Bovenschultes Sieg ist nicht zwingend – auch wenn die CDU wenig Kampfgeist zeigt

07.04.2023 Aus Von Axel Schuller

Die Bremer SPD kennt zur Zeit nur einen: ihren Spitzenkandidaten, Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte. Der Mann rackert wie blöde. Keine Veranstaltung ohne „Bovi“, wie sie ihn liebkosend nennen. Sein Kontrahent von der CDU, Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff, kommt dagegen eher etwas harmlos um die Ecke. Zuweilen denke ich, „der Frank“ wäre vermutlich nicht böse, doch nicht Bürgermeister zu werden. Sprich: Mit seiner CDU zweiter Sieger hinter der SPD zu werden. Um dann eine große Koalition – wie in Berlin – zu schmieden. Nach dem Motto: Wenigstens die Grünen aus der Regierung werfen.

Überraschung: Imhoff könnte mit seiner Art am Ende möglicherweise dennoch ein paar mehr Stimmen für seine CDU ziehen als Bovenschulte für die SPD.

Wie das? Viele Wählerinnen und Wähler lieben Menschen, die sympathisch rüberkommen. Imhoff ist in der Öffentlichkeit stets gut gelaunt – als Parlamentspräsident ist er natürlich auch deutlich weniger Stress ausgesetzt als ein Ministerpräsident. Imhoff eckt nicht an. Er leistet es sich sogar, auf Wahlplakaten mit einem Shirt statt einem ordentlichen Hemd unter dem Jacket zu posieren. Dazu tritt er mit Wiebke Winter als Tandem auf. „Och, die Deern sieht doch ganz nett aus“, hör’ ich manche Bürgerliche raunen. Da nimmt es den Beiden offenbar niemand übel, kaum konkrete „Ansagen“ zu hören. Imhoff/Winter sind freundlich, kommen aber auch wie der personifizierte NICHT-Machtanspruch der CDU rüber.

Bovenschulte, dank Job Voll-Profi mit allen Licht- und Schattenseiten, hat indes ein riesiges Problem: Ihm hängt alles Negative des Senats wie ein Wackerstein am Hals.

Eine gute Möglichkeit, die beiden Kandidaten direkt zu vergleichen, bietet Radio Bremen. Butenunbinnen-Moderator Felix Krömer hat alle sechs Spitzenkandidaten von CDU, SPD, Grünen, Linke, FDP und BIW – nacheinander – mit nahezu identischen Fragen konfrontiert (siehe Link). Nehmen Sie sich die jeweils rund 35 Minuten pro Kandidat m/w – und Sie lernen die sechs etwas näher kennen. Dass Bovenschulte Rockstar werden wollte und mit der Gitarre umgehen kann, ist bekannt. Imhoffs Hang zum Schlager vermutlich weniger.

Link zu den Spitzenkandidaten in Bremen

Zurück zu Bovenschulte. Der Bürgermeister hat einen Senat um sich herum, bei dem man manchmal vor Entsetzen nur noch staunen kann.

Bildung: Bremen ist seit Jahrzehnten Schlusslicht bei allen relevanten Test. 600, also zehn Prozent aller Bremer Schulabgänger, kriegen keinen Abschluss hin. Viele Bremer Schulabgänger bringen zu wenige Grundfertigkeiten (wie Rechnen) mit in die Lehre und scheitern deshalb bereits bei der Einstellung oder später während der Lehre. Statt im Verbund mit allen Bürgerschaftsparteien nach einem Weg (beispielsweise wie in Hamburg) zu suchen, wie man diese Benachteiligung Bremer Jungen und Mädchen möglichst rasch beseitigen könnte, doktert die SPD lediglich herum.

Der Bürgermeister brüstet sich noch immer damit, dass Bremen mehr Schüler m/w „zum Abitur bringt“ als andere. Na toll. Und was ist dieses Bremer Abi wert?

Und dann – die Krönung – führt Bremen gegen den Widerstand der bremischen Wirtschaft eine Ausbildungs-Zwangsumlage ein.

Die zwei schlimmsten Übel an der Umlage: Sie wird nur im Mini-Bundesland Bremen eingeführt – statt, dass sich Bremen später in einen möglichen Mehrheitszug einreiht. Blöd.

Und nicht der Staat füllt den Finanztopf der neuen Umlage, sondern die Betriebe. Handwerker, die verzweifelt nach ausbildungsfähigen Jugendlichen suchen, empfinden die Abgabe als übelste Bestrafung.

Im Fall der Abgabe hat sich Bovenschulte als „Schlaffi“ erwiesen, hat sich von DGB, Jusos und Linken treiben lassen.

Der nächste, brutale Negativposten der Senatsbilanz: Dr. Maike Schaefer (Grüne). Die hat in ihrem Ressort so viel Mist verzapft – dass man kaum weiß, wo anfangen, wo aufhören.

Ich will es mal an einem aktuellen Fall festmachen. Beim jüngsten „Tag der Bürgerinitiativen“ in der Bremischen Bürgerschaft kam soviel Enttäuschung, Unglauben, ja sogar geballte Wut auf Schaefers Großressort zur Sprache, wie ich es zuvor noch nicht erlebt habe.

Schaefers Verkehrsressort beantwortet Bitten selbst von gewählten Beiratsausschüssen auch zwei Jahre nach Eingabe nicht. Schaefers Umweltbehörde lässt massenhaft Bäume abhacken. Schaefers „Mobilitätsressort“ lässt Fahrradwege überwiegend vergammeln, baut dann aber teure und unnütze Premium-Radwege.

Schaefers Bauressort drangsaliert die Bauindustrie unter anderem mit dem neuen „Bremer Standard“ und der Solardachpflicht. Die Grüne freut sich, dass sie und ihre Getreuen im Senat (SPD und Linke) die neuen Regeln vor allen anderen Bundesländern (und schärfer als andernorts geplant) durchsetzen. Ist das wirklich schlau?

Mit dem Bundesverkehrsminister Wissing (FDP) legt sie sich immer wieder an, hat dabei aber schlechte Karten in der Hand. Vorab verraten: Bremen hat der Autobahn-Gesellschaft Unterlagen überlassen, die ihresgleichen suchen.

Demnächst dazu mehr

Und was macht Bovenschulte? Er lässt Schaefer gewähren. Ist ja ihr Ressort. Jedoch: Viele Bremerinnen und Bremer sehen im Bürgermeister keinen Moderator des Senats, sondern einen Regierungschef. Egal, ob der eine Richtlinienkompetenz hat oder nicht.

Und versucht die CDU aus all dem Kapital zu schlagen? Eher nicht. Imhoffs CDU hat sich den Grünen in der Vergangenheit schier an den Hals geworfen. Die Union hat in der Klima-Enquetekommission (Seite 135 ff) u.a. mitformuliert: Beispielsweise Reduzierung des Autobestandes um ein Drittel (in Zahlen: 33 Prozent!), Fahrrad-Premiumrouten und selbst im CDU-Programm findet sich beispielsweise ein Förderprogramm zur Anschaffung privater Lastenräder (Seite 35). Einziger emsiger CDU-Wahlkämpfer mit inhaltlicher Kritik am Finanzgebaren des Senats zurzeit: Jens Eckhoff.

Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, mögen, können wir uns demnächst zu einem weiteren Blog-Eintrag zum Wirken der Regierenden treffen. Für heute biete ich Ihnen ein ausführliches Oster-Stück, aus dem sie ersehen können: Bovenschultes Wahlsieg ist bislang keineswegs zwingend.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

Zum Seitenanfang