht. Politik hat ihr eigenes Trägheitsmoment. Ich glaube aber, am Schluss werden wir zurückrudern.”

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